Jahrzehntelang waren die beiden größten rechtsextremen Parteien Deutschlands scheinbar unversöhnlich zerstritten und versuchten sich gegenseitig die Wählerstimmen abzujagen. Jetzt schluckt die NPD die Reste der heruntergewirtschafteten Deutschen Volksunion (DVU) und sorgt damit für Bewegung im rechtsextremen Parteienspektrum. Ob der Zusammenschluss den Nationaldemokraten zu neuen Wahlerfolgen verhelfen wird, ist jedoch fraglich. Ihre ehemals größte Konkurrenzpartei ist in einem desolaten Zustand und politisch nahezu bedeutungslos. Die überalterten Stammtischnazis der DVU werden für die aktionistische NPD kaum eine große Hilfe sein.
Am Samstag soll die lange geplante Fusion beim NPD-Bundesparteitag in Hohenmölsen in Sachsen-Anhalt offiziell beschlossen werden. Es gilt als sicher, dass Parteichef Udo Voigt die Verschmelzung auch gegen die letzten Widerstände in den eigenen Reihen durchsetzen kann. Rund 400 Neonazis und doppelt so viele Gegendemonstranten werden in dem 10.000-Einwohner-Ort erwartet. CDU-Bürgermeister Hans Dieter von Fintel versucht das rechtsextreme Treffen gerichtlich zu untersagen, bisher ohne Erfolg. Jetzt soll das Oberverwaltungsgericht in Magdeburg entscheiden. Vermutlich noch im November will dann die DVU auf einem letzten Parteitag über die Fusion entscheiden. Bereits vor zwei Wochen gingen die Adressen der verbliebenen 4000 DVU-Mitglieder an den NPD-eigenen Deutsche Stimme Verlag. Prompt erhielten sie unangefordert das NPD-Parteiorgan zugeschickt.
Das Zugeständnis an die DVU ist ein sehr kleines. Der von der österreichischen FPÖ abgeschaute NPD-Namenszusatz „die Soziale Heimatpartei“ soll durch „die Volksunion“ ersetzt werden. Mehr wird von der DVU vermutlich nicht übrig bleiben. Anfangs rebellierten Teile der DVU-Basis gegen den von Parteichef Matthias Faust vorangetriebenen Zusammenschluss. Die eigenen „Kameraden“ versuchten ihn aus der Partei auszuschließen und seines Amtes zu entheben. Faust klagte sich aber auf den Posten zurück. Viele Austritte auf der Führungsebene waren die Folge. Im Gegensatz zur NPD, die sich seit 1997 unter Voigt immer weiter radikalisiert hat, versuchte die DVU stets den Spagat zwischen rechtskonservativen Stammtischparolen auf der einen sowie rassistischer und antisemitischer Hetze auf der anderen Seite. Entsprechend hart sind jetzt die Grabenkämpfe mit dem gemäßigten Flügel. Beobachter gehen davon aus, dass einige enttäuschte Mitglieder zu den Republikanern und den Rechtspopulisten von Pro Deutschland wechseln werden.
„Die NPD entledigt sich durch den Zusammenschluss geschickt der lästigen Konkurrenz“, sagt Frank Metzger vom Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum (apabiz). Zumindest auf dem Papier könnte die NPD durch die Fusion ihre Mitgliederzahl von knapp 7000 auf 11.000 erhöhen. „Die DVU hat aber eine hohe Zahl an Karteileichen und manchen Mitgliedern wird die NPD zu neonazistisch sein“, sagt Metzger. „Für einige aktive Funktionäre kommt jetzt die letzte Chance Parteikarriere zu machen, da die DVU in wenigen Jahren ohnehin nicht mehr existieren würde.“ Sie versprechen sich lukrative Posten in der NPD.
Begonnen hatte die vorsichtige Annäherung an die NPD schon im Jahr 2004 mit einer strategischen Wahlabsprache. Mit dem „Deutschlandpakt“ erklärten die Konkurrenten öffentlichwirksam nicht mehr bei Landtagswahlen gegeneinander anzutreten. Als sich der Niedergang der DVU immer deutlicher abzeichnete, brach die NPD schließlich die Absprache mehrfach.
Möglich machte die Fusion ausgerechnet Voigts langjähriger Gegner Gerhard Frey. Durch ihn ist die DVU seit Kurzem schuldenfrei, was für die NPD die wichtigste Voraussetzung für die Fusion war. Der millionenschwere Immobilienunternehmer war seit der DVU-Gründung 1971 bis 2009 der Vorsitzende. Die DVU galt aufgrund des autoritären Führungsanspruches von Frey als „Ein-Mann-Partei“. Ende Oktober erließ er der DVU ihre Schulden in Höhe von mehr als 600.000 Euro, die er der Partei privat über lange Zeit geliehen hatte.
Generalprobe für die verstärkte NPD wird die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt im März. Die NPD hofft nach den Erfolgen in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern auf den Einzug in einen dritten ostdeutschen Landtag.
Die DVU hatte zuletzt kaum noch Wahlerfolge. Bei den Wahlen 2009 in Brandenburg scheiterte der Wiedereinzug in den Landtag. In der Bürgerschaft von Bremen war sie bis Juli 2007 noch mit einem letzten Abgeordneten vertreten. Dieser verließ die DVU und gründete eine rechte Splittergruppe. 2005 war die DVU laut Verfassungsschutzangaben mit 9000 Mitgliedern noch die größte rechtsextreme Partei. Seither gab es pro Jahr rund 1000 Austritte.
Auch im rechtspopulistischen Lager deutet sich ein neuer Zusammenschluss an. Die politisch gescheiterten und kaum noch existenten Republikaner (REP) führen bereits erste Gespräche mit den Pro Gruppen, die aus der rechtsextremen Bürgerbewegung Pro Köln entstanden sind. Im Sommer beschlossen die REP in Berlin zugunsten von Pro Deutschland nicht in der Hauptstadt zur Wahl 2011 anzutreten. Im Oktober führten beide Parteien in Mönchengladbach einen gemeinsamen Aufmarsch durch. Schon jetzt sind viele ehemalige REP-Mitglieder bei den Pro Bewegungen aktiv, die versuchen mit anti-islamischen Parolen von der Sarrazin-Debatte zu profitieren. Kontakte zu den REP hat der Pro NRW-Vorsitzende Markus Beisicht genug, schließlich war er selbst jahrelang Mitglied der Republikaner.