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Naziterror in Wistedt: Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen ein

 

c/o recherche nord

Nazis vom „Nationalen Widerstand Tostedt“ (rechts Stefan Silar, Betreiber des Naziladens „Streetwear Tostedt“)

In den frühen Morgenstunden dringt eine Horde vermummter Neonazis in eine WG ein, in der politische Gegner vermutet werden.  Die Nazis schlagen mit brachialer Gewalt u.a. mittels Spaten und Stahlrohren auf Köpfe und Körper ein – zwei der Angegriffenen müssen schwerverletzt ins Krankenhaus. Über diesen brutalen Naziüberfall zu Pfingsten in Wistedt (Niedersachsen) berichtete der Störungsmelder ausführlich.

Laut taz ermittelte die Polizei energisch – jedoch nicht gegen die Nazis, sondern gegen die Opfer! Den Nazischlägern wurde – laut der taz vorliegenden Akten – von Anfang an die Version geglaubt, die antifaschistischen Jugendlichen hätten die Auseinandersetzung provoziert. Die Staatsanwaltschaft Stade setzt dieser ganzen Farce nun noch eins oben drauf: Sie hat die Ermittlungen „mangels Tatnachweisen“ einfach eingestellt – trotz gewaltsamen Eindringens in eine Wohnung und schwer verletzten Opfern. Eine stärkere Ermunterung für die örtliche Naziszene zum Weitermachen könnte es eigentlich nicht geben.

Andreas Speit schreibt hierzu in der taz vom vergangenen Donnerstag:

Fünf Monate ist es her, dass hier, im niedersächsischen Wistedt (Kreis Harburg), junge Rechtsextreme auf anders gesinnte Jugendliche eingeprügelt hatten. Unlängst nun kam das Gerücht auf, die Ermittlungen in der Sache würden eingestellt. Ein Gerücht, das die Staatsanwaltschaft in Stade nun bestätigt – „mangels Tatnachweisen“, sagt Pressesprecher Kai Thomas Breas der taz, werde nicht mehr ermittelt.

Unter den damals Geschädigten löst das nicht nur Verwunderung aus. „Unglaublich“, sagt Frank Mayer (Name geändert) – „und das, obwohl die mit Spaten und Stahlrohren auf drei von uns eingeschlagen haben“. Ein Opfer erlitt einen Nasenbeinbruch und eine Amnesie. Ein weiteres Opfer zog sich Platzwunden im Gesicht zu, beim dritten war eine Armsehne gerissen.

Eigentlich hatte die Gruppe am Abend des 23. Mai eine Party besuchen wollen, deren Gastgeber zuvor schon öfter von Rechtsextremen angegangen worden war. An jenem Abend, erzählen Besucher, sollen rund fünfzehn rechte Kameraden versucht haben die Wohnung zu stürmen.

Aus den Akten, die der taz vorliegen, wird deutlich, das die Polizei danach durchaus energisch ermittelte – allerdings gegen die Opfer. In den Vernehmungen hatten die mutmaßlichen Angreifer einhellig erzählt, elf Hausnummern weiter selbst auf einer Party gewesen zu sein. Etwa sieben von deren Gästen seien beim Zigarettenholen ihrerseits Opfer von Attacken geworden. Den Akten zufolge glaubte die Polizei diesen Aussagen von Anfang an.

Das Vorgehen der Stader Ermittler dürfte „die rechte Szene ermutigen“, befürchtet Helge Limburg, rechtspolitischer Sprecher der Grünen im niedersächsischen Landtag. Es sei ein fatales Signal – in einer Region, in der Rechtsextreme immer wieder Übergriffe verüben.

Wie dieses heftige Ereignis im Zusammenhang mit der von der Familienministerin Schröder forcierten Extremismusdebatte, die in erster Linie Nazigewalt wie die hier beschriebene verharmlost und die Täter mit den Opfern auf eine Ebene stellt, ist in einem längeren Störungsmelder-Beitrag von mir nachzulesen, welcher hier zu finden ist.