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Fürther Neonazikader wegen Übergriff verurteilt

 

Kai-Andres Zimmermann bei einem Neonazi-Aufmarsch in Fürth © Jonas Miller

Vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth wird am 22. Juni der führende Fürther Neonazi Kai-Andres Zimmermann wegen gefährlicher Körperverletzung zu 13 Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt. Vorrausgegangen war eine Auseinandersetzung mit Antifaschisten in der Fürther Innenstadt. In Folge des Naziangriffs wurde ein 19-jähriger Linker von den  Angreifern mit Schlägen zu Boden gebracht. Als er auf dem Boden lag, traten die Neonazis weiter auf ihr Opfer ein.

Dieser Angriff reihte sich zu dem Zeitpunkt in eine Serie von Angriffen gegen Antifaschisten und Andersdenkende in Fürth ein. Ende 2009 / Anfang 2010 kam es in Fürth regelmäßig zu Übergriffen von Neonazis auf ihre politischen Gegner. Die Fürther Naziszene traf sich damals in der Kneipe „Treffpunkt“ die sehr zentral gelegen ist. Teilweise standen einzelne Neonazis an den Bushaltestellen unweit der Lokalität, um nach Menschen Ausschau zu halten, die nicht in ihr verquertes Weltbild passen. Oftmals wurde dann auch aus der Kneipe Verstärkung geholt, wie auch im Fall Zimmermann. Am frühen Morgen des 21.03.2010 werden vier Jugendliche, darunter auch aktive Antifaschisten, am Fürther Rathaus von den Neonazis Kai-Andres Zimmermann, Andreas B. und Andreas R. zuerst bedroht und dann angegriffen. Drei der Jugendlichen können in dem Tumult fliehen, einer wird von den Neonazis eingeholt und zusammengeschlagen. Das der Jugendliche keine schweren Verletzungen davontrug ist pures Glück. Ein Imbissbesitzer, der den Vorfall beobachtete lief in den Laden, um sein Pfefferspray zu holen, da die Tritte auf den am Boden liegenden Antifaschisten für ihn sehr gefährlich aussahen.

In erster Instanz die vor dem Amtsgericht Fürth am 18.Mai 2011 geführt wurde, erhielten die drei Haftstrafen. Andreas R. wurde zu zwei Wochen Dauerarrest, Andreas B. zu einer Haftstrafe von neun Monaten auf Bewährung und Kai-Andreas Zimmermann zu einer zusammengelegten Haftstrafe von einem Jahr und sieben Monaten verurteilt.

Zimmermann, der sofort nach dem Prozess in Haft genommen wird, saß anschließend 3 Monate in U-Haft. Alle drei Neonazis legten Berufung gegen das Urteil ein,  Andreas B. und Andreas R. zogen ihre Berufung am 11.6.2012 aber wieder zurück.

Im Berufungsprozess vor dem Landgericht gibt ein Beamter des Fürther Staatsschutzes zu Protokoll, dass wenige Tage nach dem Übergriff die drei Tatbeteiligten Andreas B., Andreas R. und Sven S. freiwillig bei der Kriminalpolizei erschienen und eine Aussage machten. Im Gegensatz zu ihren Angaben davor, möchten sie jetzt „die Wahrheit sagen und ein Geständnis ablegen“. Die Staatsschutzbeamten hatten jedoch den Eindruck, dass die Aussagen abgesprochen sind, da alle zu Protokoll geben, dass sie sich nicht wirklich erinnern können, nur noch wissen, dass Zimmermann den Antifaschisten nicht gefolgt, sondern in die entgegengesetzte Richtung lief und dementsprechend am Tatgeschehen nicht beteiligt war. Frank Miksch, Szeneanwalt und Besucher etlicher FNS-Demonstrationen, verteidigt wie schon in erster Instanz den Angeklagten. Miksch und Zimmermann stellen während des gesamten Prozesses explizite Nachfragen an die Opfer nach ihrer vermeintlichen politischen Betätigung und Organisation. Der Zeuge Sven S., der an dem Tatabend aus der regelmäßig  von Neonazis besuchten Kneipe „Treffpunkt“ den Angreifern zur Verstärkung kommt gibt an, sich an wenig zu erinnern. Er ist sich lediglich sicher, dass Zimmermann den flüchtenden Antifaschisten nicht hinterher gerannt ist. S. hatte in erster Instanz noch angegeben, dass sich alle an dem Übergriff beteiligten FNS-Aktivisten wenige Tage nach dem Vorfall im Wohnhaus des FNS-Topkaders Matthias Fischer (Fürth) getroffen hätten. Zimmermann soll dort den anderen mitgeteilt haben, dass er „dafür nicht in den Knast“ gehen werde. Während am ersten Verhandlungstag die Sachbearbeiter der Polizei, zwei unbeteiligte Zeugen, Sven S., sowie die Antifaschisten aussagen, sind für den zweiten Verhandlungstag die Mittäter vorgeladen.  Der unauffällige Anti-Antifa Aktivist Andreas R.  gibt in seiner Vernehmung an, dass nur Andreas B. und er den Antifaschisten hinterher gerannt sind. Er kann sich an wenig erinnern, da er an dem Abend viel getrunken habe. Dass Zimmermann am Tatgeschehen nicht beteiligt war, wüsste er aber noch. Frank Miksch versucht Andreas R. zu der Aussage zu bewegen, dass R. auf den am Boden liegenden Antifaschisten eingetreten habe: „Sie sind rechtskräftig verurteilt, Sie können ohne dafür bestraft zu werden zugeben, dass sie dieses und jenes gemacht haben“. Der vorsitzende Richter geht dazwischen und liest die Aussage vor, die Andreas R. zuvor gemacht hat.

Andreas B. erscheint mit dem bekannten Anwalt Stefan Böhmer (Erlangen), seines Zeichens Aktivist der ultrarechten „Burschenschaft Frankonia“. In seiner Aussage wiederspricht B. erheblich seinen früher getätigten Aussagen. Auch er gibt an, dass Zimmermann nicht hinter den Angegriffenen her gerannt sei. Miksch versucht auch von B., eine entlastende Aussage für seinen Mandanten Zimmermann zu erlangen: „Sie sind schon verurteilt, kann es sein, dass Sie zugetreten haben?“.

In seinem Plädoyer konstruiert Miksch einen Tathergang der so auch von den beteiligten Neonazis angegeben wurde, sich aber nicht mit den Beobachtungen der unbeteiligten Zeugen deckt. Er gibt zudem an, dass Zimmermann sich einer erheblichen Verfolgung seitens der lokalen Antifaschisten ausgesetzt sehe und sich abends nicht mehr allein in die Stadt traue. Zudem sei es eine Taktik der „Fürther Antifa, Nazis durch Falschaussagen in den Knast zu bekommen“. Es sei ein „Komplott gegen Zimmermann“ im Gange, da dieser von „der Antifa als Ersatz für den damals inhaftierten Matthias Fischer“ angesehen wurde. Miksch fordert einen Freispruch für seinen Mandanten.

Die Staatsanwältin spricht in ihrem Plädoyer von dem „wohl seltsamsten Komplott“ in ihrer Berufslaufbahn, wenn „es ihn überhaupt gibt“.  Für sie spricht gegen einen Komplott, dass die angegriffenen Antifaschisten teilweise weder Tritte noch Schläge gesehen haben, diese nur von unbeteiligten Zeugen wahrgenommen wurden. „Die drei Verfolger Zimmermann, Andreas B. und Andreas R. haben sich aufgemacht um Linken einen Denkzettel zu verpassen und haben ihr Opfer traktiert. (..) Mir stößt auf, dass Sven S., Andreas B. und Andreas R. zur Polizei gehen und dort eine abgesprochene Aussage wiedergeben. Ich rufe Andreas R. an und dieser gibt an, Zimmermann gar nicht zu kennen“. Die Staatsanwältin fordert eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren ohne Bewährung, da Zimmermann immer wieder einschlägig auffiel und verurteilt wurde.

In seinem letzten Wort vor der Urteilsverkündung spricht Zimmermann davon, an der Tat nicht beteiligt gewesen zu sein und geht nochmals auf die vermeintlichen politischen Aktivitäten der Zeugen ein. Er fordert für sich einen Freispruch.

Schlussendlich spricht der Richter Zimmermann wegen gemeinschaftlich begangener Körperverletzung, in der er eine funktionale Tatherrschaft innehatte, schuldig. Für den Richter sind die Aussagen der Neonazis nicht glaubwürdig, weil vieles in den Aussagen nicht zusammenpasste. „Man beschäftigt sich als Richter auch mit Aussagepsychologie und merkt wenn eine Geschichte ohne Stocken erzählt wird und erst auf Nachfrage ins Stocken kommt“.  Die Kammer verurteilt Zimmermann zu 13 Monaten ohne Bewährung. Eingerechnet sind allerdings auch 3 Monate wegen einer anderen Strafe.

Begleitet wurde der Prozess von zahlreichen Neonazis. Die FNS-Führungskader Matthias Fischer und Norman Kempken (Nürnberg) sind ebenso anwesend wie der ehemalige stellv. NPD- Nürnberg Vorsitzende Rainer Biller und der erst kürzlich wegen Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole und Organisationen verurteile Schwandorfer Neonazi Aktivist Daniel Weigl.