Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Neonazis werben für 1. Mai Aufmarsch

 

Protest in Bayreuth ©Timo Müller
Protest in Bayreuth © Jonas Miller

In mehreren Städten Bayerns haben am Wochenende rund sechzig Neonazis für den eigenen Aufmarsch am 1. Mai in Plauen (Sachsen) geworben. In jedem Ort waren Gegendemonstranten zur Stelle und pfiffen die Rechten nieder. Die Neonazis hetzten in gewohnter Manier diesmal vor allem gegen Migranten. Anti-Antifa Aktivisten gaben sich als Journalisten aus und fotografierten aggressiv ihre politischen Gegner.

Ein Beitrag von Jonas Miller und Jan Nowak

Münchberg und Helmbrechts (Oberfranken)

Extrem rechter Aufmarsch in Hersbruck ©Timo Müller
Extrem rechter Aufmarsch in Hersbruck © Jonas Miller

In den oberfränkischen Städten Münchberg und Helmbrechts waren rund dreißig Neonazis aus den Reihen des „Freien Netzes Süd“ (FNS) um Tony Gentsch und Mitglieder der sächsischen Nazigruppe „Revolutionäre Jugend Vogtland“ (RNJ), um ihren führenden Aktivist Kevin P., unterwegs. Die rechten Kundgebungen waren erst kurz vorher bei den Behörden angemeldet worden, was die Gegenmobilisierung deutlich erschwerte. Trotzdem waren in Münchberg und Helmbrechts jeweils rund 400 Gegendemonstranten vor Ort und sorgten mit Trillerpfeifen, Trommeln und Rasseln dafür, dass die Neonazis mit ihren Redebeiträgen keinerlei Außenwirkung erreichten.

Neonazis in Hersbruck ©Timo Müller
Neonazis in Hersbruck © Jonas Miller

Hersbruck (Mittelfranken)

Vormittags versammelten sich rund 25 Neonazis aus Mittelfranken und Oberbayern in Hersbruck. Angemeldet wurde die Kundgebung vom FNS- Führungskader Norman Kempken (Nürnberg) unter dem Motto „Arbeitsplätze zuerst für Deutsche“. Kempken fungiert  zeitgleich auch für den Aufmarsch am 1. Mai im Plauen als Anmelder. Eine Gruppe von Antifaschisten stellte sich den, mit dem Zug angereisten Rechten, schon am Bahnhof in den Weg und wurden von den eingesetzten Polizeikräften zurückgedrängt. Die Neonazis, die allesamt aus den Reihen der bayerischen Neonazikameradschaft „Freies Netz Süd“ stammen, führten schwarz-weiß-rote Fahnen und Transparente des FNS mit sich. Zudem trugen FNS-Aktivisten Fahnen und Transparente der neu gegründeten Neonazipartei „Der dritte Weg“ (DIIIW). Gegen das FNS laufen derzeit Ermittlungen in einem Vereinsverbotsverfahren, weshalb das FNS in der Partei vorsorglich schon eine neue Plattform gefunden hat. Die Neonazis zogen an „Hersbruck ist bunt“ Schildern vorbei vom Bahnhof zum Marktplatz, auf dem sie ihre eigentliche Kundgebung abhielten. Die Rede vom unterfränkischen FNS-Kader Matthias Bauerfeind war aufgrund der massiven Lautstärke der Bürger kaum zu verstehen. Anwohner und angereiste Nazigegner hatten auch hier Trommeln, Pfeifen und Trompeten mitgebracht, um die die Propaganda der Neonazis zu übertönen. Auf dem Rückweg der Rechten zum Bahnhof wurden diese weiter von zahlreichen AntifaschistInnen begleitet. Dabei raubten die Neonazis eine Fahne der migrantischen Organisation „Demokratik Işçi Dernekleri Federasyonu“ (Föderation Demokratischer Arbeitervereine, DIDF) und schleiften sie mit den Füßen über den Boden.

Bayreuth (Oberfranken)

FNS- AktivistInnen tragen ein "Der dritte Weg" Transaprent, links Matthias Fischer ©TM
FNS- AktivistInnen tragen ein „Der dritte Weg“ Transaprent, links Matthias Fischer © Jonas Miller

Die Neonazigruppen aus Münchberg, Helmbrechts und Hersbruck trafen sich am frühen Nachmittag in Bayreuth und sammelten sich am Bahnhof. Am Bahnhofsvorplatz erhielten zwei Antifaschisten mit einem Transparent von der Polizei einen Platzverweis. Protest in unmittelbarer Sichtweite zu den Neonazis sollte offenbar sofort unterbunden werden. Die auf knapp fünfzig Personen angewachsene Nazigruppe zog ungestört vom Bahnhof zu ihrem vorgesehenen Kundgebungsort am Luitpoldplatz. Dort erwarteten sie rund 500 Gegendemonstranten. Das „Bündnis Kunterbunt Bayreuth/Kulmbach“ hat die Gegenkundgebung organisiert. Die Teilnehmer brachten ebenfalls Trommeln, Trillerpfeifen und eine große Musikanlage mit. Eine Frau zeigte ein Schild auf dem „Geh doch nach Hause, du braune Scheiße“ stand, ein anderer hielt ein selbst gebasteltes Plakat mit dem Spruch „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg“ in Richtung der Nazikundgebung. Auf einem Riesen Transparent mit Länge von rund dreißig Metern war „Kein Platz für Nazis“ zu lesen. Die Botschaft der Bayreuther war klar: Nazis haben in der Festspielstadt nichts verloren. So ist es auch kaum verwunderlich, dass die Reden von Nazikader Rico D. (Revolutionäre Jugend Vogtland) und von Kundgebungsanmelder Tony Gentsch (Freies Netz Süd, Der dritte Weg) selbst in unmittelbarer Nähe zur Nazikundgebung unverständlich waren. Rico D. unterbrach seine Rede, augenscheinlich aus Frust über den Lärm. Auf dem Rückweg vom Luitpoldplatz zum Bahnhof gaben die führenden FNS- Kader Tony Gentsch (Oberprex) und Matthias Fischer (Fürth) die Parolen vor.  „Nationaler Sozialismus jetzt“, „Arbeitsplätze zuerst für Deutsche“ und „Frei sozial und national“ riefen die Neonazis durch die Straße, am Rand saßen viele Menschen in Cafés und Restaurants. Auch einige Migranten waren darunter. Ein älterer Herr begleitete den rechten Wanderzirkus und schrie „Nazis raus!“ und „Haut ab!“. Matthias Fischer brüllte ins Mikrofon „Kriminelle Ausländer“, der rechte Mob grölte „Raus!“, Fischer ergänzte „Und der Rest?“, „Auch!“ plärrten die überwiegend jungen Neonazis.

Deggendorf (Niederbayern)

Kundgebung in Deggendorf © Jan Nowak
Kundgebung in Deggendorf © Jan Nowak

Rund 20 Neonazis versammelten sich zu einer Kundgebung unter dem Motto  „Arbeitsplätze zuerst für Deutsche“ am Michael-Fischer-Platz in Deggendorf. Als Redner traten die FNS- Kader Walter Strohmeier (Niederpöring) und Roy Asmuß (Teising) auf. Die meisten der überdurchschnittlich jungen Teilnehmer kamen aus Niederbayern, einige wenige waren auch aus der Region Mühldorf/Altötting im nahen Oberbayern angereist. Durch themenbezogene Schilder mit Aufschriften wie „Arbeitsplätze zuerst für Deutsche“, „Jobst du noch oder arbeitest du schon?“ und „Ich dummer Esel glaube an das Märchen der Fachkräfte aus dem Ausland“, die Verteilung von Flyern sowie Redebeiträge versuchten die Neonazis ihre nationalistische Sozialkritik an die Öffentlichkeit zu bekommen. Außenwirkung konnte die Kundgebung jedoch kaum erreichen, da etwa 30 NazigegnerInnen lautstark protestieren.

Anti-Antifa Fotografen spielen Journalisten

Es ist ein immer wieder kehrendes Thema. Neonazis die aktive Anti- Antifa Arbeit betreiben, tarnen sich als Pressefotografen. Etliche Medien, wie auch Endstation Rechts, der Störungsmelder und das ARD- Medienmagazin „Zapp“  haben immer wieder darauf hingewiesen. Mit Phantasiedokumenten auf denen „Presseausweis“ steht, gehen die braunen Fotografen ihrer Tätigkeit nach. Die benutzten Ausweise werden von Vereinen ausgestellt, die diese ohne  journalistischer Nachweise, Arbeitsverträge oder sonstiger Belege an jedermann verkaufen.

Nazifotografen außerhalb der eigenen Kundgebung ©Timo Müller
Rechte Fotografen außerhalb der eigenen Kundgebung © Jonas Miller

Diese Praxis führt dazu, dass sich Nazifotografen bei Aufmärschen und Kundgebungen außerhalb der eigenen Demonstration aufhalten und gezielt Fotos von Gegendemonstranten und unliebsamen Journalisten anfertigen können. Für diese gezielte Anti-Antifa Arbeit gibt es verschiedene Taktiken. So kleiden sich die Anti-Antifa Aktivisten zum Beispiel anders als ihre GesinnungskameradInnen oder mischen sich gleich direkt unter die Gegendemonstranten. Auch bei der jetzt stattgefundenen Mobilisierungstour der Nazis konnten die beiden Anti-Antifa Fotografen Michael Reinhardt (Nürnberg) und Marcel F. oft stundenlang Nazigegner aus nächster Nähe abfotografieren. Nach Beschwerden bei der Polizei wurde zumindest Marcel F. zeitweise in die Schranken gewiesen, nachdem dieser seine Kamera provozierend direkt vor Gesichter von Antifaschisten hielt. Nachdem die eingesetzten Nazifotografen ihre Bilder erstellt haben, wurden diese vom Anti-Antifa Urgestein Norman Kempken begutachtet und die Fotografen erhielten neue „Aufträge“. Die angefertigten Fotos werden oft im Nachhinein auf Internetseiten veröffentlicht, gegen die Betroffenen wird öffentlich gehetzt. Was dann folgt sind körperliche Übergriffe und Anschläge. So sind im Raum Mittelfranken in den letzten Jahren mehrere Häuser mit Farbe angegriffen, Autoreifen zerstochen und Autos angezündet worden.

Norman Kempken (2.v.l.) überprüft die Fotos ©Timo Müller
Norman Kempken (2.v.l.) überprüft die Fotos © Jonas Miller

Neonazistische Gewalt, Einschüchterungen und Diffamierungen können nicht mit einem Verbot verhindert werden. Was aber zumindest verhindert werden kann, ist, dass sich Neonazis als Journalisten ausgeben. Medienverbände wie der „Deutsche Journalisten Verband“ (DJV) oder die „Deutsche Journalisten Union“ (DJU in ver.di) stellen ihre Presseausweise nur an hauptberuflich tätige Journalisten gegen entsprechende Nachweise aus. Bis vor wenigen Jahren war das der bundeseinheitliche Presseausweis. Nun ist die Politik gefordert, dies wieder umzusetzen.

Bilder von den Naziaktionen und den Gegenprotesten: Klick.