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Neonazis wollen auch Journalisten sein

 

Extrem Rechte als Presse in Weimar, Bild: Felix M. Steiner
Extrem Rechte als Presse in Weimar, Bild: Felix M. Steiner

Erneut provoziert die extrem rechte Szene mit einem Aufruf, dass sich Neonazi-Aktivisten mit Presseausweisen ausstatten sollen. Auch das Bundesministerium des Inneren weiß um diese Strategie. Ob die Wiedereinführung eines bundeseinheitlichen Presseausweises der Königsweg ist, bleibt fraglich.

Von Felix M. Steiner

In Berlin weisen sich am 1. Mai mehrere rechtsextreme Fotografen mit Presseausweisen aus, Foto: Publikative.org
In Berlin weisen sich am 1. Mai mehrere rechtsextreme Fotografen mit Presseausweisen aus, Foto: Publikative.org

Es ist unweigerlich als Provokation gedacht: Ein Kreisverband der Neonazi-Partei „Die Rechte“ ruft „nationale Aktivisten“ dazu auf, sich verstärkt mit Presseausweisen auszustatten. Diese Strategie ist nicht neu und wurde bereits in verschiedenen Bundesländern bei extrem rechten Veranstaltungen beobachtet. Dass eine extrem rechte Partei nun öffentlich dazu aufruft, ist allerdings eine neue Qualität. Die Vorteile und Einsatzmöglichkeiten werden gleich mit benannt: Die Bewegungsfreiheit bei Demonstrationen, der Zugang zu Pressekonferenzen und Antifa-Demonstrationen sind für die Neonazi-Partei die wesentlichen Argumente für den Besitz eines Presseausweises. Bereits 2013 zeigte sich, wie dies funktioniert. Egal ob Anti-Antifa-Fotografen in Berlin oder ein NPD-Funktionär aus Thüringen – Neonazis nutzten mehrfach verschiedene Arten von Presseausweisen, um Polizeisperren zu passieren. Sie konnten so ungehindert unter den Augen der Polizei Gegendemonstranten oder Blockierer fotografieren. Was genau mit den Bildern passiert, weiß niemand. Auch anwesende Journalisten konnten so immer wieder abfotografiert oder bei ihrer Arbeit behindert werden. Woher die Dokumente stammen, ist oft unklar. Im Falle des Thüringer NPD-Funktionärs Roy Elbert, der vor kurzem die Partei verließ, handelte es sich um eine „International Press Card“, wie die zuständige Polizeibehörde auf Anfrage mitteilte. Mit einem seriösen Presseausweis hat dies wenig zu tun. Eben jenen Weg, sich die im Internet gegen Geld verfügbaren Dokumente zu besorgen, empfehlen auch die Neonazis der Partei „Die Rechte“ in ihrem Artikel. Als weitere Möglichkeit wird die Ausstellung eines Jugendpresseausweises bei der Jungen Presse Nordrhein-Westfalen e.V. benannt. Die Junge Presse ist eigentlich dazu gedacht, Nachwuchsjournalisten zu unterstützen und gibt als einer der Presseverbände für junge Journalisten in Deutschland den Jugend-Presseausweis heraus. Marcus Hammes, dem Vorsitzenden der Jungen Presse Nordrhein-Westfalen, sind Versuche von Neonazis, sich Ausweise auf diesem Weg zu verschaffen, bereits bekannt. “Wir wissen von solchen Versuchen. In unserem Verband wird jede einzelne Beantragung geprüft. Anträge, die den Regularien nicht genügen, werden abgelehnt“, so Hammes. Seit der Veröffentlichung des extrem rechten Aufrufes habe es allerdings keine derartigen Versuche gegeben. Doch auch die Junge Presse e.V. zeigt sich alarmiert. „Die Junge Presse e.V. nimmt das Thema sehr ernst und ist nochmals sensibilisiert, was die Ausstellung der Jugend-Presseausweise anbelangt. Der aktuelle Aufruf hat uns darin bestärkt, auch weiterhin jeden Antrag auf Grundlage der für alle ausstellenden Verbände gültigen Jugend-Presseausweisordnung genau zu prüfen“, versichert Marcus Hammes.

Ordner einer NPD-Demonstration behindert Journalisten, Foto: Publikative.org
Ordner einer NPD-Demonstration behindert Journalisten, Foto: Publikative.org

Auch für Cornelia Haß, die Geschäftsführerin der Deutschen Journalistinnen und Journalisten Union (DJU), ist dies eine gefährliche Entwicklung. „Die Neonazis missbrauchen ein relevantes Arbeitsmittel für Journalistinnen und Journalisten, um sich Informationen für Ihre politische Propaganda zu verschaffen“, sagte Haß auf Anfrage des Zeit-Online-Störungsmelders. Auch das „Anprangern und Ausspionieren seriöser Kolleginnen und Kollegen“ und damit einhergehende Bedrohungen sieht Haß als Problem. Wie aktuell eben jenes Vorgehen von Neonazis ist, zeigte sich vor kurzem, als eine „Anti-Antifa Sachsen“ bei Facebook hunderte Bilder von Demonstranten und Journalisten veröffentlichte und andere Neonazis diese mit den Namen der abgebildeten Personen beschrifteten. Doch die Seite war nur kurze Zeit online. Klar wird dennoch: In der Szene existieren wahrscheinlich tausende Bilder von Neonazi-Gegnern und Journalisten.

Auf Facebook wurden hunderte Bilder von Demonstranten und Journalisten veröffentlicht, Bild: Screenshot.
Auf Facebook wurden hunderte Bilder von Demonstranten und Journalisten veröffentlicht, Bild: Screenshot.

Die Strategie der Neonazis ist auch dem Bundesministerium des Inneren bekannt, wie eine Sprecherin mitteilte. Doch zum Umfang dieser Vorgehensweise liegen dem Ministerium „keine belastbaren Erkenntnisse“ vor. „Das Bundesministerium des Innern begrüßt vor diesem Hintergrund die Initiative der Bundesländer zur Wiedereinführung eines bundeseinheitlichen Presseausweises“, heißt es seitens des Ministeriums.

Journalisten als Problem?

Weimar 2014: Journalisten müssen warten, Neonazi-Presse darf passieren, Foto: Felix M. Steiner
Weimar 2014: Journalisten müssen warten, Neonazi-Presse darf passieren, Foto: Felix M. Steiner

Die verschiedenen Arten von Presseausweisen sind bei weitem nicht das einzige Problem. Besonders vor Ort sind es oft die Sicherheitsbehörden, die Schwierigkeiten mit dem Umgang mit Pressevertretern haben. Oft zeigen sich Polizistinnen und Polizisten im Umgang mit Presseausweisen ahnungslos oder betrachten Journalistinnn und Journalisten als das Problem: Sie sehen die Anwesenheit von Pressevertretern als eine Provokation der Neonazis. Die Logik dahinter: Wenn Neonazis sich durch die Anwesenheit von Pressevertretern provoziert fühlen, müssen Journalistinnen und Journalisten eben der Veranstaltung fern bleiben. Im Februar führte dies bei einer Neonazi-Demonstration in Weimar zu einer unglaublichen Situation. Mehreren Journalisten wurde der Zugang zu einer Neonazi-Demonstration mit eben jener Begründung versagt. Darunter Fachjournalisten, die von der Polizei bereits mehrfach gebeten wurden, ihre Aufnahmen den Behörden zur Verfügung zu stellen. Noch absurder wurde die Situation, als der extrem Rechte Ralf H., der bei einschlägigen Veranstaltungen mit der Aufschrift „Presse“ auf Jacke oder Rucksack fotografiert, von den Polizisten ohne Probleme zur Veranstaltung gelassen wurde – augenscheinlich sogar ohne Vorzeigen irgendeines Dokumentes.

Inwieweit die Lösung des Problems ausschließlich in der Wiedereinführung von bundeseinheitlichen Presseausweisen liegt, bleibt fraglich. Die aktuelle Debatte über Blogger und die Veränderung der Presselandschaft zeigt am ehesten, dass auch jenseits einer Presseausweis-Problematik Diskussionsbedarf besteht.