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Ehemalige Neonazi-Szenegröße als freier Journalist

 

Neonazi-Demo in Chemnitz am 5. März 2014, Foto: Johannes Grunert
Symbolbild: Neonazi-Demo in Chemnitz am 5. März 2014, Foto: Johannes Grunert

In Chemnitz arbeitete eine über Jahre zentrale Führungsfigur der Neonazi-Szene als freier Journalist bei der Morgenpost24. Nachdem die vergangenen Aktivitäten öffentlich bekannt wurden, trennte sich das Medium heute unverzüglich von ihrem Mitarbeiter.

 

Von Johannes Grunert und Felix M. Steiner 

 

Screenshot des Mopo24-Kommentars von Patrick Fischer
Screenshot des Mopo24-Kommentars von Patrick Fischer

Seit Jahren bauen Neonazis vor allem online ihre eigenen Medien auf und Szene-Angehörige mit Presseausweis gibt es immer wieder. Dass jedoch eine zentrale Figur der rechten Szene auf einmal als freier Journalist bei einem etablierten Medium auftaucht, ist bisher eher die Ausnahme. Wie heute bekannt wurde, arbeitete mit Patrick Fischer eine über viele Jahre zentrale Figur der sächsischen Neonazi-Szene beim Chemnitzer Ableger der Morgenpost24 (Mopo24). Sein aktueller Arbeitsplatz war öffentlich geworden, als Fischer einen Kommentar zum Thema Crystal Meth schrieb und dieser neben seinem Namen auch mit einem Bild versehen war. Schnell verbreitete sich die Information über die sozialen Medien. Fischers politische Ausrichtung und seine Aktivitäten in der Neonazi-Szene waren in der Redaktion und bei der DDV-Mediengruppe, zu der die Mopo24 gehört, nicht bekannt. So teilte Grit Bloß, Pressesprecherin der Mediengruppe mit, dass eine Zusammenarbeit mit dem Wissen um Fischers Vergangenheit sicher nicht zustande gekommen wäre. „Aufgrund seiner jetzt bekannt gewordenen Aktivitäten in der Vergangenheit haben wir uns unverzüglich von ihm als freiem Mitarbeiter getrennt. Wir distanzieren uns in aller Deutlichkeit von dieser Form politischer Gesinnung“, so Bloß weiter. Fischer hatte vor seiner Anstellung zunächst ein dreiwöchiges Praktikum bei der Mopo absolviert und war seit Montag dieser Woche als freier Mitarbeiter tätig.

Patrick Fischer (ganz rechts) beim "Trauermarsch" in Dresden 2011, Foto: Johannes Grunert
Patrick Fischer (ganz rechts) beim „Trauermarsch“ in Dresden 2011, Foto: Johannes Grunert

Zentrale Figur der Szene

Patrick Fischer zählte über viele Jahre zu den zentralen Figuren der Neonazi-Szene in Sachsen. Egal ob Redner, Ordner oder Verantwortlicher für Szene-Medien – Fischer war in allen Bereichen zu finden. Als das Sächsische Innenministerium im März 2014 die „Nationalen Sozialisten Chemnitz“ verbot, zählten dazu auch mehrere Internetseiten. Darunter unter anderem mauerbluemchen.org. Fragt man die Registrierungsdaten der Seite ab, ist dort bis heute der Name Patrick Fischer zu finden. Dazugehörige Social-Media-Accounts, die laut der Verbotsverfügung geschlossen werden mussten, existieren bis heute.

Patrick Fischer 2010 als Redner beim Neonazi-Aufmarsch in Bad Nenndorf, Foto: Recherche Nord
Patrick Fischer 2010 als Redner beim Neonazi-Aufmarsch in Bad Nenndorf, Foto: Recherche Nord

In den letzten Jahren hat sich der ehemals führende Neonazi aber immer weiter aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Nachdem er 2011 sein Abitur in Chemnitz machte und im gleichen Jahr sein Studium in Chemnitz aufnahm, lief er noch 2012 auf einigen bundesweiten Neonaziaufmärschen mit. Im Szenekontext wurde er zuletzt im Oktober 2012 bei einer Podiumsdiskussion der linken Tageszeitung „Neues Deutschland“ an der TU Chemnitz gesehen, die er gemeinsam mit zwei bis heute sehr aktiven Neonazi-Kameradschaflern besuchte. Beobachter der Szene gehen allerdings nicht von einem Ausstieg Fischers aus der Szene aus sondern lediglich von einem Rückzug. Auch seine sozialen Kontakte lassen diese Vermutung zu. Auf Facebook ist er weiterhin mit Kameradschaflern wie dem ehemaligen Chemnitzer NPD-Vorsitzenden Sven W. und zahlreichen Mitgliedern der neonazistischen Chemnitzer Fangruppierung „NS-Boys“ befreundet. Auf seinem neu angelegten Twitter-Account folgt er dem früheren Szeneportal „Chemnitz-Infos“. Sein Instagram-Profil lässt den Schluss zu, dass er sich weiter in der Chemnitzer Hooligan-Szene bewegt, die als ausgesprochen rechtslastig gilt. Chemnitz gilt in der Neonaziszene schon seit mehreren Jahren als bevorzugter Ort für junge Aktivisten, um in Ruhe einem Studium oder einer Ausbildung nachgehen zu können. So machten bereits der frühere Kameradschafler Benedikt Kaiser, der heute für den rechten Antaois-Verlag arbeitet, der heutige JN-Aktivist Benedikt Bandura aus Hessen und der militante niedersächsische Neonazi Patrick K. (Balaclava Küche, Liedermacher Jugendgedanken) vom Rückzugsraum Chemnitz Gebrauch.