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Haftstrafe für Neonazi-Funktionär Sascha Krolzig

 

Hochzeit, Trauerfeier, Naziaufmarsch – Krolzig tritt überall als Redner auf. Foto: Alexander Völkel

Sascha Krolzig gehört seit vielen Jahren zu den bekanntesten Neonazi-Funktionären in Deutschland. Nach seinen zahlreichen Vorstrafen und einer erneuten antisemitischen Beleidigung könnte es für den Rechtsextremen nun ins Gefängnis gehen.

 

Von Jennifer Marken

 

Sascha Krolzig hat sich stets darum bemüht, als Speerspitze der extrem rechten Szene hervor zu treten. Nun wurde Krolzig, langjähriger Funktionär und Bundesvorstandsmitglied der Minipartei Die Rechte, wegen Volksverhetzung und Beleidigung vom Landgericht Bielefeld zu einer sechsmonatigen Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt. Er hatte den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Detmold 2016, unter bewusster Bezugnahme auf nationalsozialistisches Vokabular, als „selbstgefälligen frechen Juden-Funktionär“ beschimpft.

Hintergründe seiner Verurteilung

2016 hatte der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Herford-Detmold, der pensionierte Musik-Hochschullehrer Matijahu Kellig (68), dagegen protestiert, dass die Gemeinde Preußisch Oldendorf in Ostwestfalen ihr Amtsblatt weiterhin bei einem Verleger (Rainer Höke) aus Ostwestfalen drucke, der  das geschichtsrevisionistische Buch Die letzten Tage mit Adolf Hitler des ehemaligen Chauffeurs Hitlers und weitere SS-Schriften vertreibt. Bereits 1995 war Höke vom Landgericht Dortmund verurteilt worden, weil in seiner Druckerei 3.000 Exemplare einer antisemitischen Zeitschrift gefunden wurden. Die Stadt hielt dennoch bis zum Sommer 2016 an der Zusammenarbeit fest. Der Skandal wurde bundesweit durch einen Fernsehbeitrag bekannt.

Seit Jahren gilt Dortmund als Neonazihochburg | © Christian Martischius

Daraufhin empörte sich die Partei Die Rechte – d.h. deren Kreisverband Ostwestfalen-Lippe. Sie schwadronierte auf ihrer Website über den „Einfluss jüdischer Lobbyorganisationen auf die deutsche Politik und beleidigte Kellig als „frechen Juden-Funktionär“, der gegen Verleger „hetze“ – ein typischer antisemitischer Topos aus der Nazizeit. Die Rechtsextremen forderten die umliegenden Landkreise dazu auf, Kontakte mit der jüdischen Gemeinde unverzüglich einzustellen. Seitdem war der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde fortgesetzten Anfeindungen ausgesetzt: „Die Angst ist seit einem Jahr ständiger Begleiter“, so Kellig in einem Interview. Kellig zeigte daraufhin den verantwortlichen Landesvorsitzenden Krolzig an.

Anfangs lehnte es die Justiz ab, das Offenkundige strafrechtlich zu verfolgen. Kelligs Anwalt ließ sich nicht abspeisen. Zeitgleich musste der Bedrohte in seinem Haus auf Anraten des Staatsschutzes zahlreiche Sicherheitsmaßnahmen einbauen lassen. Daraufhin entstand – wie die Gerichtsreporterin Gisela Friedrichsen 2017 in der „Welt“ schrieb – „eine geradezu gespenstisch anmutende Debatte“ zwischen dieser Justiz und Kelligs Anwalt.

Krolzig legte Wert darauf, sich selbst zu verteidigen – und erhielt so über Monate Einblick in die Akten, in denen diese Sicherheitsvorkehrungen beschrieben sind. Die Ängste des jüdischen Gemeindevorsitzenden nahmen immer weiter zu. Später nahm Krolzig doch einen Anwalt: Den als „Szeneanwalt“ geltenden Düsseldorfer Björn Clemens. Dieser sprach von einem „Schauprozess“ sowie von der „Unterdrückung nationaler Dissidenten“.

Nun wurde Krolzig doch noch zu einer sechsmonatigen Haftstrafe verurteilt, da er nach einer Tat aus dem Jahr 2015 immer noch unter Bewährung steht. Clemens teilte mit, dass er Widerspruch einlegen werde.

Ein langjähriger Rechtsextremer

Der 1987 in Hamm geborene Krolzig blickt auf eine lange Karriere in der deutschen Neonazi-Szene zurück: Bereits mit 17 Jahren trat er in Hamm als Aktivist der 2012 verbotenen „Kameradschaft Hamm“ in Erscheinung. Antisemitische Beleidigungen und Bedrohungen galten als seine Leidenschaft. Drei Wochen nach dem Verbot der „Kameradschaft“ – welches eigentlich auch ein Betätigungsverbot für Nachfolgeorganisationen beinhaltet – war er einer der Hauptaktivisten bei der Gründung des NRW-Landesverbandes von Die Rechte. Der Begriff „Partei“ für diese Gruppierung, die ihren Schwerpunkt in Dortmund hat, muss als problematisch gelten: Auch die Sicherheitsbehörden beschreiben Die Rechte als „wesensverwandt mit dem Nationalsozialismus“; sie agiere aktiv kämpferisch und einschüchternd.  Es sei eine neonazistische Personengruppe, die sich das Etikett „Partei“ übergestülpt habe. Krolzigs Affinität zu antisemitischen Beleidigungen und Shoahleugnungen zeigte sich auch bei seiner Ende 2017 gehaltenen Rede bei einer Jubiläumsfeier für die Shoahleugnerin Ursula Haverbeck im Die Rechte Kreisverband Rhein-Erft.

Sascha Krolzig als Redner bei einer Neonazi-Demo im März 2017 in Leipzig © Felix M. Steiner

Der in seinem Erscheinungsbild gedrungen, kleidungsmäßig bieder auftretende Krolzig tritt seit 2004 bundesweit als Anmelder und Redner von Neonazikundgebungen auf. Bereits 2007 war er Regionalbeauftragter West des 2008 aufgelösten, querfrontig arbeitenden „Kampfbundes Deutscher Sozialisten“. Dieser zeichnete sich gleichfalls durch einen radikalen „Antizionismus“ aus.

„Zehn Vorstrafen in elf Jahren“

Die Liste der Verurteilungen Krolzigs wegen einschlägiger rechtsextremer Delikte ist lang: Bereits 18-jährig wurde Sascha Krolzig wegen einer an die Losung der SA angelehnten Rede – „Alles für Deutschland“ – zu einer sechsmonatigen Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt. Es folgten weitere Vorstrafen wegen Beleidigung, Volksverhetzung, Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte.

Der Neonazi-Aktivist studierte von 2009 bis 2014 Rechtswissenschaft in Bielefeld. Ein Mitgliedsantrag bei der NPD soll nach Angaben des ehemaligen NPD-Vorsitzenden Apfel wegen politischer Bedenken abgelehnt worden sein. Nach Abschluss seines 1. Staatsexamens wurde Krolzig im August 2015 eine Aufnahme des Rechtsreferendariats wegen seiner Vorstrafen abgelehnt. Das Gericht bescheinigte ihm, dass er für ein Richteramt „unwürdig und charakterlich nicht geeignet“ sei. Im Herbst 2016 wurde bekannt, dass der rechtsextreme Aktivist nun als Trauerredner arbeitet. Zeitgleich kandidierte er bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen auf Platz 4 seiner Partei.

Insbesondere bei geschichtsrevisionistischen und die Shoah leugnenden Neonazi-Demonstrationen setzte sich Krolzig immer wieder in Szene. So rief er im August 2011 in einer Videobotschaft zur Teilnahme am „Trauermarsch“ nach Bad Nenndorf auf.

Neonazi-Aufmarsch 2015 in Bad Nenndorf © Störungsmelder

Der Prozess seiner antisemitischen Radikalisierung zeigt sich auch in Krolzigs neuestem Projekt: Seit März 2017 ist er Herausgeber des Zeitungsprojektes „N.S. Heute“. Von dem offen neonazistischen Magazin sind bisher sieben Ausgaben erschienen. Im Heft wird gemäß der Journalistin Andrea Röpke ein Spagat zwischen einer deutlichen Öffnung der eigenen Reihen in Richtung Strategien der „Neuen Rechten“ und dem Verharren in alter NS-Tradition versucht. Krolzigs Aggressivität ist auch von Holger Apfel in dessen internen Abrechnungsbuch „Irrtum NPD“ beschrieben worden: Krolzig habe ihm nach einer internen Kritik geschrieben, er bedaure, ihm mal die Hand gegeben zu haben, er hätte sie ihm lieber brechen sollen.