Mit Konzerten wollen Neonazibands unpolitische Zuhörer erreichen. Von ihren Geheimauftritten bekommen die Behörden meist wenig mit.
Von Sebastian Lipp
Samstagabend bei Borna nahe Leipzig: Ein wuchtiger Klinkerbau namens Dancehouse Zeche II soll zum Schauplatz eines Konzerts von Rechtsextremen werden. Doch davon wissen nur wenige. Die Veranstalterin, eine bekannte Anhängerin der Bornaer Neonaziszene, hat sich viel Mühe gegeben, den genauen Ort bis zuletzt geheim zu halten. Genauere Informationen erhielt nur, wer zuvor seine Adresse übermittelte und Tickets zum Preis von 25 Euro kaufte.
Dafür erhielten Interessenten Zugang zu einem eigens eingerichteten geheimen Kommunikationskanal mit mehr als 170 Nutzern. Nichts sollte nach außen dringen.
Die Geheimhaltung funktionierte
Im ersten Halbjahr dieses Jahres hat es einem Medienbericht zufolge bundesweit 131 Musikveranstaltungen der Neonaziszene gegeben, wie es laut einem Medienbericht in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken heißt. 13.000 Besucher sollen damit erreicht worden sein. Doch ob diese Zahlen vollständig sind, daran gibt es regelmäßig starke Zweifel.
In diesem Fall erfuhren die Sicherheitsbehörden so gut wie nichts. Bis zum Tag vor dem Konzert wurde nur bekannt, was die Veranstalter selbst im Internet veröffentlichten, wie Innenministeriumssprecherin Patricia Vernhold auf Anfrage des Störungsmelders erklärte.
Doch nicht nur der Ort, auch der brisante Inhalt blieb den Behörden offenbar verborgen. Die Veranstaltung lief unter dem Titel Oi! for Saxony. Oi! ist harter Rock, der bei Skinheads beliebt ist – unpolitischen, aber auch rechtsextremen. Das Ministerium teilte mit: „Ob es sich bei dieser Veranstaltung um ein rechtsextremistisches Konzert handelt, kann gegenwärtig noch nicht abschließend beurteilt werden.“ Dass die Organisatorin dem Neonazispektrum zuzuordnen ist, war anscheinend nicht Hinweis genug.
Das Innenministerium ist den Neonazis auf den Leim gegangen. Einige der angekündigten Bands geben sich gerne ein vermeintlich unpolitisches und unproblematisches Image. Tatsächlich sind sie als einschlägige Rechtsrocker bekannt.
Musik für den Neonazigeschmack
Zum Beispiel die Band Prolligans. Unter Vertrag steht sie bei dem Label Subcultural Records aus dem Unterallgäu. Dessen Betreiber versucht gezielt, die Kultur von Neonazibands in eine Skinheadszene sickern zu lassen, die sich als nicht rechts oder unpolitisch versteht. Dass die Strategie teilweise verfängt, zeigt sich exemplarisch an der Band Southern Rebels aus Landsberg am Lech. Die Mitglieder der Gruppe hatten sich früher öffentlich solidarisch mit Flüchtlingen erklärt. Dann wechselten sie zu Subcultural Records – und verkehrten dort mit knallharten Neonazis.
Innerhalb eines halben Jahres wurden die Kontakte der Southern Rebels in die Szene so eng, dass sie im Oktober vergangenen Jahres an einem konspirativ organisierten Konzert mit rund 250 Neonazis teilnehmen durften – dem 15-jährigen Jubiläum der Neonazikameradschaft Voice of Anger.
Doch das Geschäft mit den braunen Oi!-Konzerten ist in den vergangenen Monaten ins Stocken geraten. Recherchen und kritische Berichterstattung deckten die Ambitionen der Skinheads auf, in andere Subkulturen vorzudringen. Mehrere Auftritte und ganze Konzerte mit Bands von Subcultural Records konnten nicht stattfinden. Der Verfassungsschutz stufte die Gruppe als rechtsextrem ein. Als Reaktion gingen die Rechtsrocker auf Tauchstation und verlegten sich auf Geheimkonzerte, wie sie die Neonaziszene seit Jahrzehnten abhält, um Behörden, kritische Berichte und Protest fernzuhalten.
Das Konzert floppt
So auch an diesem Wochenende in der Nähe von Leipzig. Erst rund 24 Stunden vor Konzertbeginn erhielten zahlende Gäste eine Telefonnummer. Anrufern wurde ein Treffpunkt mitgeteilt: ein Getränkemarkt in Borna. Dort sollte es kurz vor Eröffnung des Konzertgeländes weitere Informationen geben. Dort wartete vor allem Enttäuschung: Weniger als 50 Besucher kamen auf dem Parkplatz zusammen. Das hatten sich Beobachter und Veranstalter anders vorgestellt. Kurz vor Ende des Kartenvorverkaufs wurde sogar entgegen der strikten Geheimhaltung die Abendkasse geöffnet, um noch Kurzentschlossene zur Teilnahme zu bewegen.
Einigen Besuchern wurde es zu viel, sie sagten ab und forderten ihr Geld zurück. Auch mit den Bands klappte es nicht recht. Bereits einen Monat vor Beginn hatten die Veranstalter die Liste der Auftritte von sechs auf vier zusammengestrichen.
„Alles vollgekotzt“
Ihren Frust ließen die Gäste dann anscheinend auf der Veranstaltung aus: Einige Besucher hätten „oben alles vollgekotzt“, Scheiben zerstört und Gläser zerbrochen, bilanziert die wenig begeisterte Veranstalterin nach dem Konzert im geheimen Kommunikationskanal der Konzertbesucher. Sie müsse nun für den Schaden aufkommen. Außerdem hätte jemand eine erhebliche Menge Getränke auf ihre Kosten „angeschrieben“.
Zuvor hatten die Rechtsrocker lange einem geeigneten Konzertgelände in der Gegend gesucht. Nun ist der sorgfältig ausgesuchte Ort aufgeflogen. Trotz der Scherereien: Der Vermieter der Zeche II würde den Neonazis wieder eine Bühne geben, sagt er auf Nachfrage des Störungsmelders: „Klar. Ich vermiete an jeden, der bezahlt.“