Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Wenn Rechte nach dem Rechten sehen

 

Bei der Aktion Schafft Schutzzonen lässt die NPD ihre Anhänger als Bürgerwehr durch die Stadt laufen. Im niedersächsischen Salzgitter kommt der braune Spuk bei Gleichgesinnten gut an.

Von Bela Mittelstädt

NPD – Wenn Rechte nach dem Rechten sehen
Bei der Schutzzonen-Kampagne zeigen NPD-Anhänger Präsenz auf den Straßen (Symbolfoto).
© Matthias Balk/dpa

Ihre Haare sind kurz geschoren, die Gesichter nicht erkennbar. Ihre Uniform sind schwarze und rote T-Shirts, auf denen ein zum Schild geformtes S prangt. Die breitschultrigen Männer, die auf einer Facebook-Seite der NPD posieren, haben eine Mission: „Katastrophale Sicherheitslage beenden – Salzgitter zur Schutzzone machen!“, steht dort.

Glaubt man ihren Worten, sind Kriminalität und Gewalt Alltag auf den Straßen der niedersächsischen Stadt Salzgitter. „Wo die Polizei die Sicherheit nicht mehr vollumfänglich sicherstellen kann, sind wir wieder selber gefragt, den Zusammenhalt unter den Deutschen zu stärken“, heißt es düster.

Zusammenhalt und Sicherheit – das sind die Schlagworte, mit denen die NPD dieser Tage ihren aussichtslosen Kampf aus dem politischen Abseits bestreitet. Dazu gehört die bundesweite Kampagne Schafft Schutzzonen. Dabei ruft die Partei dazu auf, Gruppen nach Art einer Bürgerwehr zu gründen, wo „der Staat nicht fähig oder willens ist, seine Bürger zu schützen“, wie es auf der Homepage der Aktion heißt. Mitstreiter des Projekts sind unter anderem in Bochum, Berlin und Nürnberg gesichtet worden; die Aktivitäten einer Truppe aus Cottbus hatte der Störungsmelder bereits in der vergangenen Woche beleuchtet.

Bei Sympathisanten kommt die Patrouille gut an

Salzgitter gehört dabei zu den fruchtbarsten Feldern für die Rechtsextremisten. Während die NPD niedersachsenweit faktisch keine Rolle mehr spielt, kann sie im November wohl mit zahlreichen Teilnehmern bei einer geplanten Demonstration rechnen. Auch die AfD kommt in der 100.000-Einwohner-Stadt gut an – im Stadtteil Lebenstedt erreichte sie bei der Landtagswahl im vergangenen Jahr 18,5 Prozent der Stimmen, während es landesweit nur 6,2 Prozent waren.

Mitglieder der Schutzzone Salzgitter waren Mitte August zum ersten Mal an verschiedenen belebten Orten in und um die Stadt unterwegs. Ihr Auftreten ist immer dasselbe: Eine Gruppe Männer inszeniert sich als wachsame Bürger, die ansprechbar sein wollen. Die Einsätze dokumentieren sie auf Facebook, in den Kommentaren werben sie, die Schutzzone sei „ein Projekt zum Mitmachen“. Ihre Gesichter zeigen sie so gut wie nie. In Videos betonen sie, nur „die Augen offen zu halten“. Eine Bürgerwehr seien sie keineswegs und sie würden auch keine Selbstjustiz üben. Den Posts zufolge sind sie bisher mindestens ein halbes Dutzend Mal zu Rundgängen aufgebrochen.

Über den politischen Hintergrund gibt es indes keine Zweifel: Ende August kündigte die Gruppe an, sich an den Protesten in Chemnitz zu beteiligen.

„Nur geringe Aufmerksamkeit“

Schon 850 Nutzer haben der Facebook-Gruppe ein Like gegeben. Viele loben sie in Kommentaren für ihr „Engagement“. Die Schutzzonen-Gänger wiederum prahlen, dass bei einem angekündigten „Stammtisch“ keine Plätze mehr vergeben werden könnten.

Salzgitter – ein voller Erfolg also? Das Innenministerium in Hannover sieht das anders. „Allgemein lässt sich feststellen, dass die NPD mit ihren Aktionen nur geringe Aufmerksamkeit auf sich zieht und nicht in der Lage ist, den Diskurs in der rechtsextremistischen Szene zu bestimmen“, teilt es auf Anfrage mit. Auch das Bündnis gegen Rechts in Braunschweig misst der Schutzzone Salzgitter eher eine „propagandistische“ Funktion für NPD und Junge Nationalisten in Niedersachsen bei. Das Mobilisierungspotenzial der Aktion sei gering.

Die Polizei hat die Aktivitäten trotzdem auf dem Schirm. Dort werden die Organisatoren dem NPD-Unterbezirk Braunschweig und der Nachwuchsorganisation Junge Nationalisten zugeordnet. Einige Mitglieder seien zudem aus dem früheren Kollektiv Nordharz bekannt. In dieser Gruppe hatten sich rund ein Dutzend Neonazis zusammengeschlossen. Anfang Januar löste sie sich auf – vermutlich, um einem Verbot zu entgehen.

Wichtige Wirkung auf die Szene

Um ihr Gewaltmonopol nicht zu gefährden, hat die Polizei unterdessen angekündigt, mehr Streifen in die Stadt zu schicken – schließlich habe niemand das Recht, „willkürlich eine sogenannte Schutzzone einzurichten“, heißt es in einer Pressemitteilung. Ob die militanten Auftritte damit eingedämmt werden, ist fraglich. Kristin Harney von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Niedersachsen meint dazu: „Wenn Personen der rechtsextremen Szene, uniform gekleidet, als Gruppe durch Stadtteile ziehen, um selbsternannt für ‚Sicherheit zu sorgen‘, kann das eine sehr abschreckende Wirkung haben. Insbesondere, wenn dieses Verhalten in der Öffentlichkeit weitestgehend unkommentiert bleibt.“

NPD – Wenn Rechte nach dem Rechten sehen
In einem Facebook-Post berichten die Teilnehmer über ihren Rundgang.
Screenshot: Störungsmelder

Szeneintern habe der Auftritt in Gruppen eine wichtige Funktion. Dadurch werde der Zusammenhalt gestärkt und ein gemeinsames „Aktionsmoment“ geschaffen. Auch in anderen Städten in Niedersachsen scheint die Idee Interesse bei Rechten zu wecken. Sowohl in Oldenburg als auch in Braunschweig sind Sticker mit der Aufschrift „Schafft rechte Schutzzonen“ vor Schulen und auf Autos aufgetaucht.

Und die selbst ernannten Aufpasser in Salzgitter machen weiter. Auf einem Foto von Ende September blicken vier breitschultrige Männer in Rot und Schwarz auf den abendlichen Salzgittersee. Für diesen Abend soll er Schutzzone für „Jogger und Fahrradfahrer“ sein. Deutsche natürlich.