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Pegida zum Jubiläum in der Unterzahl

 

In Dresden protestierten über 10.000 Menschen gegen eine Kundgebung der islamfeindlichen Pegida-Bewegung, die ihr vierjähriges Bestehen mit internationalen Gästen feiern wollte. Zu der ehemals 25.000 Anhänger zählenden Bewegung kamen nur 4000 Teilnehmer.

Von Henrik Merker

In Dresden geschehen manchmal Wunder – die Proteste an diesem Sonntag sind so eins. Jahrelang stritten sich verschiedene Protestgruppen, Parteien und Stadtverwaltung über die richtige Art, gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren. Weil sie sich nicht auf eine gemeinsame Linie einigen konnten, stellten sich beispielsweise am 13. Februar, dem Gedenktag zur Bombardierung Dresdens im Jahr 1945, nur wenige Dresdner den Rechten in den Weg. Einzig eine bundesweite Mobilisierung konnte die Aufmärsche stoppen. Auch die Demonstrationen gegen die islamfeindliche Pegida-Bewegung waren klein. Zwischenzeitlich standen 25.000 fremdenfeindliche Teilnehmer einigen hundert Gegendemonstranten gegenüber. Dresden wurde von den Rechten zur „Hauptstadt der Bewegung“ ausgerufen. Das könnte jetzt ein Ende haben.

Dabei fing es klein an: Am späten Sonntagvormittag warten gerade einmal 300 Anti-Pegida-Demonstranten am Neustädter Bahnhof. Sie scharen sich um zwei Lkw, die den Protestzug begleiten sollen. Auf Transparenten, die die Menschen mitgebracht haben, steht „Herz statt Hetze“. Die Stimmung ist gedrückt. Weil gleichzeitig der „Dresden-Marathon“ stattfindet, ziehen immer wieder Läufer an der Demonstration vorbei. Die Zahl der Sprinter ist deutlich höher als die Zahl der Demonstranten.

Auf dem Dresdner Neumarkt, direkt vor der Frauenkirche, sammeln sich inzwischen viertausend Teilnehmer zu Pegida-Kundgebung. Die islamfeindliche Bewegung will ihren vierten Geburtstag feiern. „Wir sind das Volk“, ruft die Menge. Sie sind lauter, sie sind größer als die Demokratie-Demo. Zumindest noch.

Dresden: Pegida zum Jubiläum in der Unterzahl

2019 stehen in Dresden Stadtratswahlen an – und die AfD liegt in den Prognosen weit vorn. Deshalb riefen Bürger, aber auch Vertreter der Grünen, am Vortag des Pegida-Aufmarsches die Kampagne „Dresden kippt“ ins Leben. Sie wollen verhindern, dass die AfD und CDU in Dresden nach der Wahl die Mehrheit stellen und zusammen regieren.

Mehr Marathonläufer als Demonstranten

Dass aber viele Dresdner die Politik der AfD nicht unterstützten, zeigt sich am Nachmittag. Aus dem Dreihundert-Personen-Haufen am Bahnhof Neustadt ist binnen einer Stunde eine Masse geworden, die zum Mittag an der Teilnehmerzahl von Pegida kratzt: Es steht 4.000 gegen 4.000. Auf dem Weg zum anderen Elbufer verdoppelt sich die Zahl. Am Abend wird die Polizei 10.000 Menschen zählen, die gegen Pegida demonstriert haben.

Weil der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer die fremdenfeindlichen Ausschreitungen Anfang September in Chemnitz zunächst bestritten hatte, wollte man ihn bei der großen Demonstration von „Herz statt Hetze“ nicht als Redner. Der Ministerpräsident ging stattdessen zur Demonstration des Christopher-Street-Day (CSD) am Hauptbahnhof, die parallel stattfand. Dort nannte er die Teilnehmerzahl ein „wichtiges Zeichen“.

Dresden: Pegida zum Jubiläum in der Unterzahl

Viele Jahre fiel es Dresden schwer, einen gemeinsamen Protest zu organisieren. Zum Bombardierungsgedenken am 13. Februar meldeten Regierung, Opposition und linke Gruppierungen regelmäßig mehrere Konkurrenzveranstaltungen an. Die gemeinsamen Veranstaltungen am heutigen Sonntag zeigen, dass es in Dresden auch anders geht.

Ein gemeinsames Zeichen

Bei Pegida hält man sich trotzdem für „das Volk“. Auf dem größten Schild, zwei mal drei Meter, steht der Spruch: „Merkel deine Tage sind gezählt / Bald naht der Tag der Abrechnung / und dann Gnade dir Gott“. In dicken Lettern, alles großgeschrieben, wie ein Aufschrei. Ein Pegida-Künstler hat abstrakte Werke aufgestellt, Leinwände mit wirren Sprüchen, einen Elefanten mit Teufelsfratze und einer obszönen Darstellung, die die Bundeskanzlerin zeigen soll.

Zusammen mit Lutz Bachmann läuft ein internationaler Aktivist der extremen Rechten über den historisch rekonstruierten Neumarkt. Tommy Robinson saß in Großbritannien bereits mehrfach in Haft, englische Medien berichten über eine erneute drohende Inhaftierung in der kommenden Woche. Der Gründer der „English Defense League“ wird bei Pegida mit offenen Armen empfangen, Bachmann und ihn verbindet nicht nur das Vorstrafenregister.

Dresden: Pegida zum Jubiläum in der Unterzahl

Hinter Bachmann stehen AfD-Anhänger mit Fahnen, auch ein Bundestagsabgeordneter ist dabei. Identitäre, Neonazis in Klamotten von Thor Steinar und bekannte Pegida-Aktivisten wie Katja Kaiser laufen durch die Reihen. Kaiser nahm zuletzt an einer Neonazi-Demonstration in Köthen teil, David Köckert vom fremdenfeindlichen Bündnis Thügida sprach dort – und auch Alexander Kurth, der schon lange in der Szene aktiv ist.

Um dem Schulterschluss der deutschen Rechtsextremen etwas entgegenzusetzen, ist die Dresdner Zivilgesellschaft heute über viele Schatten gesprungen, und hat es geschafft, ein gemeinsames Zeichen zu setzen.