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AfD-Jugend wird Verfassungsschutz nicht los

 

Um der Beobachtung durch den Verfassungsschutz zu entgehen, hat die AfD-Jugendorganisation Junge Alternative ihren niedersächsischen Landesverband ausgeschlossen. Doch das halbherzige Manöver funktioniert nicht wie erwartet.

Von Henrik Merker

Junge Alternative: AfD-Jugend wird Verfassungsschutz nicht los
JA-Mitglieder beim Bundeskongress © Henrik Merker

Es sollte ein Befreiungsschlag werden: Die AfD-Jugendorganisation Junge Alternative (JA) hat auf ihrem Bundeskongress am Sonntag ihren niedersächsischen Landesverband ausgegliedert. Rund drei Viertel der Stimmberechtigten stimmten für den Rauswurf, der faktisch die Auflösung bedeutet.

Nötig wurde der Schritt aus Sicht der JA-Mitglieder, weil sie in Niedersachsen vom Verfassungsschutz beobachtet werden – ein Status, der auch der Parteijugend als Ganzes drohte. Tatsächlich aber ist die Überwachung nicht vom Tisch: Der Geheimdienst bescheinigt auch Teilen des verbliebenen Personals der AfD-Jugend eine personelle und inhaltliche Nähe zur rechtsextremen Gruppe der Identitären Bewegung (IB). Damit bleiben sowohl aktive Kader als auch die automatisch ausgeschlossenen niedersächsischen Mitglieder auf dem Radar der Behörde.

Hinzu kommt: Der Bremer Verband, ebenfalls vom Verfassungsschutz überwacht, bleibt vorerst Teil der Jugendorganisation. Über seine Ausgliederung wurde auf dem Kongress im niedersächsischen Barsinghausen nicht abgestimmt.

Beweise gegen Rechts-außen-Mitglieder

Begründet wurde das unter anderem damit, dass die Bremer Gruppe gerade einmal aus 15 Mitgliedern besteht. Dass Bremer Vorstandsmitglieder im vergangenen Jahr an einer Identitären-Demonstration teilgenommen haben, reicht in den Augen einiger Funktionäre nicht für einen Rauswurf. „Das Problem ist, da hat jemand an einer IB-Demo teilgenommen – und das wird dann gleich in die Verfassungsschutzecke gerückt“, sagte Nicolai Boudaghi, stellvertretender Bundesvorsitzender des Jugendverbandes.

Über das weitere Vorgehen gegen die Bremer Kameraden sollen nun die Landesvorstände bei einem Bundeskonvent beraten. Von dort soll dem nächsten Bundeskongress eine Handlungsempfehlung ausgesprochen werden, sagte Torben Braga, Sprecher des Bundesvorsitzenden der Jungen Alternative. Dann werde auch ein Gutachten zum Problemverband vorliegen. Geht es nach dem Bundesvorsitzenden Lohr, habe sein Verband durch den Rauswurf der Niedersachsen zumindest dort „alle Probleme“ gelöst. Die ehemaligen Mitglieder können jedoch sofort neue Aufnahmeanträge beim Bundesverband stellen. Bis Januar soll laut einem NDR-Bericht ein neuer Landesverband gegründet werden – auch deshalb will der Verfassungsschutz nicht lockerlassen.

Um sich vor den extremsten unter den Ex-Mitgliedern zu schützen, sollen Beweise aus internen Unterhaltungen zum Einsatz kommen: In rauen Mengen gebe es belastende Screenshots von Chatverläufen, sagen mehrere der Teilnehmer des Bundeskongresses. Die Moderatoren von Gruppenchats würden alle gemeldeten Beiträge sichern, bevor sie gelöscht werden – vordergründig, um sich gegen interne Zensurvorwürfe zu verteidigen. Einer sagt, er habe bereits über 400 Bilddateien mit kompromittierendem Inhalt gesammelt. Sogar der Parteivorsitzende Alexander Gauland habe sich in seiner Eröffnungsrede in Barsinghausen auf solche Dateien bezogen, sagte ein Teilnehmer.

Junge Alternative: AfD-Jugend wird Verfassungsschutz nicht los
Als Redner geladen: Alexander Gauland © Henrik Merker

Kontakte zu Identitären auch im Bundesvorstand

Doch auch im Bundesvorstand der Jungen Alternative sitzen Kader, die mit Identitären zusammenarbeiten oder häufig an deren Aktionen teilnehmen. Felix Koschkar, stellvertretender Schatzmeister der JA, gilt unter Beobachtern als Schnittstelle zu Leipziger Identitären. Er ist Vorstandsmitglied der Patriotischen Plattform, einer AfD-Gliederung, auf die der Verfassungsschutz ebenfalls aufmerksam wurde. Der Sprecher der Plattform, Hans-Thomas Tillschneider, hatte im September deshalb die Auflösung angekündigt. Geschehen ist seitdem nichts. Beim nächsten Mitgliedertreffen solle ein entsprechender Antrag gestellt werden, sagt Koschkar auf Nachfrage – einen Termin gebe es noch nicht.

Die Präsidentin des niedersächsischen Verfassungsschutzes, Maren Brandenburger, kündigte unterdessen an, die Strukturen der JA weiter zu beobachten. Wohl aus gutem Grund: Dass Distanzierungen und die Auflösung einzelner Gliederungen die große ideologische Wende in der AfD bringen, ist nicht zu erwarten. Hans-Thomas Tillschneider bekannte sich in seiner Ankündigung, die Patriotische Plattform aufzulösen, zu den Inhalten der Identitären. Und auch bei der Jugend lässt sich kein offener Bruch mit der extremistischen Gruppe erkennen. Mitglieder, die sich klar gegen die Verbrüderung mit Rechtsextremisten aussprechen, finden in der Partei keine Mehrheit.