Im nordrhein-westfälischen Kamp-Lintfort betreibt ein Rechtsextremer ein Begegnungszentrum. Die Gemeinschaft soll Gleichgesinnte anziehen und andere Bürger einschüchtern.
Von Dennis Pesch
„Ich freue mich, heute in meinen Geburtstag reinzufeiern“, rief der Neonazi Kevin G. Mitte August seinen Gästen in einer Diskothek im nordrhein-westfälischen Moers zu. Außerdem hatte er noch ein Lob für die Besitzer des Etablissements übrig: Er pries ihre „Standhaftigkeit und Unbeugsamkeit“, weil sie vor der Party kritisiert wurden, dass sie für G. und seine rechtsextremen Kameraden eigens ein Kartenkontingent reserviert hätten. Das Geburtstagskind selbst legte an dem Abend die Musik auf, es liefen die Böhsen Onkelz und Frei.Wild, Bands, die als Einfallstor in extrem rechte Lebenswelten gelten.
Eigentlich sollte an diesem Samstag eine weitere Party stattfinden. Die wurde jedoch abgesagt, weil die Diskothek wegen baulicher Mängel schließen muss. Dennoch soll am Abend ein Protest des Bündnisses Bunter Stammtisch Moers stattfinden. Unter dem Motto „Moers rockt bunt, nicht braun“ wollen Demonstranten gegen den Einfluss von G. und seiner Gefolgschaft in der Ruhrgebietsstadt protestieren.
Kriminelle Vorgeschichte
Den 39-jährigen G. verbindet mit Moers eine Geschichte. Um die Jahrtausendwende herum baute er die rechtsextreme Kameradschaft Moers-Rheinberg auf. Achtmal wurde er wegen Volksverhetzung, Körperverletzung und Hausfriedensbruch zu Bewährungsstrafen verurteilt. Am Silvesterabend 2000 stürmte er mit vierzig Jugendlichen eine Moschee in Moers und zerstörte die Inneneinrichtung. 2003 sei er nach einer Gerichtsverhandlung gegen ihn, so warfen ihm damals Neonazis aus Essen vor, mithilfe des Aussteigerprogramms Exit aus der Szene ausgestiegen. Die ehemaligen Kameraden werfen ihm zudem vor, mit dem Verfassungsschutz zusammengearbeitet zu haben.
Wegen des Ausstiegs und der Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden heute hat er deshalb Probleme mit den Strukturen der Partei Die Rechte in Dortmund, in der zuvor verbotene Neonazikameradschaften aufgegangen sind. Die Partei nennt ihn einen „Verräter“. Zumal er den vormaligen Verbündeten mit einem eigenen Projekt Konkurrenz macht: Vor gut zwei Jahren baute er im nahen Kamp-Lintfort die Volksgemeinschaft Niederrhein auf.
„Klima der Angst“
Dabei handelt es sich um einen Treffpunkt für Neonazis, beheimatet in einem Haus in dem Dorf Hoerstgen. 2016 zogen G. und seine Frau ein – und sorgten bald für massiven Ärger in der Nachbarschaft. Ein Sprecher der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Düsseldorf spricht von einem „Klima der Angst“. Der Pfarrer der evangelischen Gemeinde im Ort, Stefan Maser, und ein pensioniertes Lehrerpaar, die direkte Nachbarn der G.s sind, berichteten dem WDR, dass vom Haus und der Kameradschaft Bedrohungen und Gewalt ausgingen.
Das Paar sei „betroffen von einem Wurf in die Terrassenscheibe“, sagte die Ehefrau. Mehrfach seien sie bedroht worden, „unsere Reifen wurden zerstochen und wir leben unter einer ständigen Einschüchterung“. Regelmäßig sollen sich bis zu 40 Menschen auf dem Grundstück aufhalten. Im Haus finden nach eigenen Angaben der Kameradschaft auch Konzerte von rechten Liedermachern statt. „Da geht es ums Saufen und Partymachen und davon fühlen sich verschiedene Leute angesprochen“, sagt der Sprecher der Mobilen Beratung. Für die setze Betreiber G. auf den „Spaßfaktor“.
Propaganda für den Rechtsextremismus
Ansonsten stellt sich die Volksgemeinschaft eher nach dem Stil eines freundlichen Familienzentrums dar. Mit „Billard, Kickern, Dart, Tischtennis, Spielplatz, Fußballplatz“ wirbt das Projekt auf seiner Facebook-Seite. Wer aber den wahren Charakter erahnen will, muss das Haus nur anschauen: Davor wehte zumindest zeitweise eine Reichskriegsflagge, an Fenstern hängen „Refugees Not Welcome“-Banner. Eine Außenmauer ist in Schwarz-Weiß-Rot gestrichen, einer bei Neonazis beliebten Farbkombination.
Der Sprecher der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus erkennt im Konzept der Volksgemeinschaft Parallelen zum Wesen völkischer Siedler: „Wir sehen, dass die Propaganda nicht zwingend nach außen gerichtet ist, sondern eher nach innen.“ G. gehe es darum, neue Anhänger für seine Ideologie zu mobilisieren und an das rechtsextreme Gedankengut zu binden. Was in dem kleinen Dorf entstanden ist, solle zum „nationalen Hotspot“ werden.