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Feldzug gegen die Presse

 

Mit einer Demonstration gegen Journalisten wollte die NPD in Hannover eine Drohkulisse für kritische Medien aufbauen. Tausende Bürger stellten sich dem Einschüchterungsversuch entgegen.

Von Hardy Krüger

Anhänger der NPD beim Aufmarsch in Hannover © Hardy Krüger

Das Abbild eines Mannes in Schwarz-Weiß, eingerahmt von einem Verbotszeichen, darunter prangt die Parole: „Weg mit Feldmann“. Das Plakat, das Neonazis bei einer Demonstration am Samstag in Hannover gezeigt haben, ist eine unmissverständliche Botschaft der rechtsextremen NPD: Die Presse ist ihr Feind. Der Mann auf dem Foto, Julian Feldmann, ist Journalist des öffentlich-rechtlichen NDR – und die Kundgebung ein Feldzug gegen ihn und andere Medien.

Unter dem Motto „Schluss mit steuerfinanzierter Hetze – Feldmann in die Schranken weisen“ versammelten sich nach einem Aufruf der NPD rund 100 Teilnehmer. Sie demonstrierten gegen Feldmann und zwei weitere Kollegen, darunter auch Störungsmelder-Autor David Janzen. Vermeintlich wollten die Neonazis auf unlautere Berichterstattung aufmerksam machen. Die Wortwahl jedoch hatte mit Medienkritik nicht viel zu tun: Der rechtsextreme Redner Sven Skoda sprach von „staatlich alimentierten Brunnenvergiftern“ und „Schädlingen“. Der Chef der NPD-Jugendorganisation Junge Nationalisten (JN) in Niedersachsen, Sebastian Weigler, erwähnte zehn kritische Journalisten namentlich.

Kampf gegen die Bedeutungslosigkeit

Die drastischen Drohgebärden der NPD sind ein Mittel im Kampf gegen die Bedeutungslosigkeit. Nach dem Verlust all ihrer Landtagsmandate hat die Partei kaum noch politische Schlagkraft, kündigte daher im September dieses Jahres in einem internen Positionspapier an, sich vermehrt im „vorpolitischen Raum“ zurückmelden zu wollen. Nun folgten Taten. Dem Ruf der NPD folgten auch Mitglieder der JN, der Partei Die Rechte, parteilose Neonazis sowie sonstige Szenegänger.

Anlass des Aufmarsches: ein Fernsehbeitrag von Feldmann aus dem vergangenen Jahr. Darin hatte der Reporter den in Frankreich wegen Kriegsverbrechen verurteilten SS-Mann Karl Münter interviewt, der unbehelligt in Deutschland lebte und sich wenig reumütig zeigte. Nach der Ausstrahlung wurde Münter als erkannter Kriegsverbrecher in seinem Wohnort gemieden, aus Vereinen ausgeschlossen und schließlich von Unbekannten überfallen. Im September dieses Jahres starb er.

„Der Revolver ist schon geladen“

Die rechte Szene gibt Feldmann und seinem Bericht die Schuld an der Ächtung und dem Überfall. Der Reporter habe sich „durch sein Verhalten an vielen Stellen und bei vielen Personen unbeliebt gemacht“, hieß es noch relativ neutral in einer Erklärung, die NPD und JN über den Messenger-Dienst Telegram verbreiteten. Deutlicher wurde der stellvertretende Bundesvorsitzende der Partei, Thorsten Heise. „Der Revolver ist schon geladen, Herr Feldmann„, soll Heise im Vorfeld geäußert haben. Des Weiteren hatte die NPD für ihren Aufzug die Parole „alle zusammen gegen Feldmann und seine roten Konsorten“ ausgegeben.

Ein Plakat zeigt den NDR-Journalisten Julian Feldmann. © Hardy Krüger

Der Kampf gegen die Presse hat bei der NPD System: Er erscheint als Teil ihres sogenannten Viersäulenkonzepts. Zu der Strategie gehören laut Partei der „Kampf um die Parlamente“, der „Kampf um die Köpfe“, der „Kampf um den organisierten Willen“ – und der „Kampf um die Straße“. Für die NPD ist dieser Kampf die wirksamste Methode, Einfluss auf den gesellschaftlichen Diskurs zu nehmen. In der Vergangenheit gelang ihr dies beispielsweise durch Demonstrationen gegen die Wehrmachtsausstellung und gegen Flüchtlingsheime oder etwa das „Schutzzonen“-Konzept, bei dem Parteigruppen nach Art einer Bürgerwehr an vermeintlich unsicheren Orten patrouillieren. Nun rücken Journalisten in den Fokus.

Signal gegen Hetze

Der Aufmarsch in Hannover wurde von Protesten des Aktionsbündnisses Bunt statt braun begleitet. An verschiedenen Veranstaltungen nahmen mehrere Tausend Menschen teil. Auch Hannovers neuer Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) war vor Ort und erklärte, dass er an der Seite der Journalistinnen und Journalisten stehe. Zudem hatten zuvor bereits 450 Journalisten sowie 20 Verbände und 17 Redaktionen, darunter auch die ZEIT und ZEIT ONLINE, ihre Solidarität mit Julian Feldmann erklärt. Sie unterzeichneten eine Erklärung mit dem Titel „Schützt die Pressefreiheit“, in der sie ein Verbot des Aufmarsches forderten.

Das Polizeipräsidium Hannover hatte jedoch zunächst keine Einwände gegen die Demonstration, weil der Reporter eine Person des öffentlichen Lebens sei – und somit ein legitimes Ziel von Kritik. Wenig später tauchten im Internet Flyer mit dem Slogan „Rache für Karl“ auf, die ein Bildnis von Karl Münter in SS-Uniform und Werbung für die Demonstration enthielten. Daraufhin attestierte die Polizei der Neonaziversammlung, eine Gefahr für die Pressefreiheit zu sein, und sprach ein Verbot aus. Dagegen wehrte sich die NPD vor Gericht – mit Erfolg. Einschüchtern ließen sich viele Journalisten dennoch nicht. Selbst Reporter, gegen die die Partei am Samstag demonstrierte, berichteten aus Hannover.

Hinweis: Der Autor dieses Artikels hat seinerseits die Solidaritätsbekundung für den Journalisten Julian Feldmann unterzeichnet.