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Terrordrohung im Rap-Lied

 

Neonazirapper Chris Ares bringt ein neues Album heraus. In seinen Liedern schürt er Angst vor Migranten und verherrlicht rechten Terrorismus.

Von Timo Büchner

Eine Demonstration der Identitären Bewegung 2017, der Rapper Ares nahesteht © dpa/Paul Zinken

Im Juli 2019 präsentierte der rechtsextreme Rapper Chris Ares seiner Fangemeinde ein neues Lied per YouTube-Video. Zum Film einer Fahrt auf der Autobahn läuft der Song, an dessen Anfang zu hören ist, wie jemand eine Pistole lädt. Dann beginnt Ares zu rappen: „Du redest davon, dass wir tolerant sein sollen und weltoffen. Die Türen unseres Landes stehen jetzt für die ganze Welt offen.“ In Verbindung mit dem Waffengeräusch ist klar, wie diese Worte gemeint sind.

Aggressivität ist in den Texten von Ares Programm. Der Rapper, bürgerlich Christoph Zloch, ist der wohl erfolgreichste Musiker der rechtsextremen Szene und steht der Identitären Bewegung nahe. Im vergangenen Jahr stand sein Album 2014–2018 zwischenzeitlich auf Platz eins der iTunes-Charts, sein Track Neuer Deutscher Standard auf dem ersten Platz der Amazon-Charts. Im kommenden Monat veröffentlicht er sein neues Album Ares.

Verweis auf Mord an Walter Lübcke

Auf der CD enthalten: das Lied 2060, das Ares im Video vorstellt. In dem Song heißt es weiter: „Sie reden von Schläfern, aber haben keinen Plan. Wie viele unserer Männer darauf warten, endlich loszuschlagen. Keine Lust mehr zu ertragen, wie sie unsere Frauen jagen.“ Das Wort „Schläfer“ macht hellhörig: Es kam auf nach dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU), der im Juni 2019 auf der Terrasse seines Hauses erschossen wurde. Der mutmaßliche Täter Stephan E. ist ein Neonazi.

Einen Tag nach seiner Festnahme erklärte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, E. habe sich über Jahre in der rechtsextremen Szene bewegt, sei in den vergangenen Jahren jedoch unauffällig gewesen. Daher müsse man die Existenz von „Schläfern“ in Betracht ziehen – potenzielle Terroristen, die zu einer Tat bereit sind, aber nicht auf dem Radar der Sicherheitsbehörden auftauchen.

Die „Schläfer“-Zeilen von Chris Ares sind indes weit mehr als eine nüchterne Bestandsaufnahme, nach der sich Neonazis auf den Tag X vorbereiteten. In den Zeilen positioniert sich der Rapper: Während „sie“ – Politiker, Medien, Antifaschistinnen – über Rechtsterror debattierten, planten „unsere Männer“ nun, „endlich loszuschlagen“. Rechtsextremismus-Experte Miro Dittrich von der Amadeu Antonio Stiftung bemerkt, wie Ares solche Akte zur „legitimen Selbstverteidigung“ stilisiert – etwa, wenn der Rapper behauptet, Einwanderer würden „unsere Frauen jagen“. „Derartige Zeilen sind brandgefährlich, denn sie schüren Ängste, erzeugen Handlungsdruck und legitimieren Gewalt und rechten Terror.“

Köder für Jugendliche

Ares hat rund 10.000 Abonnenten im Messenger-Dienst Telegram und über 75.000 auf YouTube. Das seien „vergleichsweise hohe Zahlen“, erklärt Dittrich, der die Aktivitäten rechter Influencer beobachtet. „Die Daten veranschaulichen, welches Potenzial die Neue und extreme Rechte im digitalen Raum entfalten kann.“

Seit Jahren instrumentalisiert die Szene den Rap, um Jugendliche anzusprechen. Der Anführer der Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, der mit Ares gut bekannt ist, sagte einmal, mit der Musik könne man „hervorragend junge Leute und die Jugend erreichen“. Niemandem gelingt das so gut wie Ares, der ein klares Weltbild präsentiert: In eine Ecke stellt er Gangsta-Rapper wie Capital Bra, die mit ihren Liedern über Drogen oder Gewalt die Jugend „vergiften“ würden. In der anderen steht seine eigene Person, die Drogen und Gewalt ablehne und angeblich deutsche Werte vermitteln möchte.

Anleitung zum Terror?

Die Ideologie dahinter: Die deutsche Heimat werde durch das vermeintlich Fremde in ihrer Existenz bedroht. In den Liedern auf seinem neuen Album benutzt Ares Begriffe wie den vom „großen Austausch“ und „Islamisierung“. Im Track BRDigung behauptet er, „Heuschrecken“ überfielen den europäischen Kontinent und erzeugten eine „neue Mischrasse“. Er deutet an, US-amerikanische Juden wie George Soros planten die Vernichtung ganzer Völker.

Das schließe auch Deutschland ein: „Schau gut hin, denn sie wollen uns jetzt vernichten“, rappt er in seinem Lied Genozid am Volk. Der Mythos vom Mord an den Deutschen, der durch Einwanderung forciert werde, ist der Treibstoff rechten Denkens – und Handelns. Menschen, die sich in ihrer Existenz bedroht fühlen, sind zu vielem fähig. Stephan E., der mutmaßliche Lübcke-Mörder, bekam den Impuls zum Angriff offenbar aus der rechten Onlinefilterblase. Denn in der Szene liefern einige die Worte – und die anderen die Taten.

Der Autor dieses Textes hat auch das Buch „Der Begriff ‚Heimat‘ in rechter Musik. Analysen – Hintergründe – Zusammenhänge“ (Wochenschau Verlag, 2019) verfasst.