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Gericht entlastet einzelne Mitglieder von Terrorgruppe

 

Die rechte Gruppe S soll Anschläge auf Moscheen geplant haben. Für einige ihrer mutmaßlichen Mitglieder entspannt sich die Lage nun: Ein Gericht stuft sie lediglich als Helfer ein.

Von Sophie Schädel

Die Angeklagten beim Prozessbeginn im April © dpa

Schon 20 Prozesstage dauert der Prozess gegen die rechtsterroristische Gruppe S seit dem Beginn im April dieses Jahres. Obwohl damit erst ein Bruchteil des Verfahrens vor dem Oberlandesgericht Stuttgart absolviert ist, haben sich die Richter mittlerweile eine recht deutliche Meinung über die zwölf Angeklagten bilden können – und die widerspricht der Anklage der Bundesanwaltschaft.

Darin wurden elf der Beschuldigten als Mitglieder der terroristischen Vereinigung gewertet, der zwölfte als ihr Unterstützer. Am Dienstag verkündete der Strafsenat in einer Art Zwischenbilanz, dass er einige der Angeklagten für weniger schuldig hält. Anlass sind neue Haftbefehle, die nach mittlerweile 17 Monaten Untersuchungshaft ausgestellt wurden.

Die Gruppe um den Namensgeber und mutmaßlichen Rädelsführer Werner S. hatte der Anklage zufolge geplant, Anschläge auf Moscheen zu begehen und so einen Gegenschlag der Muslime und Türken in Deutschland zu provozieren. Auf den sollten dann in ganz Deutschland Rechte mit Waffengewalt reagieren. Diese Eskalation sollte in einen Bürgerkrieg münden, an dessen Ende eine nationalsozialistische Gesellschaftsordnung etabliert würde.

Vier Angeklagte sollen die Gruppe S lediglich unterstützt haben

Bislang hat der Stuttgarter Prozess dazu nichts wesentlich Neues zutage gefördert. Einige Angeklagte bestätigten die zentralen Punkte der Anklage, der Rest schweigt beharrlich. Recht eindeutig ist, dass sich in der Gruppe Reichsbürger, Mitglieder von Bruderschaften und Bürgerwehren, Rassisten und Verschwörungstheoretiker sowie sogenannte Prepper zusammentaten. Sie sammelten Geld für Waffen, besorgten Schusswaffen für Anschläge und wollten Menschen in Moscheen ermorden.

Doch wer nahm dabei welche Rolle ein? Die Richter beschreiben Werner S. und seine rechte Hand Tony E. in den Haftbefehlen genau wie die Anklage als Rädelsführer der Gruppe S.

Doch vier ihrer Kameraden, die die Anklage als Mitglieder der Gruppierung wertete, bezeichnet der Senat nun lediglich als Unterstützer. „Wenngleich sie nicht aktiv an den Anschlägen teilnehmen wollten, billigten sie die Ziele und Pläne“, argumentierte der Vorsitzende Richter Herbert Anderer. Außerdem hätten sie die Gruppe mit ihrer Zusage, sie finanziell zu unterstützen, in ihrer Planung bestärkt.

Wurde die Terrorvereinigung erst später gegründet?

Der Unterschied zwischen Mitgliedschaft und bloßer Unterstützung einer terroristischen Vereinigung hat einen Einfluss auf das Strafmaß: Mitglieder erwartet entsprechend Paragraf 129a des Strafgesetzbuchs eine Haftstrafe zwischen einem und zehn Jahren. Unterstützer könnten schon mit einem halben Jahr davonkommen.

Neben dieser Abweichung von der Anklageschrift widersprach der Senat in den Haftbefehlen noch einem weiteren Punkt: Die Einschätzung der Anklage besagt, die Gruppe S habe sich im September 2019 bei einem Treffen am Grillplatz Hummelgautsche im baden-württembergischen Alfdorf gegründet. Dort trafen sich die Mitglieder nachweislich und sprachen über politische Themen – als Gründung sehen die Richter die Zusammenkunft aber nicht. Stattdessen betrachten sie erst ein Treffen im ostwestfälischen Minden im Februar 2020 – also fünf Monate später – als Gründungsakt. Dort sprachen die Teilnehmer konkreter über die Anschlagspläne.

Das Urteil dürfte von der Anklage abweichen

Diese zeitliche Verschiebung macht besonders für einen der Beschuldigten einen großen Unterschied: Michael B. aus dem schwäbischen Kirchheim unter Teck ist der Einzige unter ihnen, der zwar am Treffen an der Hummelgautsche teilnahm, nicht aber bei dem in Minden. Folglich sieht der Senat in ihm kein Mitglied der Gruppe, sondern einen Unterstützer.

Um diesen neuen Vorwurf zu begründen, stützen sich die Richter auf abgehörte Telefonate zwischen Michael B. und dem als Rädelsführer angeklagten Werner S. Handwerker B. bestärkt darin S. in dessen Plänen. Außerdem bietet er an, die Schusswaffen, die S. bereits für die Gruppe besorgt hatte, zu modifizieren. Der Strafsenat schließt aus den Telefonaten, dass B. von den Anschlagsplänen wusste und seine, wie der Angeklagte es selbst nennt, „Brüder im Geiste“ darin unterstützte.

Welcher der Angeklagten nun was genau tat, werden die anstehenden rund 70 Verhandlungstage noch zeigen müssen. Die jüngste Einschätzung des Gerichts lässt jedoch vermuten, dass nicht alle Beschuldigten in vollem Umfang für das verurteilt werden, was ihnen die Anklage vorwirft.