Zwei Parteibüros, ein bekannter Jugendklub und ein Flüchtlingsheim sind in nur einer Nacht attackiert worden. Der Treffpunkt der Falken wird nun nachts durchgehend bewacht – Senator spricht von „feigen Taten“.
Von Tagesspiegel-Autor Hannes Heine
Wieder haben sie nachts zugeschlagen, wieder traf es einen Jugendklub und Parteibüros, und diesmal auch Bewohner eines Flüchtlingsheimes. In der Nacht zu Dienstag beschmierten Rechtsextreme in Britz das Anton-Schmaus-Haus mit Hakenkreuzen und unverhohlenen Morddrohungen. In Tegel wurden die Scheiben eines Büro der Linken zerstört und rechtsradikale Parolen hinterlassen. Die mutmaßlich selben Täter griffen auch ein SPD-Büro in Spandau an. Außerdem wurde ein Briefkasten einer Nachbarschaftshilfe in Treptow aufgebrochen, wobei die Polizei in diesem Fall an einem rechtsextremen Hintergrund zweifelt.
Ebenfalls in der Nacht zu Dienstag wurde das Flüchtlingsheim in Waßmannsdorf bei Schönefeld angegriffen, ein Steinwurf zerstörte ein Fenster. Der Stein landete ersten Angaben zufolge im Zimmer einer schlafenden Bewohnerin. Die Täter sprühten ein Hakenkreuz und den Spruch „Rostock ist überall“ an die Wand, womit die weltweit bekannt gewordenen Pogrome in Rostock-Lichtenhagen aus dem Jahr 1992 gemeint sein dürften.
Innensenator Frank Henkel (CDU) hat noch am Dienstag Reaktionen angekündigt. „Die jüngste Häufung solcher feigen Taten erfüllt mich mit großer Sorge“, sagte Henkel dem Tagesspiegel. „Es liegt nahe, dass es sich hier um Einschüchterungsversuche aus dem rechtsextremen Spektrum handelt. Das dürfen wir uns als Demokraten nicht bieten lassen.“
Immer wieder hatten Neonazis junge Besucher das Anton-Schmaus-Haus angegriffen und Wände in Britz mit rechtsextremen Parolen überzogen. Das Haus ist als Zentrum der Falken, eines SPD-nahen Jugendverbandes, im Visier rechtsradikaler Cliquen. Vergangenes Jahr wurde dort innerhalb von fünf Monaten zwei Mal Feuer gelegt – der am Dienstagmorgen an eine Wand gesprühte Spruch, „Ihr interessiert uns brennend“, kann deshalb nicht als leere Drohung verstanden werden. Nach den zwei Brandstiftungen hatte die Versicherung den Falken gekündigt. „Die Nazis wissen das, wir stehen unter enormem Druck“, sagt Mirjam Blumenthal, Leiterin des Anton-Schmaus-Hauses. Sie lässt derzeit einen Zaun um das Haus errichten – der allerdings noch nicht steht. Alle zwei Stunden kommt eine Polizeistreife vorbei. Hat die Patrouille ihren Besuch abgestattet, haben Angreifer allerdings mehr als 90 Minuten Zeit, weitgehend unbeobachtet loszulegen: Am Dienstag sind auch auf dem Weg zu dem Jugendtreff großflächig Nazi-Symbole angebracht worden. Die Falken befürchten, dass Rechtsextreme versuchen könnten, die Zeit bis zum Fertigstellen des Zaunes für einen Anschlag zu nutzen. Die Falken hatten Henkel gefragt, ob eine Streife nachts ständig da sein könne. Dem Tagesspiegel sagte der Senator jetzt: „Ich habe nun angeordnet, dass es während der gesamten Nachtstunden einen Objektschutz vor Ort gibt, bis ein neuer Sicherheitszaun fertiggestellt ist.“ Das soll ab diesem Mittwoch gelten.
Auffällig ist, dass an den Tatorten am Dienstag die Adresse der bekannten Neonazi-Seite „NW-Berlin.net“ hinterlassen wurde. Das nährt den Verdacht, dass die Täter zum Netzwerk um die Homepage des „Nationalen Widerstand Berlins“ gehören. Auf der Seite ist eine „Feindesliste“ mit Namen von Politikern, Antifa-Aktivisten und Journalisten veröffentlicht. Der Verweis auf die Seite taucht vor allem in Neukölln, Treptow und dem angrenzenden Umland auf. Wie berichtet, hatten Neonazis in Schöneweide mehrfach Büros und Privatwohnungen von Mitgliedern der SPD und der Linken angegriffen. Auch in Jugendklubs in Beeskow und Fürstenwalde waren Scheiben eingeschlagen und der Name der Internetseite an Wände gesprüht worden. Erst am Sonntag hatte es einen Anschlag auf das Haus des Sprechers der Initiative „Zossen zeigt Gesicht“ gegeben.