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Anti-Antifa Nürnberg: Bedrohungen, Angriffe, Anschläge

 

Schriftzug der "Anti- Antifa Nürnberg" (AAN) © Screenshot /TM
Schriftzug der „Anti- Antifa Nürnberg“ (AAN) © Screenshot

Seit dem 26. November 2011 setzen mittelfränkische Neonazis ihre Serie von Anschlägen auf das Eigentum von Nazigegner in Mittelfranken fort. Betroffen sind vornehmlich Autos, Wohnhäuser und Infoläden. Anschläge und körperliche Übergriffe seitens der Neonazis sind in Nordbayern keine Seltenheit. Hinter der „Feindaufklärung“ steckt eine konspirativ arbeitende Gruppe: Die Anti-Antifa Nürnberg

Der Störungsmelder dokumentiert die Anschläge in einer Chronologie von 2011/2012:

In Fürth wird am 26. November 2011 ein Brandanschlag auf das Auto einer antifaschistischen Familie verübt. Der Sachschaden beträgt weit über 10.000€.

Am 28. November greifen Neonazis in Weißenburg das Jugendzentrum (JUZ) und einzelne Nazigegner an und versuchen ein Transparent mit der Aufschrift »Nie wieder Faschismus« in Brand zu stecken.

Am 10. Dezember greifen Rechte erneut das JUZ Weißenburg an und brechen die Jalousien auf.

Am 14. Dezember 2011 schmeißen Unbekannte die Scheiben des linken Stadtteilladen Komm e.V. in Nürnberg ein. Es entsteht ein Sachschaden von rund 5000€.

30. Dezember 2011: Unbekannte zerstechen die Autoreifen des ehemaligen Sprechers des Bürgerforum Gräfenberg und zerschlagen die Fensterscheiben und schütten Buttersäure in den Briefkasten des Geschädigten.

In der Silvesternacht greifen 20 Neonazis das linksalternative Lokal „Störtebecker“ in Ansbach an. Anschließend attackieren sie Kneipenbesucher mit CS-Gas.

Am 9. Januar 2012 zerstechen Unbekannte die Reifen am Auto einer antifaschistischen Familie. Die Besitzerin des Wagens ist die Sprecherin des Fürther Bündnis gegen Rechts.

In der Nacht vom 18. Auf den 19.02.2012 greifen Unbekannte in Fürth den Infoladen Benario an, indem sie den Rollo aufbrechen und einen Stein durch die Fensterscheibe werfen. Der Angriff findet nur wenige Stunden nach  einem neonazistischen Aufmarsch in Fürth statt.

Alleine in Fürth entstand seit 2007 ein Sachschaden von über 45.000 Euro durch rechte Gewalt. Viele Betroffene wurden auf der mittlerweile abgeschalteten Internetseite der „Anti-Antifa Nürnberg“ (AAN) mit Name, Bild und Adresse veröffentlicht.

Die Geschichte der Anti-Antifa

1972 wurde der Begriff „Anti-Antifaschismus“ das erste Mal in der rechtsextremen Zeitung „Nation Europa“ verwendet. Ziel war es, die bürgerliche Rechte und die extreme Rechte dazu zu bewegen, sich von der moralischen Tabuisierung des Faschismus zu lösen, da der Begriff „Faschismus“ immer mehr zum Synonym für Terror wurde. Wenige Jahre zuvor hatte vor allem die 68er-Bewegung die Verbrechen ihrer Vorfahren offensiv thematisiert und forderte öffentlichkeitswirksam deren Aufarbeitung. Das Jahr 1969 bedeutete für die bürgerliche und extreme deutsche Rechte zudem eine enorme politische Niederlage. Die NPD verpasste den Einzug in den Bundestag, rechte Parteien waren nicht an der Regierung beteiligt und der von der Rechten als „Vaterlandsverräter“ diffamierte Sozialdemokrat Willy Brandt wurde Bundeskanzler.

In dieser Zeit des Linksrucks radikalisierten sich die neonazistische Rechte und gründete eine „Illegale NSDAP“. Ihr Hauptschwerpunkt lag im Aktionismus gegen den politischen Gegner und Wehrsportübungen. Die anschließenden Aktionen richteten sich gegen Migranten, Juden, Linke und Gewerkschafter. Es kam zu Übergriffen auf Infostände, Schmieraktionen und Störungen von Veranstaltungen. Die militant agierenden Neonazis der „Illegalen NSDAP“ legten sehr viel Wert auf eine militärische Ausbildung und Bewaffnung, die ihnen die mittelfränkische „Wehrsportgruppe Hoffmann“ (Benannt nach ihrem Gründer Karl- Heinz Hoffmann, 1973) bot. Bis 1975, als im September in Wiesbaden die „NSDAP/Auslands- und Aufbauorganisation“ (NSDAP/AO) gegründet wurde, hatten sich die Gruppen vernetzt und strukturiert. Ziel der NSDAP/AO war und ist es, weltweit (illegales) neonazistisches Propagandamaterial zu verbreiten.

Angegriffenes Auto 2009 © Indymedia
Angegriffenes Auto 2009

In der konspirativen Gruppe waren etliche Neonazikader aus Deutschland und Österreich wie Christian Worch, Michael Kühnen Berthold Dinter und Gottfried Küssel organisiert. Ein weiteres Ziel der NSDAP/AO war es, eine gesellschaftliche Tabuisierung des Nationalsozialismus zu überwinden und rechtsextreme Positionen in die Mitte der Gesellschaft zu tragen. Um dieses Bestreben zu erlangen, wurde in der Tradition der „Schutzstaffel“ (SS) und der „Sturmabteilung“ (SA) der „Anti- Antifaschismus“ praktiziert.

Verfassungsschutz-Agent als rechter Observierer

Als Vorläufer der heutigen „Anti-Antifa“ Strukturen kann aber das 1985 von Christian Malcoci gegründete „Referat für Sicherheit“ (RfS) gesehen werden, dem etliche führende Nazikader angehörten. Das RfS war wiederum eine der zahlreichen Unterorganisationen des „Komitees zur Vorbereitung der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag Adolf Hitlers“ (KAH) welches von Michael Kühnen ins Leben gerufen und dazu genutzt wurde, Jugendliche anzuwerben und zu indoktrinieren. Ziel des RfS war es, eine aktive, bundesweit strukturierte, sog. „Feindaufklärung“ zu betreiben. Ebenfalls als Vorläufer für die „Anti-Antifa“ kann die 1988 gegründete „Antikommunistische Aktion“ (Antikom) gesehen werden. Der Kronacher Kai Dalek übernahm ab 1991 die Leitung der Antikom. Kai Dalek profilierte sich im Nürnberger Raum als „Anti- Antifa“-Aktivist, der Veranstaltungen von politischen Gegnern beobachtete und fotografierte.

Mittlerweile ist bekannt, dass Dalek jahrelang für etliche Landesämter des Inlandsgeheimdienstes „Verfassungsschutz“ (VS) in der linken und rechten Szene als V-Mann eingesetzt wurde. Für bundesweite Schlagzeilen sorgte 1993 die Veröffentlichung der Anti-Antifa Zeitschrift „Der Einblick – Die nationalistische Widerstandszeitschrift gegen zunehmenden Rotfront- und Anarchoterror“. In dieser wurden über 250 Antifaschisten, Gewerkschafter, Journalisten sowie linke- und alternative Treffpunkte mit Namen und Adressen genannt. Im Vorwort sprachen die Macher von einer „Ausschaltung des politischen Gegners“, denen sie „unruhige Nächte bescheren“ wollten. Die Bundesanwaltschaft nahm die Ermittlungen auf und lies im Rahmen des Verfahrens Michael Petri und Sascha Chaves-Ramos verhaften. Diese waren die Betreiber des „Nationalen Infotelefons“(NIT) und riefen vor der Veröffentlichung des „Einblicks“ dazu auf, Informationen über Nazigegner zu sammeln.

Brandanschlag auf das Auto einer linken Familie 2011 © Indymedia
Brandanschlag auf das Auto einer Familie 2011

Als die beiden nach einem Tag entlassen wurden, intervenierten linke Aktivisten und veröffentlichten Stefane Cumic, einen führenden Aktivisten der „Gesinnungsgemeinschaft der neuen Front“ (GdNF) und Anti-Antifa-Akteur, der daraufhin festgenommen wurde. Er sagte gegenüber den Ermittlungsbehörden umfangreich aus und gab an, dass Norman Kempken (damals Rüsselsheim, heute Nürnberg) einen Großteil der Adressen sammelte. Kempken war auch presserechtlich Verantwortlich für den „Einblick“. Im Nahhinein wurde trotz umfangreicher Aussagen der Tatvorwurf der „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ fallen gelassen, Fragen zum Organisierungsgrad wurden während des Prozesses nicht gestellt und selbst der Richter stellte versäumte Ermittlungen im Bezug auf die Hintermänner fest. Somit blieb damals „Anti-Antifa“ als Struktur oder als Strategie der faschistischen Bewegung unangetastet.

Die Anti- Antifa Arbeit in Franken

1993 wurde auf einem Treffen des rechtsextremen „Frankenrats“ die Gründung einer „Anti-Antifa“-Gruppe beschlossen, an der Rechte jeder Couleur beteiligt sein sollten. Der Frankenrat galt als Führungsgruppe des „Deutschen Freundeskreises Franken“ (DFF). In diesem waren führende Mitglieder verschiedener Naziorganisationen organisiert, u.a. Jürgen Schwab (Nürnberg, Ex-NPD, Ex-REP, Sache des Volkes, Freies Netz Süd, Bund Frankenland), Kai Dalek, Uwe Meenen (Berlin, NPD, Bund Frankenland) und Falco Schüssler. Ebenfalls wurde die Zeitung „Junges Franken“ ins Leben gerufen, in der etliche Kommunalpolitiker, Antifaschisten und Rechtsanwälte unter der Rubrik „Ausländerfreundlichster Mitbürger Frankens“ mit detaillierten Angaben über politisches und privates Umfeld, veröffentlicht wurden. Zu dieser Zeit versuchte sich auch die Aktivistin des „Nationalen Blocks“ (NB), Silke W., in das „Antifaschistische Bildungs-, Informations- und Dokumentationszentrum“ (Abidoz) in Nürnberg einzuschleichen. Interessiert hat sie sich fast ausschließlich für die Herkunft des Archivmaterials. Als ihr erfundener Lebenslauf und ihr rechter Hintergrund aufflogen, verschwand sie.

Anti-Antifa Transparent (2. v. r. Martin Wiese) © Timo Mueller
Anti-Antifa Transparent (2. v. r. Martin Wiese) © Jonas Miller

1996 versuchten regionale Aktivisten des „Freiheitlichen Volksblocks“ (FVB) einen Kirchweihburschenverein in Ziegelstein zu unterwandern. Der Unterwanderungsversuch endete mit einem Ausschluss von elf Kirchweihburschen. Der FVB war zu dieser Zeit die aktivste Neonazikameradschaft in Nürnberg.
Nachdem der FVB nicht mehr existent war, setzte sich die Anti-Antifa Arbeit vor allem aus Aktivisten der freien Kameradschaftsszene zusammen. Die „Skinheads Nürnberg“ (später „Nationalisten Nürnberg“) veröffentlichten eine Publikation mit dem Namen „Landser“ (angelehnt an die Bezeichnung eines Wehrmachtssoldaten) die insgesamt acht Mal erschien. Presserechtlich verantwortlich für die Zeitschrift war zuerst Andreas K. (Nürnberg), später dann Matthias Fischer (Fürth). In der dritten Ausgabe des „Landser“ wurde dann zum ersten Mal ein Anti-Antifa Bericht unter der Überschrift „Rote Zonen in Nürnberg“ veröffentlicht. In diesem werteten die Verfasser öffentlich zugängliche Informationen über linke Nürnberger Infoläden und Parteibüros aus. Als Autorengruppe trat damals die „Anti-Antifa Franken“ auf. In dieser Ausgabe wurde auch „der freie Mitarbeiter Norman K.“ gegrüßt.

In den weiteren Ausgaben veröffentlichten sie einen Bericht über die Auseinandersetzungen zwischen linken und rechten Jugendlichen an einem Nürnberger Gymnasium. Im Zuge dessen auch eine eine engagierte Lehrerin mit Name und Bild im Landser veröffentlicht wurde. Im Vorfeld zu diesem Bericht tauchte ein jugendlicher Neonazi in einem Jugencafé der Antifa auf, der sich als Mitarbeiter einer Schülerzeitung ausgab und Infos sammelte. Später wurde er enttarnt und gab an, nicht auf eigene Faust gehandelt zu haben, sondern von der Anti-Antifa geschickt worden zu sein.

Kontakte nach Oberbayern

Ein typischer AAN Artikel (verpixel) © Screenshot TM
Ein typischer AAN Artikel (verpixel) © Screenshot JM

Ebenfalls versuchten sich die Aktivisten der „Anti-Antifa“ als Prozessbeobachter und berichteten in einem Artikel über einen Prozess gegen Nürnberger Linksuatonome. Im Jahr 2001 erschien die vorerst letzte Ausgabe des „Landser“ und Andreas K. trat eine mehrjährige Haftstrafe an. Die Anti-Antifa Aktivitäten fielen damit aber nicht ab, sondern wurden im Rahmen der „Fränkischen Aktionsfront“ (FAF) fortgeführt.
Die FAF war bis zu ihrem Verbot im Januar 2004 (Verbotsgrund: „Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus“) die aktivste Neonazigruppe in Mittelfranken. Vertreten wurde die FAF vor Gericht von dem rechten Anwalt Frank Miksch (Fürth). Als führende Aktivisten galten Matthias Fischer, Christian Wilke (Nürnberg, Ex-NPD) und Norbert K. (Nürnberg). Das Ziel der FAF war es „Widerstand gegen die herrschenden antinationalen Zustände innerhalb des BRD Regimes zu leisten“. Welche Aggressivität und Entschlossenheit die FAF verkörperte wurde im Abschlusssatz ihres Konzeptes deutlich. „Wer leben will, der kämpfe also, und wer nicht streiten will in dieser Welt des ewigen Ringens, verdient das Leben nicht“. Das Zitat stammt von Adolf Hitler. In einigen Ausgaben sind Aktivisten auch vermummt und teilweise bewaffnet abgebildet.
Über gute Kontakte verfügte die FAF auch zur „Kameradschaft Süd – Aktionsbüro Süddeutschland“. In dieser gehörte der Rechtsterrorist Martin Wiese (Reichersdorf) zu den führenden Aktivisten, der mit seinen Mittätern Karl-Heinz Statzberger (Markt Schwaben) und Thomas Schatt (München) einen Bombenanschlag auf die Grundsteinlegung des jüdischen Gemeindezentrums plante. Alle drei sind mittlerweile im „Freien Netz Süd“ (FNS) aktiv und übernehmen auch darin führende Rollen.
Auf der Internetseite „die Kommenden“, auf der die FAF eine Unterseite hatte, wurden sämtliche Anti-Antifa Artikel aus dem „Landser“ veröffentlicht. Zudem kann man die damalige Internetpräsenz als Vorläufer der späteren Internetseite der „Anti-Antifa Nürnberg“ (AAN) bezeichnen. Einige der Artikel und das Grundsatzpapier der AAN wurden schon auf der FAF Seite publiziert. In den Artikeln wurde sich damit gerühmt, dass ein „Entglasungskommando“, benannt nach einem verstorbenen NPD- Mitarbeiter aus Nürnberg, die Scheiben eines Nürnberger Infoladens einschmiss, oder die „Anti-Antifa“ in Erlangen einen „Linksextremisten geoutet“ hat. Ebenso wurden Artikel von bundesweiten „Anti-Antifa“- Aktionen, wie dem Brandanschlag auf einen linken Infoladen in Trier, hochgeladen. In der Rubrik „Antifa-Infos“ wurde dazu aufgefordert „linke/antifaschistische Internetseiten“ und andere Informationen weiter zu geben.

Nachdem Gewerkschafter auf der Seite der „die Kommenden“ veröffentlicht und diffamiert wurden, wehrten sich die Betroffenen juristisch dagegen und die Seite wurde durch die Jugendschutzeinrichtung der Bundesländer „jugendschutz.net“ und die Initiative „Internationales Netzwerk gegen Rassismus im Internet“ (INACH) vom Netz genommen. Doch auch das formelle Verbot der FAF und die Abschaltung von „die Kommenden“ ließen die Strukturen in Franken, aus denen sich Anti-Antifa als eine rechtsextreme Strategie und Struktur speiste, unangetastet.

Die Anti-Antifa Nürnberg und das Freie Netz Süd (FNS)

FNS-Führungsaktivist Matthias Fischer (rechts) neben Thomas Wulff © TM
FNS-Führungsaktivist Matthias Fischer (rechts) neben Thomas Wulff © Miller

Kurz darauf ging die Homepage der „Anti-Antifa – Infos zu linksextremistischen Bestrebungen und antifaschistischer Gewalt“ online, welche als bundesweite Internetplattform gedacht war. Die Anti-Antifa Nürnberg (AAN) war in den ganzen Jahren des Bestehens der Seite allerdings die einzige Gruppe, die eigene Rechercheberichte veröffentlichte. Verwaltet wurde die Seite vom amerikanischen Neonazi und führenden Kopf der NSDAP/AO, Gary Lauck, der den deutschen Anti-Antifa-Aktivisten den Kontakt zur „Dänischen Nationalsozialistischen Bewegung“ (DNSB) herstellte. Die Postfachadresse des DNSB diente schon dem „Einblick“ als Kontaktadresse.
In den Jahren 2006 bis 2008 wurden über vierzig Rechercheberichte auf der Seite der „Anti-Antifa Nürnberg“ (AAN) hochgeladen. Der AAN werden heute sämtliche führende Personen der mittelfränkischen Neonaziszene zugerechnet, die nach dem Austritt führender JN- und NPD Funktionäre aus der NPD, nun im bayernweit agierenden Neonazidachverband „Freies Netz Süd“ (FNS) aktiv sind. In der Neonaziszene kursiert auch Merchandise der Anti-Antifa Nürnberg wie „AAN Schlüsselbänder“ und „AAN T-Shirts“, die an den Infoständen auf Demonstrationen, Konzerten und Kundgebungen verkauft werden. experten vermuten dahinter die Strategie, Jugendliche für die konspirative Anti-Antifa-Arbeit zu begesitern und an sich zu binden. Zusätzlich soll durch den Vertrieb des Merchandise auch der Bekanntheitsgrad der AAN gesteigert werden. Führende Aktivisten wie Sascha Rudisch (Fürth), Lutz Passon (Niedermirsberg) und Matthias Fischer (Fürth) tragen ebenfalls den Merchandise und treten so als Vorbilder auf.

In den Jahren 2004-2009 verübten die Neonazis etliche Anschläge auf Wohnungen, Häuser und Autos von Nazigegnern in Fürth, Nürnberg und Gräfenberg. Die betroffenen Nazigegner wurden allesamt vorher im Internet auf der Seite mit Name, Bild und Adresse veröffentlicht. In einem Fall bespritzen Rechtsextreme auf einer Fläche von 14 Quadratmetern das Wohnhaus einer antifaschistischen Familie aus Fürth mit schwarzem Lack. In einem anderen Fall drangen tagsüber mehrere Neonazis in das Wohnhaus einer anderen antifaschistischen Familie aus Fürth ein und besprühten deren Eingangstüren mit neonazistischen Parolen. Zusätzlich wurden mehrere Autos zerstört (Scheiben eingeschmissen, Reifen zerstochen und mit Farbe besprüht) und Gewerkschaftbüros des DGB und der GEW angegriffen. Die Veröffentlichungen auf der Seite der AAN hatten vor allem das Ziel, die Betroffenen einzuschüchtern.

Anhand der Veröffentlichungen ist festzustellen, dass ein großer qualitativer Unterschied zwischen den einzelnen Berichten besteht, bei denen ein teilweise relativ hohes sprachliches Niveau auffiel. Die AAN professionalisierte sich also mit zunehmender Zeit. In den Jahren 2007-2009 häuften sich die Anschläge massiv, was von einer steigenden Gewaltbereitschaft der Neonazis zeugt. Auffallend ist, dass einige Anschläge nach bestimmten Aktionen begangen wurden. Nachdem beispielsweise im Nürnberger Stadtrat über den Antrag der Linken Liste diskutiert wurde,  dem FNS-Aktivisten Sebastian Schmaus und BIA-Stadtrat das Misstrauen auszusprechen, wird das Haus einer antifaschistischen Familie aus Nürnberg mit braunen Farbbeuteln beschmissen. Teile der Familie waren vorher auf der Internetplattform der AAN veröffentlicht worden.

Bei den Stadtratswahlen 2008 in Fürth versucht die NPD mit ihrem Spitzenkandidaten Matthias Fischer ins Rathaus einzuziehen. Nachdem sie es nicht schafften, die 385 benötigten Unterschriften zu sammeln, die sie dazu berechtigt hätte, an den Wahlen teilzunehmen, griffen Neonazis das Haus einer antifaschistisch aktiven Familie in Fürth an.
Zwischenzeitlich veröffentlichten Nazigegner einen „Skandal, der auf die zusammenarbeit zwischen der Polizei und Nazis hinweist„: Polizeibeamte griffen bei Ermittlungen gegen Linke Globalisierungsgegner auf Material der Anti-Antifa zurück. In diesem Zusammenhang wurde auch bekannt, dass die Polizei bereits 2003 intern wegen dem Verdacht ermittelte, dass Inhalte von Polizeidatenbanken an Rechte weitergegeben wurden. Es stand der Verdacht einer wechselseitigen Zusammenarbeit von Polizisten und der Anti-Antifa im Raum. In einem Strategiepapier der Anti-Antifa schrieben heißt es, dass man auf Informationen von Behörden zurückgreifen solle. In einem anderen Papier steht, man soll „private Kontakte zu Polizisten, Justiz- und Finanzbeamten und städtischen Angestellten“ nutzen um an Informationen zu gelangen.

Anti-Antifa vor Gericht

Im Januar 2010 standen die beiden Anti-Antifa-Aktivisten Michael Reinhardt (Fürth) und Sebastian Schmaus vor Gericht. Sie wurden angezeigt, weil einige Bilder auf der Seite der AAN von ihnen erstellt wurden. Bei den Hausdurchsuchungen fanden die Ermittler auf dem Computern der beiden mehrere Portraitbilder von Linksautonomen und Nazigegnern. Nachdem die Angeklagten sich in der ersten Instanz lediglich über ihre Anwälte Frank Miksch (Fürth) und Stefan Böhmer (Erlangen) verteidigen liesen und zu 2000€ (Michael Reinhradt) und 6400€ (Sebastian Schmaus) Geldstrafe verurteilt wurden, legten diese Berufung gegen das Urteil ein. In der zweiten Instanz gestanden die Angeklagten, die Fotos erstellt und dann an die Kontaktadresse der AAN geschickt zu haben. Ein Staatschutzbeamter der Nürnberger Polizei gibt an, dass im Terminkalender von Schmaus und Reinhardt immer wieder als Termin „Dicker“ eingetragen war. Laut polizeilichen Erkenntnissen ist dies ein Pseudonym für den „Anti-Antifa“-Kader und FNS-Führungsaktivisten Norman Kempken (Nürnberg).
Nicht nur in Franken setzt sich der „Anti-Antifa“-Aktivistenstamm aus führenden Mitgliedern der regionalen Szene zusammen. In Mittelfranken stechen aber vor allem der BIA-Stadtrat Sebastian Schmaus, Michael Reinhardt (Fürth), Norman Kempken (Nürnberg), Matthias Fischer (Fürth), Lutz Passon (Niedermirsberg) und Kai-Andres Zimmermann (Fürth) als Aktivisten der Anti-Antifa heraus. Alle genannten haben Führungsrollen im FNS inne und treten auf  rechten Demonstrationen als Ordner, Organisator oder Redner auf. Auch weniger bekannte Aktivisten wie Daniel H. (Lauf), Christoph P. (Fürth), Rene G. (Nürnberg), Marc P. (Fürth) und Stefan M. (Nürnberg) fungieren als rechtsextreme Datensammler.

Anti-Antifa Aktivisten bei einer linken Kundgebung 2011 v.l.n.r. Kai Zimmermann, Marc P. Sebastian Schmaus, Michael Reinhardt ©TM
Anti-Antifa Aktivisten bei einer linken Kundgebung 2011 v.l.n.r. Kai Zimmermann, Marc P. Sebastian Schmaus, Michael Reinhardt © Miller

Seit Ende 2011 häufen sich die neonazistischen Anschläge in der mittelfränkischen Region erneut. Kurz nach der Haftentlassung des FNS-Kaders Matthias Fischer werden erneut Autos, Häuser und Infoläden angegriffen. Den qualitativen Höhepunkt der rechten Gewalt stellt dabei der Brandanschlag auf das Auto einer Familie aus Fürth dar, die sich gegen Rechts engagiert.

Mittlerweile werden die „Anti-Antifa“ Berichte auf der Seite des „Freien Netzes Süd“ (FNS) veröffentlicht. Gekennzeichnet sind diese Artikel mit einem Foto, welches ein Schlüsselband mit dem Schriftzug „Anti Antifa“ zeigt. Dasselbe Logo verwendete die AAN auch als Motiv für Aufkleber, die für die Seite werben sollten. Bei den Berichten veröffentlichen die Neonazis dabei aber nur Menschen mit Name und Foto, von denen sie ausgehen, dass diese Personen des öffentlichen Interesses sind. Von anderen wird der Nachname nicht ausgeschrieben.

Verfassungsschutz, Anti-Antifa und der NSU

Als Autor einiger Bilder ist „Kai Zimmermann“ angegeben. Dieser fungiert auf Demonstrationen immer wieder als Filmer von Gegendemonstranten. Videobilder und Fotos dieser Demonstrationen erscheinen wenige Tage später dann auch auf der Internetseite des FNS. Auch auf bundesweiten Neonazidemonstrationen agieren die Nürnberger Neonazis Fotografen und Filmer.
In den letzten Jahren kam es auch immer wieder zu Versuchen der Anti-Antifa, verdeckt bei linken und gewerkschaftlichen Veranstaltungen zu spionieren. Dabei profilierten sich Aktivisten wie Jürgen Schwab (Nürnberg), Martin A. (Straubing), Fred B. (Nürnberg) und Sebastian Schmaus.Teilweise wird aber auch ganz offen agiert. Bei einer globalisierungskritischen Demonstration in Fürth fotografierten Kai Zimmermann und Christoph P. die Demonstrationsteilnehmer. Bei einem öffentlich beworbenen Infostand einer migrantischen Gruppierung in Fürth (Juni 2012) waren wieder Zimmermann und P. anwesend und versuchten die linken Aktivisten zu fotografieren.
Anfang 2012 schlich sich Norman Kempken beim Nürnberger „Institut für sozialwissenschaftliche Forscheung, Bildung und Beratung“ auf, dass sich mit Bildung und Aufklärung über die rechte Szene beschäftigt. Laut Birgit Maier, Leiterin des Instituts,  wurde der Rechtsextremist schnell erkannt und zur Rede gestellt. Maier und andere Mitarbeiter des Instituts wurden in jüngster Vergangenheit auf der Internetseite des FNS mit Namen und Foto diffamiert. Nazigegner gehen davon aus, dass dies eine Ausspäh-Aktion für einen weiteren Übergriff war.
Szeneintern prahlen die Aktivisten der AAN mit ihren begangenen Anschlägen.

FNS-Führungsaktivist Norman Kempken (Mitte) © Timo Mueller
FNS-Führungsaktivist Norman Kempken (Mitte) © Miller

Dabei existiert keine klandestin arbeitende Untergrundstruktur der AAN. Die Anschläge werden nach Informationen aus der rechten Szene von den bekannten Repräsentanten der „Anti-Antifa“ verübt.
Die Polizei konnte bislang bei keinem einzigen Anschlag der letzten Jahre einen Ermittlungserfolg vorweisen. Laut bayerischen Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sei auch nicht bekannt, wer hinter der AAN steckt, obwohl Nazigegner seit Jahren auf die Aktivisten der AAN hinweisen.
Ungeklärt bleibt auch die Rolle von Verfassungsschutz und Polizei bei der inzwischen fast zwei Jahrzehnte existierenden Anti-Antifa Arbeit in Franken.  Von Fällen des offensichtlichen Informationsaustauschs zwischen Neonazis und Polizisten bis zur Rolle von Verfassungsschutzagenten wie Didier Magnien und Kai Dalek. Beide unterstützen in der rechten Szene die Anti-Antifa-Aktivitäten und bauten die Strukturen teilweise auf. Nach Bekanntwerden der Verstrickungen staatlicher Behörden in die Struktur und das Umfeld des NSU muss die Möglichkeit, dass in Franken nicht nur einfältige Neonazis isoliert agieren, in Betracht gezogen und offensiv thematisiert werden. Zumal der NSU – die gefährlichste rechtsterroristische Nazistruktur der letzten Jahrzehnte – jedenfalls gute Kontakte nach Franken hatte – ungeklärt ist noch zu wem. Auf der Telefonliste des mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Mundlos waren zumindest zwei Nürnberger Adressen und Telefonnummern genannt: Die von der ehemaligen Kneipe „Tiroler Höhe“ und die von Matthias Fischer, dem führenden FNS-Aktivisten.