Im Streit um rechtsextremistische Tendenzen in Burschenschaften hat deren Dachverband eines seiner wichtigsten Mitglieder verloren. Die mit 300 aktiven und ehemaligen Studenten größte Burschenschaft Franco-Bavaria (München) beschloss, den Dachverband zu verlassen.
Zur Franco-Bavaria gehört auch ein Regierungsmitglied: Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer ist Mitglied des Altherren-Verbandes (der ehemals Studierenden). Der CSU-Politiker hatte sich in der Diskussion um rechtsextremistische Umtriebe in den Burschenschaften des Dachverbandes klar auf die Seite der Reformer gestellt.
Am Wochenende verließ zudem die Stuttgarter Ghibellinia den bisher etwa 100 Mitglieder starken Dachverband. Damit setzt sich die Spaltung der Burschenschaften weiter fort. In den vergangenen Monaten traten 16 Burschenschaften aus. Sie wollten den seit 2011 verstärkten Rechtsruck des Dachverbandes nicht unterstützen. Reformwillige gründete zudem in Stuttgart die Initiative Burschenschaftliche Zukunft, ein neuer Zusammenschluss von anfangs 21 Bünden.
Burschenschaft aus militanter Szene
Einer der Gründe: 2012 hatten rechtskonservative Burschenschafter die Abwahl des mit Rechtsextremismus-Vorwürfen konfrontierten Chefredakteurs des Verbandsblattes Burschenschaftliche Blätter verhindert. Norbert Weidner hatte den Theologen und NS-Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer als Landesverräter bezeichnet und seine Hinrichtung durch die Nazis als „juristisch gerechtfertigt“. 2012 setzte der Reformerflügel mit seiner Mehrheit die Abwahl Weidners zwar durch, der Dachverband ersetzte ihn aber durch den rechtskonservativen Autoren Michael Paulwitz.
Hinzu kam, dass der Dachverband Ende 2012 die österreichische Burschenschaft Teutonia Wien zu seiner Vorsitzenden wählte. Sie ist laut dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes eine „Hochburg der militant-rechten Wiener Szene“. Als eine von 14 österreichischen Bünden unterzeichnete sie im vergangenen Jahr eine Erklärung zum „völkischen Abstammungsprinzip“. Der Antrag wurde rasch als Arierparagraph bekannt.
Bis zum Dachverbandstreffen 2013 dürfte sich der Exodus fortsetzen und dem Verband damit ein Finanzproblem bereiten. Denn liberal ausgerichtete Bünde zahlen den Großteil der Verbandseinnahmen.
Bürgermeisterin rudert zurück
Dachverbandssprecher Walter Tributsch hatte die Austritte bedauert, aber auch gesagt, dass sie zu einem „Zusammenrücken der verbliebenen rund 100 Bünde“ führten. Trotz dieser Konzentration ultrakonservativer Kräfte in dem Verband soll das nächste Jahrestreffen der Burschenschaft wieder im thüringischen Eisenach stattfinden. Seit Jahren nutzt der Verband dort die städtische Aßmann-Halle. Er will das auch 2013 tun, wie Tributsch sagte.
Vor einigen Monaten hatte Eisenachs Bürgermeisterin Katja Wolf noch angekündigt, den Burschenschaftern die Gastfreundschaft zu versagen. Wenn sich „der rechtsextreme Trend in der Deutschen Burschenschaft verstetigt, können Burschenschaften nicht mehr mit der Gastfreundschaft Eisenachs rechnen“, sagte die Linken-Politikerin im November.
Mit Verweis auf den vermeintlichen Burgfrieden im Verband korrigierte sie sich vergangene Woche: Die Ankündigung der Burschenschaft löse bei ihr zwar kein Glücksgefühl aus, sie wolle aber den mit der Burschenschaft geschlossenen langfristigen Mietvertrag nicht kündigen. Sie berief sich dabei auch auf die Auskunft der Bundesregierung, es gebe keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Burschenschaften des Verbands insgesamt gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung arbeiteten. Den Vorwurf, sie rudere wegen des Drucks des örtlichen Gastgewerbes zurück, wies sei von sich.
Der ehemalige Bonner Burschenschafter Christian Becker, der die Reformbemühungen seit 2011 maßgeblich ins Rollen brachte, äußerte sich von Wolf enttäuscht: „Eine eigentümliche politische Duldungsstarre gegen rechte Burschenschafter vereint jetzt sogar Bundesregierung und Linke“, sagte er.