Journalisten sind für Neonazis nicht nur ein erklärtes Feindbild. Gerade in der letzten Zeit geben sich Rechtsextremisten immer öfter als Journalisten aus, um einerseits Fotos für „Anti-Antifa-Karteien“ anfertigen zu können und anderseits Journalisten einschüchtern und an ihrer Arbeit hindern zu können. Der DJV zeigt sich alarmiert.
Von Felix M. Steiner und Johannes Hartl
Egal ob Demonstrationen, Kundgebungen oder Parteitage – kritische Journalisten sind bei Rechtsextremen nicht gern gesehen. Sie werden angepöbelt, bedroht oder attackiert. Dies betrifft vor allem Fachjournalisten, die seit Jahren kritisch über Rechtsextremismus berichten. Auch Andrea Röpke kennt die
Anfeindungen der Neonaziszene genau. Als Journalistin ist sie seit vielen Jahren auf rechtsextremen Veranstaltungen unterwegs. „Es geht eigentlich nicht eine Demo ohne Ärger gegen Fotografen oder der Neonazi-Szene bekannte Berichterstatter ab. Da wird geschubst, die Sicht verstellt, gedroht, gespuckt – das ganze Repertoire.“, beschreibt die Fachjournalistin ihre Erfahrungen. Dahinter steckt vor allem auch der Versuch der Szene, die nach außen dringende Darstellung selbst genau kontrollieren zu wollen. So wurde in den letzten Jahren der Slogan „Die Presse lügt“ zur gängigen Antwort der Szene auf die meisten Pressenachfragen. Noch gefährlicher ist die Recherche bei konspirativ geplanten oder sogar illegalen Veranstaltungen. Zuletzt war es der Journalist Thomas Kuban, der durch seine Recherchen im Rechtsrockmilieu für Aufsehen sorgte. Seine Bilder entstanden unter Lebensgefahr und zeigten das Innenleben einer menschenverachtenden Szene mit all ihrem Hass. Auch der Deutsche Journalisten Verband (DJV) kennt diese Gefahren. „Die Gefahren für Journalisten, die kritisch über den Rechtsextremismus berichten, sind erheblich. Es gibt bei Rechtsextremisten keine Akzeptanz für kritische Berichterstattung“, sagt der Pressesprecher des DJV, Hendrik Zörner. Hinter der Ablehnung einer freien Presseberichterstattung steckt nicht zuletzt auch die Ablehnung von Demokratie und Parlamentarismus, meint Andrea Röpke: „Wir sind ‚Systempresse‘, so formulierte es mal einer der Anführer, und gehören ins Lager der Todfeinde.“ Besonders problematisch sind die Übergriffe auf Journalisten, die unter den Augen der Polizei stattfinden. Die Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit der Polizei unterscheiden sich dabei oft erheblich. Zahlreiche Fachjournalisten berichten mittlerweile auch von Übergriffen, bei denen die Polizei gar nicht oder erst auf Nachfrage einschreitet. Auch Röpke kennt diese Situationen: „Und meistens ist es so, dass Polizeibeamte daneben stehen, wegschauen oder sogar sagen: ‚Die Herrschaften möchten nicht, dass Sie fotografieren!‘“
Rechtsextreme Regionalzeitungen als Informationsquelle
Jenseits der „Freien Kameradschaften“ und der „Autonomen Nationalisten“ ist es vor allem die NPD, die auf eine positive Außendarstellung angewiesen ist. Besonders seit dem Einzug in die Parlamente versucht die Parteiführung ihr bürgerliches Bild in der Öffentlichkeit zu stärken. Nicht zuletzt steckt auch hinter Holger Apfels Konzept der „seriösen Radikalität“ der Wunsch, sich nach außen ohne Szenekleidung oder Szenerhetorik zu präsentieren. Auch hier wird versucht die Kontrolle über die Außendarstellung nicht aus den Händen zu geben. Um dies glaubwürdig zu vertreten, hat die Parteiführung in den letzten Jahren immer wieder einzelne Parteitage teils für die Presse geöffnet. Zumindest für einige Journalisten. Fachjournalisten wie Andrea Röpke müssen dennoch meist draußen bleiben. „Ausgewählte große TV-Teams zum Beispiel werden dann begleitet, bekommen Ansprechpartner zugewiesen und dürfen von dort berichten, wo wir als Freie dann von den Ordnern offen rausgeschmissen werden“, berichtet Röpke. Neben der Reglementierung einer freien Berichterstattung versucht die NPD eigene Publikationen zu schaffen. Diese sollen – vor allem auf kommunaler Ebene – die Verbreitung von Partei-Ideologie ohne kritische Berichterstattung ermöglichen. In den letzten Jahren hat die Partei verstärkt Regionalzeitungen herausgegeben, welche in die Lücke einer rückläufigen Presselandschaft zu stoßen versuchen. Allein in Thüringen gibt es für diese „Graswurzelarbeit“ bereits zehn NPD-Blättchen. Hier kann dann ein regionales Thema mit der dazugehörigen Ideologie unter das Volk gebracht werden. Besonders in ländlichen Strukturen eine Tendenz, die es im Auge zu behalten gilt.
Neonazis mit Presseausweisen
Doch in letzter Zeit ist noch ein weiteres Phänomen zu beobachten: Neonazis als vermeintliche Journalisten. In Bayern zum Beispiel versuchten Neonazis zuletzt immer wieder als Journalisten aufzutreten. Kennern der Szene sind mehrere Fälle bekannt, in denen Rechtsextreme mit Presseausweisen ausgestattet waren und so teilweise mühelos Polizeiketten durchqueren konnten. Vor allem so genannte Anti-Antifa-Fotografen des „Freien Netzes Süd“ agieren mit Presseausweisen ungestört und können häufig unbeobachtet von der Polizei antifaschistisch engagierte Bürger ablichten.
Doch nicht nur das Ablichten von politischen Gegnern zählt zur Aufgabe der rechtsextremen Fotografen. Diese schüchtern auch gezielt Journalisten ein und versuchen deren Film- und Fotoaufnahmen durch herumschubsen, vor die Kamera stellen oder schlicht und einfach subtile Bedrohungen zu verhindern. Besonders deutlich wurde diese Strategie im Vorfeld des neonazistischen 1. Mai des „Freien Netzes Süd“. Bei der Propagandatour anlässlich des jährlichen Aufmarsches, der dieses Jahr in Würzburg stattgefunden hat, grenzten sich bekannte Anti-Antifa-Fotografen bewusst von den „Kameraden“ im uniformierten 1. Mai-T-Shirt ab und hielten eine bestimmte Distanz zu den anderen rechtsextremen Veranstaltungsteilnehmern ein. Ausgestattet mit professionellen Kameras und Objektiven konnten sie so anwesende Gegendemonstranten fotografieren.
Diese Strategie zeichnet sich bereits seit längerer Zeit ab. Mehrere Vorfälle, in denen Neonazis als vermeintliche Pressevertreter auftreten, sind in Bayern inzwischen bekannt. So gelangte bei der Gerichtsverhandlung gegen den Ottobrunner Neonazi Norman Bordin und Philipp G. ein bekannter Neonazi aus dem Raum München erfolgreich in die reservierten Presseplätze und konnte gegenüber Journalisten eine regelrechte Drohkulisse aufbauen, weil er sich zuvor bei den Justizbeamten mit einem Presseausweis als vermeintlicher Journalist ausgab.
Dass Neonazis dabei so ungestört agieren und ihre „Anti-Antifa-Archive“ füllen können, wird für engagierte Personen zusehends zu einem großen Problem. Prinzipiell jeder, der sich gegen Rechtsextremismus engagiert, muss mittlerweile befürchten, öffentlich mit Bild und einem diffamierenden Text auf Nazi-Websites angeprangert zu werden. Ziel dieser so genannten Outing-Artikel ist es, die Betroffenen einzuschüchtern, zu demoralisieren und ihren Ruf öffentlich zu zerstören. Engagierte Bürger sollen dadurch gezielt psychisch unter Druck gesetzt und zum Aufgeben bewegt werden. In vielen Fällen wird die Bebilderung solcher Artikel allerdings überhaupt erst möglich, weil „Anti-Antifa-Fotografen“ von Seiten der Polizei immer wieder derart viel Freiraum eingeräumt bekommen, kritisieren Betroffene regelmäßig.
DJV zeigt sich beunruhigt
Auch der DJV ist durch diese Entwicklung beunruhigt. „Das verurteilen wir auf das Schärfste. Offenbar versuchen Nazis, auf diese Weise durch Polizeiabsperrungen zu gelangen oder an Informationen zu kommen, die die Polizei den Medien gibt.“, sagt Hendrik Zörner. Außerdem informiere der Verband jedes Jahr die Polizeibehörden über den aktuell gültigen Presseausweis. Doch die konkrete Erfahrung vor Ort zeigt, dass viele eingesetzte Beamte von der Vielzahl unterschiedlicher Presseausweise häufig überfordert sind und auch auf Hinweise kaum reagieren.