Am Sonntag wurde der Braunschweiger Karnevalsumzug, einer der größten in Norddeutschland, wegen einer Warnung vor einem islamistischen Anschlag abgesagt. Auf den Facebook-Seiten des Braunschweiger PEGIDA-Ablegers „Braunschweig gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (BRAGIDA) tobt nun der virtuelle Mob. Ganz offen wird dort in Kommentaren zur Stürmung von Moscheen, zu Gewalt und Lynchjustiz gegen Muslime aber auch gegen die Bundesregierung aufgerufen: „Wir müssen mal eine moschee stürmen und deren ‚party‘ versauen.“ – „Gebt mir eine 16 und Bazzuka. Dann witd aufgeräumt“ – „Ich meinte M16“ – „Größenwahn! Sie [Merkel] sitzt ja sicher im Bunker!“ – „Warum knallt die nicht endlich jemand ab???“ – „Radikal aber wohl notwendig!“.
Längst ist unter den BRAGIDA-Anhängern die Maskerade einer bloßen Kritik an Fundamentalismus und Islamismus gefallen. Ganz offen geht es nun gegen den Islam und die hier lebenden Muslime an sich: „Ich bin der Meinung das der Koran, mit all seinen Aufrufen zur Gewalt, VERBOTEN gehört!“ wird da zum Beispiel gefordert.
BRAGIDA selbst kann sich da weitgehend mit eigenen Statements zurückhalten. Und so verlinkte man nach der Absage des Karnevalsumzuges dort ohne jeglichen eigenen Kommentar einen Zeitungsbericht über die Eröffnung eines rituellen Waschhaus für Muslime auf dem Braunschweiger Hauptfriedhof einige Tage zuvor. Für die entsprechenden Kommentare sorgten dann die eigenen Anhänger: „“brauchen wir genau so dringend wie die terrordrohungen von denen die das waschhaus benutzen!“ – „Sowas brauchen wir nicht in Deutschland“ – „Statt Karnevalsumzug rituelle Waschungen, Herr OB das hat doch islamischen Stil oder?“ – „na ja…dann sind sie im Tod wenigstens mal frisch gewaschen..“ Und zynisch fragt einer, offensichtlich in Anspielung auf die Vernichtungslager der Nazis: „Gibts da auch Duschen?“
Auftrieb für BRAGIDA?
Für den kommenden Sonntag steht in Braunschweig der 5. islamfeindliche „Spaziergang“ von BRAGIDA bevor. Wegen eines Heimspiel von Eintracht Braunschweig ist man dieses Mal vom Montag auf einen Sonntag ausgewichen. Beim letzten „Montagsspaziergang“, am 9. Februar, waren laut Polizeiangaben nur noch 140 Teilnehmer, darunter 60 aus der „rechtsextremen Szene“, gekommen. Nun wird befürchtet, dass die Warnung vor einem islamistischen Anschlag den BRAGIDA-Spaziergängen wieder Auftrieb geben könnte. Insbesondere weil durch die mediale Aufmerksamkeit wieder verstärkt Hooligans, Neonazis und andere PEGIDA-Anhänger von außerhalb angezogen werden könnten. So ruft z.B. Marcel B., einer der Köpfe der HOGESA-Abspaltung „Gemeinsam stark e.v.“ die Anhänger von „Gemeinsam-Stark, Pegida, Magida, Hogesa“ dazu auf, am Sonntag nach Braunschweig zu kommen: „Geben wir den Salafisten die passende Antwort bezüglich der Bombendrohung gestern“.
Verschwörungstheorien
Kurioserweise scheint sowohl Marcel B., ebenso wie ein großer Teil der BRAGIDA-Anhänger, gar nicht so richtig an eine Bedrohung durch einen islamistischen Anschlag zu glauben: „Vor allem was bringt ein Anschlag in Braunschweig? Keine Prominenz, Menschen-technisch auch nicht sehr Wirkungsvoll…Langsam vermute ich das wir alles verarscht werden um das nationale Demonstrationsverbot durchzusetzen!“ schreibt er auf der Seite von BRAGIDA. Zahlreiche andere Kommentatoren schreiben ähnliches: „Ich glaube nicht an eine Terrorwarnung … das steckt was anderes dahinter!“ – „Mich würden die wahren Hintermänner der Drohung interessieren? Inszenierung?“. Durch viele Kommentare zieht sich der Gedanke einer staatlichen Inszenierung der Terrorgefahr – kurioserweise mit dem angeblichen Ziel BRAGIDA zu schaden: „Ich lehne mich jetzt mal weit aus dem Fenster und sage das die Terrorwarnung Inziniert wurde um sagen zu können Pegida hat diese unruhen Provoziert das man Pegida als Staatsgefährdende Gruppierung klassifizieren kann“.
„Wir lassen uns nicht unterkriegen“
Am Sonntag dürfte sich zeigen, ob BRAGIDA die Angst vor islamistischen Anschlägen für ihre Zwecke wird vereinnahmen können. Das Braunschweiger Bündnis gegen Rechts, das am Sonntag zu einer Gegendemo aufruft, stellte nach der Absage des Karnevals klar:
„Ein geplanter Terroranschlag auf den Karnevalsumzug ist eine Bedrohung aller Menschen dieser Stadt, egal welcher Herkunft sie sind oder welcher Religion sie angehören. Gerade deshalb darf diese Bedrohung nun nicht dazu missbraucht werden, um Hass gegen unsere Mitmenschen muslimischen Glaubens zu schüren. Wir appellieren an die Braunschweigerinnen und Braunschweiger sich auch weiterhin nicht aus Angst und Sorge vor solchen Anschlägen vor den Karren von antimuslimischen und rassistischen Bewegungen spannen zu lassen. Wir als Bündnis gegen Rechts werden uns durch solche Terrordrohungen nicht davon abhalten lassen, auch weiterhin für eine bunte, antirassistische und tolerante Stadt einzutreten.“
Und auch die Braunschweiger Karnevalisten lassen sich offensichtlich nicht für eine Gleichsetzung von Muslimen und Terror vereinnahmen. So kündigte Zugmarschall Gerhard Baller gegenüber der Braunschweiger Zeitung an, dass man im nächsten Jahr auch Muslime und Flüchtlinge einladen werde einen eigenen Wagen für den Karnevalsumzug zu gestalten:
„Wir lassen uns nicht unterkriegen. Karneval ist ja bekanntlich nichts für Feiglinge! Wir alle leben die 11, genauer: die Buchstaben ELF, die im Französischen stehen für Liberté, Égalité, Fraternité – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.“