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Neonazi wegen Anschlag auf Justizministerwohnung vor Gericht

 

Der Tatverdächtige Thomas K. bei einem Fanmarsch von LOK Leipzig © Olaf Mühlenkamm
Definitiv kein Linker: Thomas K. bei einem Fanmarsch von Lok Leipzig © Olaf Mühlenkamm

Lange sprach der sächsische Verfassungsschutz von einem linksextremen Anschlag, jetzt ist klar: Der Täter ist ein bekannter rechtsextremer Hooligan – aus Leipzig. Wie Recherchen der Leipziger Internetzeitung ergeben haben, soll Thomas K. für den Angriff auf die Wohnung des sächsischen Justizministers Sebastian Gemkow (CDU) im November 2015 verantwortlich sein. Jetzt stehen er und ein Komplize für die Tat vor Gericht.

Von Sarah Ulrich

Die Fassungslosigkeit war groß, als vor einem Jahr der Anschlag mit Pflastersteinen und Buttersäure auf die Wohnung des Justizministers verübt wurde. Schnell war für Verfassungsschutz und Polizei klar: Tatmuster und die Zielperson können nur auf einen linken Angriff hindeuten. Innenminister Markus Ulbig verurteilte die „neue Qualität linker Gewalt“.

Nach langem Schweigen seitens Polizei und Justiz bestätigte ein Gerichtssprecher der Leipziger Internetzeitung nun jedoch, dass mindestens einer der beiden Tatverdächtigen aus der rechten Szene stammt. Der Hauptangeklagte Thomas K., dessen DNA-Spuren am Tatort gefunden wurden, ist schon lange als gewalttätiger Hooligan und Neonazi bekannt.

Seine Aktivitäten in der rechten Szene reichen viele Jahre zurück. So war er bereits 2008 an einem Angriff auf das Kulturzentrum Anker in Leipzig beteiligt, in dem zu diesem Zeitpunkt das Konzert Leipzig zeigt Courage stattfand. Auch bei einem Überfall auf Gäste des Courage-zeigenFestivals in der Leipziger Innenstadt soll er dabei gewesen sein. Im selben Jahr soll er gemeinsam mit anderen Neonazis versucht haben, ein Wohnhaus in Brand zu setzen, in dem sich die einem linken Fußballclub zugehörige Vereinskneipe Fischladen befindet.

Auch in der Kampfsportszene ist der zwei Meter große Hooligan aktiv. So gründete er 2009 gemeinsam mit Benjamin Brinsa und mehreren Hooligans, die an einem Angriff auf den linken Fußballverein Roter Stern Leipzig in Brandis beteiligt waren, den Boxclub Vorwärts Leipzig e. V. Brinsa steht selbst immer wieder wegen seinen Bezügen zur rechten Szene und Aktivitäten bei rechten Aufmärschen in der Öffentlichkeit. Zuletzt im Kontext der von ihm co-initiierten Imperium Fighting Championship, die wegen der Teilnahme zahlreicher Neonazis unter massiver Kritik stand.

Mit Brinsa verbindet K. nicht nur die gemeinsame Vorliebe für Kampfsport, sondern auch für den Fußballverein Lok Leipzig e. V. Der Verein fällt immer wieder wegen seiner rechten Fanszene auf. K. selbst wird bei Spielen häufig als Teil von Hooligangruppen gesichtet, die mit rechten und antisemitischen Fangesängen auffallen. Auch bei den Aufmärschen der völkisch-nationalen Legida war K. mehrfach anwesend. Zudem ist er, wie aus einer Liste der Polizei hervorgeht, einer derjenigen, die bei dem Neonaziangriff auf den linksalternativen Stadtteil Leipzig-Connewitz Anfang 2016 beteiligt waren.

Brisant bei dem Angriff auf die Wohnung des Justizministers sind jedoch nicht nur die Neonazihintergründe des Angeklagten, sondern auch das betroffene Wohnhaus selbst. Denn in einer Nachbarwohnung im selben Gebäude befand sich zu diesem Zeitpunkt die Geschäftsadresse des linken Bekleidungslabels Mob Action. Nur wenige Wochen später brannten nach einem Anschlag zudem mehrere Wohnwägen aus, die als alternative Wohnform genutzt wurden. Szenekenner vermuten eine Verbindung zwischen den beiden Angriffen und gehen von einer Nähe der Tätergruppen aus.

Ob der Anschlag wirklich dem Justizminister galt oder möglicherweise ein Angriff auf die linke Szene sein sollte, geht aus der Anklageschrift nicht hervor. Der Verfassungsschutz, die Polizei und das Innenministerium halten sich nach der vorschnellen Vorverurteilung der linken Szene bedeckt. Ein Termin für den Gerichtsprozess steht noch nicht fest.