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AfD-Landeschef besuchte HDJ-Pfingstlager

 

Andreas Kalbitz (AfD) bei einer Kundgebung in Neuruppin im MAi 2016 © Presseservice Rathenow

Seit 2006 galt die „Heimattreue Deutsche Jugend“ (HDJ) als eine der gefährlichsten völkischen Untergrundorganisationen. Andreas Kalbitz nahm 2007 an einem Zeltlager der verschworenen NS-nahen Gemeinschaft teil. Ehemalige HDJler arbeiten für die AfD.

 Von Andrea Röpke und Otto Belina, zuerst veröffentlicht beim blick nach rechts

In kurzen Lederhosen steht Andreas Kalbitz inmitten des HDJ-Zeltlagers. Der Mann mit Nickelbrille und Glatzkopf begrüßt hier eine junge Frau im langen Rock und dort zwei zünftige junge Kameraden. In der Hand hält er eine blecherne Brotdose. Kalbitz geht an der improvisierten Feldküche und der Feldtoilette vorbei, durch das hölzerne Eingangstor mit der Aufschrift „Der Heimat und dem Volke treu“. Jugendliche üben derweil germanischen Wettkampf. Frauen und Männer wirbeln mit schweren Töpfen herum. Michael Grewe von der NPD führt seinen Kampfhund spazieren.

Es ist Pfingsten 2007, die „Heimattreue Deutsche Jugend“ (HDJ), hat sich drei Tage lang mit über 200 Anhängern, darunter vielen Kindern, auf dem Anwesen eines NPD-Bauern bei Eschede versammelt. Eigentlich sollte das Lager in Hessen stattfinden, es wurde kurzfristig verlegt. Das Tragen von HDJ-Uniformen wurde von der Polizei untersagt, denn die zwei Jahre später verbotene HDJ gilt zu diesem Zeitpunkt bereits als eine der gefährlichsten Neonazi-Organisationen, deren Aktivisten sich als „politische Soldaten“ verstanden. Jugendliche sollten zu „fanatischen nationalistischen Freiheitskämpfern“ erzogen werden, wie es später in der Verbotsverfügung heißen wird.  Andreas Kalbitz aber will kein Mitglied gewesen sein, nur Gast, wie er gegenüber dem RBB-Magazin „Kontraste“ einräumte. Wie er zu der Einladung kam, ist ihm „nicht mehr erinnerlich“.

Kalbitz beim Lagder der HDJ 2007 © Otto Belina/Recherche Nord

Politischer sowie militärischer Kinder- und Jugenddrill

Es ist eine eingeschworene braune Gemeinschaft an diesem Wochenende 2007 in Eschede. Jeder hat seine Aufgabe. Das Lager ist durchorganisiert. Bis 1945 existierte ganz in der Nähe von Eschede das Konzentrationslager Bergen-Belsen, dort ermordeten Nationalsozialisten fast 43.000 Menschen. Keine 20 Kilometer von Eschede entfernt, marschierte dann der Vorläufer der HDJ, die paramilitärische „Wiking-Jugend“ (WJ) durch die Lüneburger Heide. Ihr Zentrum hieß „Hetendorf Nr. 13“. Nach dem Verbot der WJ 1994 übernahmen die heimattreuen Erzieher den politischen sowie militärischen Kinder- und Jugenddrill. Einige stammen aus den Reihen militanter Kameradschaften. HDJler stellen auch den Ordnerdienst der Neonazi-Partei NPD.

Heimlich aufgenommene Lagerbilder offenbaren bereits 2006 das Ausmaß des völkischen Untergrunds. Filmaufnahmen von einem Sommerlager der HDJ bei Fromhausen in Westfalen zeigen Brauchtum und Drill sowie das Schild „Führerbunker“ an einem der Zelte. Die Organisation gilt als elitär und gefährlich, von Wehrsport und Waffen ist die Rede. Gemeinsam mit jungen NPDlern haben HDJ-Aktivisten im Frühjahr 2007 an einem paramilitärischen Lager an der holländischen Grenze teilgenommen, wie die dortige Polizei bekanntgibt.

Verschworene Neonazi-Gemeinschaft

Aufgrund öffentlichen Drucks wird die HDJ 2009 dann wegen ihrer Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus und einer aktiv-kämpferischen Grundhaltung verboten. Doch Pfingsten 2007 in Eschede ist es mit dem Verbot noch nicht soweit. Nicht jeder kann am Pfingstlager teilnehmen, es ist eine verschworene Neonazi-Gemeinschaft, die sich als Elite der weißen Rasse versteht. In Eschede sind Wachen aufgestellt worden. Journalisten können in Eschede nur unter Polizeischutz filmen. Blut-und Boden-Ideologie und NS-Brauchtum sollen nicht geteilt werden. Die bundesweit agierende Organisation ist über interne Chats informell verbunden. Die Satzung des Vereins reglementiert die Mitgliedschaft. Kinder- und Jugendliche haben in den Lagern Mut- und Messerproben zu absolvieren. In der Zeitung „Funkenflug“ tauchen nur wenige Klarnamen auf, die HDJler sind verschwiegen. Andreas Kalbitz will kein Mitglied gewesen sein, am internen „Pfingstlager“, einem der Höhepunkte des HDJ-Lebens durfte er aber teilnehmen.

Der brandenburgische AfD-Landesvorsitzende Andreas Kalbitz lebte in Bayern. Er war Fallschirmjäger bei der Bundeswehr, wie er heute stolz erzählt.  Er streitet nicht ab, in der Vergangenheit mit dem Münchner Neonazi Karl Richter bekannt gewesen zu sein. Bis vor wenigen Jahren leitete der AfD-Mann eine extrem rechte Kulturorganisation. Alles Vorwürfe, die bisher an ihm abprallten. Auch von der HDJ will er nichts wissen. 2002 taucht Andreas Kalbitz‘ Name zudem in einer Mitgliederliste der „Aktionsgemeinschaft der Deutschland Liebenden“ (ADL) auf – neben Namen bekannter Rechtsextremisten und Holocaust-Leugnern wie Ursula Haverbeck-Wetzel. 2002 plante die ADL unter Führung von Baldur Springmann die Errichtung eines „Freudenmals“ für die Deutschen quer durch das Zentrum von Berlin.

„Paramilitärisch auftretende Elite“ in der Tradition der Hitlerjugend

Nur zehn Jahre, bevor Andreas Kalbitz den Landesvorsitz der AfD in Brandenburg 2017 übernehmen wird, tummelt er sich an abgelegenen Ort in der Lüneburger Heide zwischen polizeibekannten Neonazis, aber auch gewaltbereiten Schlägern? Der brandenburgische Verfassungsschutz zählt auch Maik Eminger, den in völkischen Kreisen sehr aktiven Zwillingsbruder eines NSU-Angeklagten zur HDJ. Von diesen  „Heimattreuen“ wird es 2009 in der Verbotsverfügung heißen: „Die HDJ tritt kompromisslos für die Verbreitung ihrer Ideologie ein und ist auf breiter Front zu einer direkten Konfrontation mit ihren Gegnern bereit“. Hitler-Verehrung, Rassenkundeunterricht wird der „paramilitärisch auftretenden Elite“ vorgeworfen, die sich in der Tradition von Hitlerjugend und „Wiking-Jugend“ sieht. Die HDJ lehnt das politische System des Grundgesetzes und die von ihm garantierte freiheitlich demokratische Grundordnung ab. Sie propagiert das Ideal von einer rassistischen „Volksgemeinschaft“ und möchte ein „neues Reich“ erschaffen. In diesem Spektrum bewegte sich offenbar 2007 der AfD-Landeschef.

Er ist nicht der einzige, Felix N. stammt ebenfalls aus diesen Reihen. Der Verwandte einer „Bundesmädelführerin“ übernahm 2004 das neue HDJ-Amt HALT, dass sich aus den Abteilungen Beschaffung und Technischer Dienst zusammengesetzt haben soll. 2016 dann taucht N.s Name in einem offiziellen Protokoll der Sitzung des Landtages in Potsdam vom 10. Oktober auf. Er wird als „Referent“ der AfD-Fraktion benannt. Auf Anfrage gibt Kalbitz an, N. sei nicht als Referent beschäftigt und vom familiären HDJ-Hintergrund will der Landeschef auch nichts wissen. Einer von N.s Brüdern, ehemals stellvertretender Bundesvorsitzender der HDJ, war ebenfalls für die AfD tätig, aber im Landtag von Baden-Württemberg. Auch die AfD-Fraktion im Magdeburger Landtag beschäftigt Medienberichten zufolge einen ehemaligen HDJ-Mann, als persönlicher Referent des Landesvorsitzenden.