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Kategorie C im Kleingarten

 

Die Rechtsrockband tritt auch nach ihrem „Abschlusskonzert“ im Sommer weiter auf. Die Konzerte werden heimlich organisiert, nicht immer mit vollem Erfolg, wie sich am Wochenende in Hessen zeigte.

Von Martín Steinhagen

Besucher des Rechtsrock-Festivals Schild und Schwert, bei dem auch Kategorie C auftrat, mit T-Shirts der Arischen Bruderschaft. Foto: Daniel Schäfer/dpa

„Wo wir sind, ist vorn“, singt eine raue Stimme zu Gitarrenbegleitung. Es ist die Stimme von Hannes Ostendorf, Sänger der extrem rechten Hooligan-Band Kategorie C – Hungrige Wölfe. An diesem warmen Samstagabend ist „vorn“ offenbar ein privates Kleingartengrundstück nahe eines Dorfes im hessischen Landkreis Gießen. Hier spielt Ostendorf mit seinem Gitarristen ein im Verborgenen organisiertes Konzert, das in der Szene zuvor als „Balladenabend“ im Raum Frankfurt am Main beworben worden war.

Eine große Bühne oder Scheinwerferlicht gibt es hier nicht – und auch nicht gerade viel Publikum. Die Polizei hat die Kleingartenanlage abgeriegelt. Die Musikanlage trägt den Gesang über die angrenzenden Gärten. Gegenüber der Parzelle mit den Rechtsrockern sitzen einige Leute im Dunklen um ein Lagerfeuer. Sie hören wohl lieber ihre eigene Musik.

Die 1997 gegründete Band Kategorie C stammt aus Bremen und ist seither in wechselnden Besetzungen aktiv. Der Name verweist auf die polizeiliche Einstufung von Fußballfans, Kategorie C steht für „gewaltsuchend“. Anfangs war die Gruppe um Ostendorf als vermeintlich unpolitische Hooligan-Band unterwegs. Seit einigen Jahren tritt sie ganz offen in neonazistischen Kontexten auf, lieferte unter anderem eine Art Hymne für die Hooligans gegen Salafisten. Heute dürfte sie zu den bekanntesten Szenebands zählen und betreibt einen eigenen Onlineshop, in dem eine große Auswahl an Fanartikeln vertrieben wird – vom Band-Shirt über bedruckte Baseballschläger und Pfefferspray bis hin zum Energydrink. Auch eine eigene Smartphone-App wird dort angepriesen.

Immer noch ein Abschiedskonzert

Musik ist für die rechte Szene von großer Bedeutung. Sie dient der Propaganda, die Konzerte der, auch internationalen, Vernetzung – und das Geschäft generiert Einnahmen, zumindest für einige der Protagonisten.

Eigentlich hatte Kategorie C einen Auftritt im Juni beim Neonazifestival Schild und Schwert im sächsischen Ostritz bereits als Abschiedskonzert beworben. Inzwischen werden aber mindestens zwei weitere Auftritte entsprechend vermarktet, einer in Kiew und einer in Budapest. Dazu kommt offenbar eine „Balladentour“ in reduzierter Besetzung – mit Auftritten wie dem in Hessen am Samstag. Auch Werbung für einen weiteren Auftritt in Wolfsburg im September kursiert bereits.

Das Konzert in Hessen wurde nicht öffentlich auf der Band-Website beworben, so sollen Proteste und staatliche Kontrollen vermieden werden. Eine Bilddatei mit einem Foto der Frankfurter Skyline und dem Datum zirkulierte vorab in der Szene. Wer das Konzert besuchen wollte, musste eine dort angegebene Handynummer anrufen und wurde zu einem Schleusungspunkt an der A45 geleitet.

Dann sollte es wohl zu einem Gasthof in Wölfersheim-Wohnbach (Wetteraukreis) gehen, in dem sich vor mehr als zehn Jahren auch schon die NPD getroffen hatte. Das Konzert sei dort als Geburtstagsfeier getarnt gewesen, sagte ein Sprecher der Polizei ZEIT ONLINE. Daraus aber wurde nichts. Der Wirt löste demnach seinen mündlichen Vertrag mit dem Konzertveranstalter nach einem Hinweis der Polizei auf. Den dorthin anreisenden Fans erteilten die Beamten anschließend Platzverweise.

Und so ist die Laubenkolonie in Hungen-Villingen nur der Plan B der rechten Band. Zu Protesten gegen ihren Auftritt kommt es zwar nicht, aber die Polizei riegelte den Zugang zur Kleingartenanlage am Ortsrand ab. Wer durchwollte, musste sich ausweisen. Die Polizei zählte schließlich 42 Personen, die sich Kontrollen unterziehen mussten.

Die Einsatzkräfte prüften auch, ob die beim Konzert gespielten Lieder indiziert sind. Ein Beamter vor Ort versicherte sich etwa bei einem Song, in dem das lyrische Ich stolz kundtut, weder beschnitten noch schwul zu sein, sicherheitshalber telefonisch, ob das Lied von der Meinungsfreiheit gedeckt sei.

Man habe keine Straftaten feststellen können, sagte ein Polizeisprecher am Tag darauf. Gegen 23 Uhr sei die Veranstaltung beendet worden, weitere Vorkommnisse habe es nicht gegeben.

Neonazi Philip T. kam doch nicht

Die Organisatoren des Rechtsrockabends hatten zuvor auch mit dem Neonazi Philip T. geworben, der als Reichstrunkenbold auftritt. Das Pseudonym ist eine Anspielung auf den Spitznamen des NSDAP-Reichsleiters Robert Ley. Der einschlägig vorbestrafte Philip T. stammt aus Hessen und ist kein Unbekannter. Er musste 2016 als Zeuge im hessischen NSU-Untersuchungsausschuss aussagen. Damals beschrieb er Abende, wie den am Samstag, als Veranstaltungen, bei denen „nationale Lieder, wo halt über die Heimat oder Deutschland gesungen wird“, erklingen. Im Falle des Reichstrunkenbolds tragen diese Lieder Titel wie Brauner Terrorist. Sein Auftritt am Samstagabend scheint aber ausgefallen zu sein.

Für Kategorie C war der „Balladenabend“ auf der Parzelle nicht das erste unfreiwillig verlegte Konzert in Hessen. Im vergangenen Jahr im März wollte die NPD ein Rechtsrockkonzert in der Stadthalle in Wetzlar zum Wahlkampfauftakt für die Landtagswahlen machen. Die Stadt rückte die Halle nicht heraus, trotz einer erfolgreichen Beschwerde der Neonazis beim Bundesverfassungsgericht. Schließlich spielte Kategorie C in einem Szenetreffpunkt im nahe gelegenen Leun-Stockhausen, allerdings vor etwas mehr Publikum als am Wochenende im Kleingarten.