Der mutmaßliche Rechtsterrorist Franco A. verschaffte sich eine falsche Identität als syrischer Flüchtling. Im Prozess stellt sich die Frage: Hatte er es viel zu leicht?
Von Martín Steinhagen
Mit Schauspielern kennt sich Ansgar B. eigentlich aus. Er hat schon als Regieassistent gearbeitet und ist inzwischen in leitender Funktion bei der Künstlervermittlung der Arbeitsagentur tätig. Als er sich vor sechs Jahren aber meldete, um beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) auszuhelfen, traf er auf jemanden, der die Rolle seines Lebens spielte: einen Oberleutnant der Bundeswehr, der sich als syrischer Flüchtling ausgab. Der Mann, Franco A., soll geplant haben, einen rechtsterroristischen Anschlag zu begehen.
Am Donnerstag erscheint B. als Zeuge vor Oberlandesgericht Frankfurt am Main, um davon zu berichten. Dort muss sich derzeit Franco A. verantworten. Die Bundesanwaltschaft wirft dem 32-Jährigen die Vorbereitung eines Anschlags vor, dem Menschen zum Opfer fallen sollten, die sich durch ein besonders „flüchtlingsfreundliches Engagement“ auszeichneten. So steht es in der Anklageschrift. Der Offizier habe sich zu diesem Zweck 2015 selbst als syrischer Asylsuchender registriert. Seine Tat sollte auf Geflüchtete zurückfallen, um damit die Stimmung im Land kippen zu lassen.
Wie gelang es dem gebürtigen Offenbacher, dem die Ermittler eine „völkisch-nationalistische Gesinnung“ attestieren, den Behörden erfolgreich vorzuspielen, er sei ein Bürgerkriegsflüchtling aus Aleppo? Überraschend einfach, wie sich am Donnerstag herausstellt.
Wer Fragen stellte, galt als „Klugscheißer“
Bearbeitet wurden die vielen Asylanträge in jenen Jahren nach einer mündlichen Anhörung beim BAMF von sogenannten Entscheidern. Darunter waren auch Angestellte des öffentlichen Dienstes, die wie Ansgar B. eigentlich in anderen Ämtern arbeiteten, aber aufgrund der hohen Last aushalfen. Ungefähr sieben Anträge am Tag habe er erledigen sollen, berichtet B. Ihm und seinen Kollegen seien dabei nur relativ eindeutige Fälle vorgelegt worden. Bei der eigentlichen Anhörung sei er nie dabei gewesen, habe stattdessen nur das Protokoll und andere Akteninhalte ausgewertet, ohne die Antragsteller je zu Gesicht zu bekommen.
Die Anweisung, die er bekommen habe, sei dabei sehr klar gewesen: Syrische Staatsbürger erhalten in der Regel einen positiven Bescheid, mindestens subsidiären Schutz, ein Aufenthaltsrecht auf Abruf. Damals tobte schließlich der Bürgerkrieg in dem Land.
Ansgar B. berichtet, er habe bereits als „Klugscheißer“ gegolten, weil er mitunter auf Unstimmigkeiten in den vorgelegten Akten hingewiesen habe. Man habe ihm gesagt, er solle sich nicht mit Nebensächlichkeiten aufhalten. Wenn bei der mündlichen Anhörung keine Zweifel an der Herkunft aus Syrien aufgekommen seien, dann habe er davon auszugehen, dass der Antragssteller auch Syrer sei. Es sei vor allem das Ziel gewesen, allen Antragsstellern zunächst einmal einen Status zuzuweisen, der später dann überprüft würde.
Franco A. nutzte das Verfahren aus
Diese Situation hat Franco A. ausgenutzt. Der Soldat stellte sich den Behörden als David Benjamin vor: Katholik, französischstämmig und deshalb des Arabischen, immerhin Amtssprache in Syrien, kaum mächtig. Eine abenteuerliche Geschichte. Genauer fragte aber niemand nach, auch nicht bei der Anhörung. Davon hat sich das Gericht schon mithilfe eines Audiomitschnitts überzeugt.
In dem Asylbescheid, den B. schließlich auf Basis jener Anhörung ausfertigte, hieß es dazu schlicht: „Der Antragssteller trug im Wesentlichen vor, wegen der allgemeine Gefahren des Bürgerkriegs Syrien verlassen zu haben. Weil er einen jüdisch klingenden Namen habe, habe er sich in Syrien nicht akzeptiert gefühlt. Des Weiteren sei er als Christ vom ‚Islamischen Staat‘ bedroht worden.“
Das klinge schon komisch, räumt der frühere BAMF-Entscheider B. als Zeuge ein. Offensichtlich wurmt es ihn, dass er damals nicht eingeschritten ist, auch wenn er sich an den konkreten Fall nicht mehr erinnern kann. Man mache ihm persönlich keinen Vorwurf, sagt der Vorsitzende Richter Christoph Koller, aber die Anerkennung des Angeklagten als Schutzbedürftigen sei schon „superpeinlich“ für das BAMF.
Wollte der Angeklagte nur Missstände aufdecken?
Der Angeklagte hat bereits zugegeben, sich fälschlicherweise als Syrer ausgegeben zu haben. Er bestreitet aber, einen Anschlag geplant zu haben. Stattdessen sei es ihm darum gegangen, mögliche Mängel im Asylsystem offenzulegen. In der „Flüchtlingskrise“ sei von der Regierung „so offenkundig gegen die Interessen der Bundesrepublik“ verstoßen worden, dass er das nicht habe hinnehmen können, hatte A. ausgesagt.
Auch seine Verteidiger versuchen, A. seit Prozessbeginn als couragierten Bürger darzustellen. Dabei klingen allerdings auch immer wieder Schlagworte an, die auch unter Rechtspopulisten kursieren. Sein Mandant habe nur „Asylmissbrauch“ aufdecken wollen, hatte Anwalt Johannes Hock am ersten Prozesstag argumentiert. Da sei nichts Staatsgefährdendes zu erkennen. Sein Kollege Moritz David Schmitt-Fricke behauptete, das Regierungshandeln in Deutschland sei von „Willkür und Rechtsverachtung“ geprägt. „Interessierte Kreise“ hätten die Kontrolle über das Bundesgebiet aufgegeben, als 2015 derart viele Asylsuchende ins Land gekommen waren.
Die Aussage des zeitweiligen BAMF-Entscheiders am Donnerstag passt der Verteidigung entsprechend gut ins Konzept. Hock scherzt, man müsse die Öffentlichkeit ausschließen, da die Ausführungen des Zeugens dazu geeignet seien, dem Ansehen der Bundesrepublik zu schaden. Und sein Kollege Schmitt-Fricke will so viele Details zu den Abläufen im BAMF erfragen, dass Richter Koller ihn ermahnt, man sei hier nicht in einem Untersuchungsausschuss, der sich mit den Fehlern des Amts befasse, er möge doch Fragen zur Sache stellen. Der Anwalt antwortet, dann habe er keine weiteren.