Pure Dummheit, gezielte Provokation oder einfach ein deutliches Signal an die Neonazi-Szene? Im Berliner Wahlkampf sorgt die NPD derzeit mit einem fragwürdigen Plakat für Aufsehen. „Gas geben!“, steht als Parole auf den Postern, die in der ganzen Stadt hängen. Die Assoziation mit den Massenmorden in der NS-Diktatur in den Gaskammern der Konzentrationslager drängt sich auf.
Doch unter dem Slogan sitzt der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt auf einem Motorrad. Ein Wortspiel im Bezug auf das Motorrad und den Wunsch, „endlich in der Berliner Politik Gas zu geben“, heißt es von der NPD. Politiker von SPD, CDU, Linken, Grünen und FDP protestieren gegen das „unsägliche“ Motiv. Andreas Gram (CDU), Vorsitzender des Rechtsausschusses im Abgeordnetenhaus, bezeichnet die Plakate als „menschenverachtend“. Doch juristisch dagegen vorzugehen, scheint aussichtslos.
Die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“, die sich für die Bundesregierung um die Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern kümmert, stellte trotzdem Strafanzeige wegen Volksverhetzung. Die Kampagne der NPD sei „widerwärtig, volksverhetzend und unerträglich“, sagte der Stiftungsvorsitzende Martin Salm.
Besonders empört sind Anwohner und Politiker darüber, dass die umstrittenen Plakate auch direkt vor dem Jüdischen Museum und dem Holocaust-Mahnmal am Potsdamer Platz aufgehängt wurden. Das Ordnungsamt hat den Fall bereits geprüft, doch auch hier gibt es rechtlich keine Handhabe gegen die rechte Propaganda. Bei Polizei, Landeswahlleitung und den Bezirksämtern gingen schon Dutzende Beschwerden über das Plakat ein.
Szene-Kenner überrascht die platte und unvorsichtige Wahlkampftaktik der NPD. Vorausgesetzt der Spruch soll tatsächlich als positiver Bezug auf den Holocaust verstanden werden, dürfte das Plakat der Partei mehr Schaden als Nutzen bringen: Knallharte Neonazis machen ihr Kreuz sowieso schon bei der NPD, gemäßigtere Wähler, rechts von der CDU, werden von dem Plakat abgeschreckt. Auf rechtsextremen Websites wird bereits kritisiert, dass die NPD mit dem Plakat „weiter auf der Nostalgie-Schiene“ fahren würde.
Dabei hat die NPD schon in ihrer Wahlkampfzeitung nicht an NS-Nostalgie gespart. „Ein deutscher Vorname, der etwas aus der Mode gekommen ist“, wird in einem Kreuzworträtsel in dem Blatt gesucht, das tausendfach in den Briefkästen Berlins gelandet ist. Hat der Leser genügend Felder ausgefüllt ergibt sich das Lösungswort: „Adolf“. An anderer Stelle wird nach einem „deutschen Politiker und Friedensflieger“ gesucht. Gemeint ist Hitlerstellvertreter Rudolf Heß. Auch die Abkürzung für den Begriff Nationalsozialismus wird bei den „Kameraden“ abgefragt. Die Provokation der Parteispitze mit dem Nazi-Kreuzworträtsel überraschte selbst hartgesottene Parteimitglieder und verursachte intern massive Kritik.
Auch um den NPD-Wahlwerbespot gibt es viel Ärger. Der RBB hatte vergangene Woche entschieden, den Wahlwerbespot nicht auszustrahlen. Nach Auffassung des Senders verstößt er gegen geltendes Recht. „Der Spot erweckt den Eindruck, dass dort genannte und gezeigte Straftaten ausschließlich von ausländischen Mitbürgern begangen wurden und ist damit geeignet, diesen Teil der Bevölkerung zu beschimpfen, verächtlich zu machen oder zu verleumden“, sagte ein RBB-Sprecher. Zwar erfülle der Werbefilm nicht den Straftatbestand der Volksverhetzung, „Unbeschadet dessen kann der RBB aber die Ausstrahlung ablehnen, wenn der Spot einen evidenten und schwerwiegenden Verstoß gegen die allgemeinen Gesetze enthält.“ Linksfraktionschef Udo Wolf, hatte RBB-Intendantin Dagmar Reim in einem Brief gebeten, auf die Ausstrahlung zu verzichten und den Spot rechtlich zu prüfen.
Die NPD hat rechtliche Schritte angekündigt. Da die Partei es versäumt hat, pünktlich einen neuen Werbefilm beim RBB abzuliefern, wurde die Abendschau, an deren Ende die Wahlspots laufen, einfach um einige Minuten verlängert. Der nächste Sendetermin, zu dem der RBB verpflichtet wäre, ist am 9. September. Bis dahin hoffen die Rechtsextremisten auf eine Gerichtsentscheidung.