Nach außen provozieren, nach innen traditionelle Oppositionsarbeit mit landespolitischen Themen: Seit 2004 sitzt die NPD im sächsischen Landtag. Eine genaue Betrachtung der Arbeit der Mandatsträger zeigt, wie die systemfeindliche Partei einen Balanceakt zwischen Klientelpolitik und der Erschließung neuer Wählerkreise vollführt. Von Armin Glatzmeier
„Na endlich mal wieder ein ‚Eklat‘“ schrieb die parteiferne rechtsextreme Internetplattform Altermedia am 9. Mai 2007. Die sächsische NPD-Fraktion hatte am selben Tag das Parlament als Plattform genutzt, um mit Worten wie „Wohlstandsneger“ und „schwarz-rot-gelb-grüne Volksabwickler“ Stimmung gegen Zuwanderer und das parlamentarische System zu machen. Ein bewusst provozierter Eklat, der von den internen Turbulenzen der NPD-Fraktion ablenken sollte. Viel zu selten habe nach Meinung der rechtsextremen Medienmacher von Altermedia die sächsische NPD das Parlament in diesem Sinne genutzt: Doch mit dem „Wohlstandsneger“ „dürfte er [Holger Apfel] in der Tat etlichen Deutschen aus der Seele gesprochen haben.“
Sicher steht die Meinung von Altermedia nicht für die Freien Kräfte insgesamt. Dennoch dokumentiert das Internetportal einen Teil der Rechtsextremen, die eine Partei bzw. einen parlamentarischen Arm der Bewegung für überflüssig halten. Zustimmung erfährt die NPD lediglich, wenn sie den durch parlamentarische Immunität geschützten Raum zur Verbreitung rechtsextremer Positionen nutzt. Mit parlamentarischem Alltagsbetrieb sammelt sie hingegen wenige Pluspunkte.
Dabei versucht die NPD gerade im Parlament immer wieder, sich als Anti-System-Partei zu inszenieren. Der Vorwurf, dem sich die NPD aus den freien, extrem rechten Kreisen ausgesetzt sieht, nämlich dass sich die Mandatsträger insbesondere durch Inaktivität auszeichnen, greift bei einer genauen Betrachtung der parlamentarischen Arbeit der Sachsen-NPD nicht: Die rechtsextreme Partei nutzt insbesondere das Instrument der „Kleinen Anfrage“, ein klassisches parlamentarisches Kontrollmittel wie es auch andere Oppositionsparteien etwa Die Linke verwenden. Einzelne Landtagsmitglieder können damit Fragen zu einem bestimmten Gegenstand an die Landesregierung richten. Die Beantwortung erfolgt in der Regel schriftlich. 2518 solcher „Kleiner Anfragen“ stellte die NPD seit ihrem Einzug in den Dresdner Landtag bis März 2009. Zum Vergleich: Die Linke kommt auf 4437 solcher Anfragen, die FDP auf 1397. Von Inaktivität kann also im Vergleich mit anderen Oppositionsparteien nicht die Rede sein.
Inhaltlich bedient die NPD die Interessen der extremistischen Stammklientel: „Linksextremistischer Gewalt“, „polizeilichen Maßnahmen gegen rechtsextreme Veranstaltungen“ und „Ausländerkriminalität“, sind eigentlich die Themen, die den parteifernen, freien Kräften entgegen kommen sollten. Themen, die die NPD zum Gegenstand zahlreicher „Kleiner Anfragen“ machte. Und auch der einzige eigenständige Gesetzesentwurf der NPD zum sächsischen Versammlungsgesetz, der insbesondere darauf abzielt, einen möglichst störungsfreien Ablauf rechtsextremer Aufmärsche zu gewährleisten, orientiert sich stark am Bedürfnis der Stammklientel. Doch eignen sich diese Themen nur selten für spektakuläre parlamentarische Inszenierungen und werden kaum öffentlich wahrgenommen. So nimmt die ohnehin nur mäßig vorhandene Begeisterung für die parlamentarische Arbeit in den radikalen Kreisen immer weiter ab.
Hinzu kommt, dass der sogenannte „Kampf um die Parlamente“ strategische Zugeständnisse der NPD an die gemäßigte Wählerschaft fordert, und so stehen landespolitische Themen bei der rechtsextremen Partei genauso wie bei den anderen Fraktionen an vorderster Stelle: HartzIV, Straßenbau und Schulpolitik. Die NPD stellt sich nun auch als „Anwalt der kleinen Leute“ dar, als Partei die sich nicht nur für das Demonstrationsrecht des harten Kerns einsetzt, sondern sich auch gegen Lehrermangel, Unterrichtsausfall und teure Schulwege stark macht. Diese Themen ähneln stark denen der anderen Fraktionen im sächsischen Landtag und das Programm ist vor allem einem Ziel geschuldet: Wählergruppen über die extremistische Kernklientel hinaus zu gewinnen. Die NPD versucht auf diese Weise das Bild einer bürgerlichen Protest-Alternative aufrecht zu erhalten, das sie sich mit Bürgerbüros und Familienfesten in einigen Regionen Ostdeutschlands erarbeitet hat. Für die bisher eng mit der NDP im Wahlkampf kooperierenden freien Kräfte ist das „Weichspül-Programm“ aber nichts anderes als der Abschied von der ursprünglichen Ideologie der Partei. Hinzu kommt, dass die NPD bundesweit durch Führungskrise, Kemna-Affäre und ihr Hegemoniebestreben die Zustimmungen der freien Kräfte verliert. Von der Abkehr vom „Nationalen Sozialismus“ und von „VerREPsung“ sprechen diese in den einschlägigen Internetportalen.
Und auch die Sachsen-NPD hatte einen konkreten Anteil an dem aktuellen Zerwürfnis zwischen der Partei und den Freien Kräften: Am 8. November 2008 fand im sächsischen Reichenbach eine Demonstration der Freien Kräfte unter dem Motto „Schluss mit der Steuergeldverschwendung – Antirechtsprogramme stoppen“ statt, an der sich auch NPD-Politiker beteiligten. Dabei sorgte unter anderem Jürgen Gansel mit seinem Versuch, Einfluss auf die Rednerliste zu nehmen, für Verärgerung. Massiven Unmut zog sich die Partei aber zu, als sich NPD-Teilnehmer gegen die Parole „Nationaler Sozialismus – Jetzt“ aussprachen. Die Folge: Das Wahljahr 2009 begann für die sächsische NPD mit Parteiaustritten und der Gründung des Vereins „Freies Nationales Bündnis e.V.“. Dieser wurde als Reaktion auf die Vorfälle in Reichenbach von den nunmehr ehemaligen NPD-Stadträten Nicole Fortak und Olaf Martin ins Leben gerufen. Der Verein sieht sich selbst als Dachorganisation eines „völkischen Sozialismus“ und strebt laut Satzung „die überparteiliche und unabhängige Wirksamkeit in Kommunal- und Landesparlamenten der BRD an“. Damit positioniert sich die Gruppe um Fortak und Martin als Wahlalternative zur NPD – mit dem Ziel, den Einfluss der parteifreien Kräfte zu stärken.