Immer wieder ist von den Versuchen der NPD, den Freien Kameradschaften und anderen organisierten oder unorganisierten Nazis zu hören, über eine kommunale Verankerung in die Mitte der Gesellschaft vorzurücken. Dass diesen Versuchen effektiv begegnet werden kann, zeigt eine Feuerwehr in Thüringen. Ein Beispiel, das Mut macht und zur Nachahmung empfohlen ist.
Neben der üblichen Gewalt auf der Straße und der aggressiven Einschüchterung von politischen Gegnern und Minderheiten versucht sich die Nazi-Szene immer wieder an bestimmten Punkten auch gut-bürgerlich zu geben. Da wird in sogenannten Bürgerbüros Hilfe „nur für Deutsche“ angeboten, es gibt „nationale Kinderfeste“ und gezielt werden Sportvereine, Eltern- und Bürgerinitiativen, Schützengilden oder Feuerwehren, inbesondere im ländlichen Raum unterwandert.
Mut gegen Rechte Gewalt berichtet nun von einem erfolgreichen Versuch der Gegenwehr (aus dem kürzlich erschienen Buch: Christoph Ruf / Olaf Sundermeyer: „In der NPD – Reisen in die National Befreite Zone“ Beck´sche Reihe, 2009, 12,95 €):
„Wir schicken unsere Leute in die Freiwilligen Feuerwehren, um dort die Arbeit zu machen, die Feuerwehren machen“, sagt der NPD-Landesvorsitzende für Thüringen, Frank Schwerdt, „aber möglicherweise sind das auch gesellschaftliche Zusammenschlüsse, bei denen man sich nicht nur über die Feuerwehr unterhält.“ Sondern auch über Politik. Deshalb arbeiten Funktionäre wie Schwerdt längst daran, die Freiwilligen Feuerwehren auf dem Land zu unterwandern.
„Mit rührigen NPD-Mitgliedern wie dem jungen Tommy F. aus Schleusingen im Thüringer Wald. Kaum hatte sich dort vor ein paar Jahren der NPD-Kreisverband gegründet, wollte F. in den Sportverein seiner Heimatstadt eintreten, und schließlich in die Freiwillige Feuerwehr – um sich bekannt zu machen für das anstehende Superwahljahr. Thüringen, das Bundesland in der Mitte Deutschlands, ist besonders hart umkämpft. Die NPD will hier – nach Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern – unbedingt in einen dritten Landtag einziehen. Die Chancen stehen gar nicht schlecht. Auch weil Leute wie F. über Jahre im sogenannten „vorpolitischen Raum“ agitiert haben und häufig die Alltagskultur prägen.
Bei manchen Feuerwehren auf dem Land kommt das völkische Getue der Neonazis offenbar gut an: Wie etwa im brandenburgischen Groß Gaglow, wo im vergangenen Jahr Fotos von Feuerwehrmännern auftauchten, die bei einer Übung blaue Hemden trugen, mit der Aufschrift „Flink wie Windhunde, zäh wie Leder, hart wie Kruppstahl“. Ein Zitat Adolf Hitlers, mit dem er sein Idealbild der deutschen Jugend beschrieb. Solche Hemden hätten Tommy F. und seiner Clique wohl auch gefallen. Sein Kumpel Alex posierte halbnackt vor einer Hakenkreuzfahne an der Kinderzimmerwand für ein Foto, „weil das für mich ein starkes Symbol für Deutschland ist“. Ein Mädchen trägt zwei Fingerringe mit Hakenkreuz, bei einem Grillabend grüßt man sich schon mal mit dem gestreckten rechten Arm. Frenck selbst hat sich eine Reichskriegsfahne ins Wohnzimmerfenster gehängt – als Gardine.
Solche Leute also schickt die NPD in die Feuerwehr. Aber die hatte in Schleusingen keine Lust auf Neonazis, denn die sorgten hier lange Zeit für Ärger. Linke Jugendliche wurden körperlich drangsaliert. F. selbst wurde wegen gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen, weil er einem Kubaner eine volle Bierflasche auf den Kopf schlug. Im Asia-Shop und im Dönerladen flogen Steine durch die Fensterscheiben, mehrfach wurde der Gedenkstein für die ehemalige Synagoge geschändet, ausländische Touristen wurden angepöbelt – von der Bande in Bomberjacken, die damals den Marktplatz beherrschte.
Schließlich erklärte F. Schleusingen zur Frontstadt, unterstützt von Neonazis aus ganz Thüringen, die nach und nach in die NPD eingetreten sind. Inzwischen gilt der Landesverband als besonders jung und radikal, gespickt mit verurteilten Gewalttätern und Leuten, die sich selbst als Nationalsozialisten bezeichnen. Gemeinsam wollten sie Schleusingen zum Kampfplatz ihrer Ideologie umkrempeln. Bei einem Fackelmarsch zum Rathaus kündigte F. sogar an, die Stadt zu übernehmen. „Eines Tages wird auch in Schleusingen ein NPD-Bürgermeister regieren.“ Unterdessen erhielt der tatsächliche Bürgermeister, Klaus Brodführer (CDU), Morddrohungen, im Rathaus traf eine Bombendrohung ein.
„Das war wie eine Filmszene aus dem ‚Dritten Reich‘, beängstigend, erdrückend“, erinnert sich Brodführer, „da war allen klar: Hier wird nicht mehr gespaßt, hier wird es ernst.“ Lange Zeit hatte Brodführer zu denen gehört, die das Problem mit den Rechten nicht wahrhaben wollten. So wie viele seiner Kollegen in der anfälligen Provinz. „Aber ich habe dazugelernt“.
Die Stadt fühlte sich ohnmächtig; Brodführer versuchte, Aufmärsche und Infostände der NPD zu verbieten – ohne Erfolg, die Partei klagte ihre Rechte ein. Zur selben Zeit stellte F. seinen Antrag um Aufnahme bei der Freiwilligen Feuerwehr, wo die Anfrage des stadtbekannten rechten Schlägers überraschte. Sein Wunsch wurde ihm nicht erfüllt; Wehrführer Jürgen Grobeis lehnte ihn ab. Denn er benahm sich nicht wie einer, dem das Gemeinwohl am Herzen liegt.
Nachdem auch Klaus Brodführer als Dienstherr der Feuerwehr der Empfehlung des Wehrführers folgte, widersprach F. beim Landratsamt. Mit Erfolg. Jeder, der die körperlichen Voraussetzungen erfüllt, darf gemäß Feuerwehrgesetz mitmachen. Wieder eine Niederlage für die Demokraten in der Auseinandersetzung mit dem Neonazi. Brodführer suchte also Rat – bei seinem Sohn. Der büffelte damals in Jena für das juristische Staatsexamen, und fand eine Lösung, die am Ende funktionierte: Wehrführer Grobeis teilte seinem Dienstherrn schriftlich mit, dass er nach 30 Jahren Mitgliedschaft in der Schleusinger Feuerwehr aus derselben austreten werde, sofern Tommy F. eintritt. „Sollte es zu einer Aufnahme des Herrn F in die Freiwillige Feuerwehr Schleusingen kommen, werden die Kameraden ihre Tätigkeit niederlegen und aus der Feuerwehr austreten.“ Anlage: eine handschriftliche Notiz mit 43 Unterschriften von Schleusinger Feuerwehrleuten: „Ich schließe mich der Auffassung des Kameraden Jürgen Grobeis mit allen Konsequenzen an und werde bei einem positiven Bescheid über den Eintritt des Herrn F. in die Feuerwehr Schleusingen ebenfalls meinen Austritt aus der Fw Schleusingen erklären.“ Ein anderer Feuerwehrmann begründete seinen Entschluss so: „Ich kann nicht zum Verkehrsunfall kommen, und da ist ein Farbiger im Auto eingeklemmt, und ich habe dann so einen dabei. Darauf kann ich mich nicht verlassen!“
F’s erneuter Widerspruch gegen den Bescheid der Stadt wurde vom Amt für Kommunalaufsicht schließlich zurückgewiesen. „In der konkreten Situation war dem Bürgermeister nicht zuzumuten, im Interesse einer einzelnen Person die Arbeitsfähigkeit der gesamten Freiwilligen Feuerwehr Schleusingen zu gefährden. Ihr Widerspruch war daher als unbegründet zurückzuweisen.“
Die Feuerwehr ist immer stolz darauf, dass ihre Kameradschaft über den Neonazi gesiegt hat. „Wenn die merken, dass eine Truppe zusammensteht, sind die ganz schnell verschwunden, wie der Herr F.“, heißt es bei der Feuerwehr. Tommy F. ist nach der Abfuhr umgezogen, in eine Stadt, die nun ihrerseits darüber nachdenkt, wie sie mit dem Neonazi fertig wird.
Schön zu lesen, wie einfach es sein kann, die Nazis durch geschlossenes Handeln in ihren Versuchen zu behindern, in die Mitte der Gesellschaft vorzudringen.
Sind die Nazis erst einmal in den Strukturen verankert, haben sie die Möglichkeit mit ihren gewaltätigen und einschüchternden Methoden die Dominanz in den Vereinen zu erlangen. Umso wichtiger ist ein frühzeitiges konsequentes Handeln. Die Feuerwehr in Schleusingen hat dies eindrucksvoll vorgemacht.