Lesezeichen
 

Wir müssen draußen bleiben

„Gut gemeint“ heißt noch lange nicht „gut gemacht“. So könnte man vielleicht zusammenfassend bewerten, was gerade in Köln-Dellbrück passiert: Geschäftsleute installieren Klingeln an ihren Geschäften, die Rampen ersetzen sollen, berichtet der Kölner Stadtanzeiger. Die Geschäftsleute sollen dann, wenn ein Rollstuhlfahrer klingelt, ihm über die Stufen helfen oder ihn auf der Straße bedienen.

Weiter„Wir müssen draußen bleiben“

 

Bundesregierung blockiert Ratifizierung des Marrakesch-Vertrages

Sich eigenständig informieren zu können und Zugang zu Bildung zu haben, ist in Deutschland selbstverständlich. Das Recht auf Bildung ist ein grundlegendes Menschenrecht. Das sollte eigentlich auch für blinde und sehbehinderte Menschen gelten und auch für Menschen, die beispielsweise nicht in der Lage sind, ein Buch in der Hand zu halten und es deshalb in elektronischer Form benötigen. Wer aber beispielsweise blind ist, den lässt die Bundesregierung im Regen stehen. Denn sie blockiert auf europäischer Ebene seit Jahren den Vertrag von Marrakesch.

Weiter„Bundesregierung blockiert Ratifizierung des Marrakesch-Vertrages“

 

Bayern soll barrierefrei werden

Die SPD in Bayern hat das Thema Barrierefreiheit entdeckt. Mit einem Landesparteitag zur Barrierefreiheit hat die SPD in Bayern jetzt eine Kampagne zu dem Thema gestartet. SPD-Landtagsabgeordnete wollen zu dem Thema parlamentarische Initiativen starten, das Thema so publik machen und damit gleichzeitig Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) den Wind aus den Segeln nehmen, der die Barrierefreiheit von Bayern bis 2023 bereits zugesagt hatte.

Weiter„Bayern soll barrierefrei werden“

 

„Barrierefreier Zugang? Wo sind wir denn?“

Der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll sieht die österreichische Gastrokultur bedroht – durch die Vorgaben zur Barrierefreiheit. Allerdings musste er diese Woche lernen: Die Zeiten, in denen Politiker damit punkten konnten, dass sie Barrierefreiheit als Zumutung verteufelten, sind auch in Österreich vorbei.
Weiter„„Barrierefreier Zugang? Wo sind wir denn?““

 

Nicht alleine ins Schwimmbad

Zehn Jahre lang geht Angelika Höhne-Schaller in ihrem örtlichen Bad alleine schwimmen. Dann übernimmt die Stadt selber den Betrieb des Bades. Seitdem wird der Frau, die sehbehindert ist, der Zugang zum Schwimmbad verweigert, wenn sie keine Begleitperson mitbringt. Mit dieser Posse schafft es gerade die Titania-Therme im schwäbischen Neusäß bundesweit in die Medien.

Thermen-Chef und Stadtbaumeister Dietmar Krenz sagt: „Wir haben eine gewisse Verantwortung für unsere Benutzer und die nehmen wir auch ernst.“ Die Verantwortung sieht er darin, behinderten Besuchern den Zugang zum Bad grundsätzlich zu verweigern, wenn diese keine Begleitperson mitbringen. Die Schwimmbadsatzung sieht das genauso vor. Sie setzt behinderte Besucher mit Kindern unter acht Jahren gleich. Die Frau zieht jetzt gegen die Stadt vor Gericht. Sie will sich nicht aufgrund ihrer Sehbehinderung diskriminieren lassen.

Kein Einzelfall

Wer glaubt, das sei ein Einzelfall, der irrt. Von Schwimmbädern, über Diskotheken bis hin zu Kinos, es gibt immer noch Serviceanbieter und Dienstleister, die behinderte Menschen als Sicherheitsrisiko und nicht als Kunden ansehen. Fast könnte man den Eindruck gewinnen, in der deutschen Bäderlandschaft geht die Zeit rückwärts. Vor 20 Jahren konnte ich als behindertes Kind und Jugendliche problemlos alleine in jedes Schwimmbad. Warum heutzutage behinderten Erwachsenen der Zugang verweigert wird, ist kaum zu erklären. Die Welt redet von Inklusion behinderter Menschen in die Gesellschaft, während die Bäderbetreiber ihre Türen für behinderte Menschen verschließen.

Schon 2006 hatte der Deutsche Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf (DVBS) von den deutschen Bädern verlangt, dass diese ihre Satzungen ändern. Damals war in Sindelfingen einer blinden Frau der Zugang ins Schwimmbad verweigert worden. Dabei geht es in den wenigsten Fällen um konkrete Gefahren, sondern um Hysterie und Diskriminierung.

Falsche Einschätzungen von außen

Wie selbstverständlich behinderten Menschen aber die eigene Urteilsfähigkeit abgesprochen wird, zeigt die Stadt Neusäß eindrucksvoll. Man traut der Frau nicht zu, dass sie sich alleine orientieren kann, sagt das Bad. Es sei zu laut für sehbehinderte Besucher, die Rutschen zu gefährlich, es könnte eine Tasche im Weg stehen. Dabei maßt man sich an, zu beurteilen, was die Kundin kann und was sie nicht kann, obwohl sie seit zehn Jahren beweist, dass sie das Bad problemlos nutzen kann. Wenn man bedenkt, wie viele Vorurteile und falsche Vorstellungen es über Behinderung, in dem Fall über Sehbehinderung gibt, gehen solche Einschätzungen von außen fast immer schief.

Was ein einzelner behinderter Mensch kann oder nicht, ist höchst individuell. Während sich vielleicht ein gerade frisch erblindeter Mensch schwer tut, sich überhaupt zu orientieren, ist es für einen gut geübten blinden Menschen kein Problem, durch den Straßenverkehr zu navigieren oder sich eben in einem Schwimmbad zurechtzufinden. Angelika Höhne-Schaller verfügt sogar über eine Restsehfähigkeit. Aber auch vollblinde Menschen sind durchaus in der Lage, sich alleine zurechtzufinden, wenn sie zum Beispiel gelernt haben, sich mit einem Blindenlangstock zu orientieren. Dafür gibt es ein Mobilitätstraining. Alle behinderten Menschen über einen Kamm zu scheren, ist sicher nicht die Lösung und nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz und der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen wohl auch rechtswidrig.

Behinderte Menschen sind keine Kinder

Der Neusäßer Bürgermeister Richard Greiner kann nicht verstehen, dass Angelika Höhne-Schaller vor Gericht ziehen will, um sich ihr Recht auf den selbstbestimmten Schwimmbadbesuch zu erkämpfen. „Wir gehen so vor, wie es sachgerecht ist“, teilte er mit. Das ist wohl genau das Problem: Es geht hier nicht um eine Sache, die man vom Schreibtisch aus regulieren kann, sondern um Menschen, die am gesellschaftlichen Leben teilnehmen möchten und daran gehindert werden. Inklusion muss nicht immer viel kosten. Manchmal reicht es, wenn einige Verantwortliche ihre Vorurteile ablegen und behinderte Menschen nicht behandeln wie Kinder.

 

Auf dem Weg zur Inklusion – die wichtigsten Themen 2015

Das Jahr hat gerade erst angefangen, aber dennoch ist abzusehen, dass es gerade was Inklusion und Teilhabe behinderter Menschen angeht, ein wichtiges Jahr werden könnte. Das sind die Themen, die für 2015 auf der Agenda stehen:

Schulische Inklusion

Es war schon 2014 ein Dauerbrenner und wird auch 2015 weiter für Diskussion sorgen: Die schulische Inklusion. Zwar gibt es mit der UN-Behindertenrechtskonvention einen Rechtsanspruch auch für behinderte Kinder eine Regelschule zu besuchen, aber wie dieser Anspruch in die Praxis umgesetzt werden soll, darüber gibt es sehr viel Diskussionsbedarf.

Es fehlt an Konzepten, barrierefreien Schulen, Rückzugsmöglichkeiten, geschulten Lehrkräften, Assistenz und vor alle am Geld. Inklusion ist sicher keine Sparmaßnahme, sondern eine Investition in die Zukunft der Kinder. Wer glaubt, mit schulischer Inklusion sparen zu können, hat nicht verstanden was Inklusion bedeutet: Individuelle Förderung und die kostet Geld.

Staatenprüfung

Die Bundesrepublik Deutschland hat als einer der ersten Staaten die UN-Behindertenrechtskonvention 2007 unterzeichnet und 2009 ratifiziert. Damit ist sie in Deutschland verbindlich und ihre Einhaltung wird regelmäßig von der UNO kontrolliert.

Die UN-Behindertenrechtskonvention sieht eine regelmäßige Überprüfung der Vertragsstaaten vor. Bei dieser Kontrolle wird überprüft, ob ein Land die garantierten Rechte für behinderte Menschen auch einhält. Die Staatenprüfung Deutschlands wird in der 13. Sitzung des UN-Fachausschusses in Genf erfolgen, die vom 25. März bis zum 17. April 2015 anberaumt ist. Im Vorfeld musste die Bundesregierung bereits einen Fragenkatalog beantworten. Er enthält 25 Fragen. Es geht bei den Fragen beispielsweise um den Schutz vor Diskriminierung behinderter Menschen oder auch um die Verpflichtung zur Barrierefreiheit von privaten Trägern. Natürlich steht auch das Thema schulische Inklusion auf der Fragenliste.

Nach Abschluss der Staatenprüfung wird der Fachausschuss seine „Abschließenden Bemerkungen“ („Concluding Observations“) veröffentlichen. Das sind konkrete Handlungsempfehlungen, um die Teilhabe behinderter Menschen in Deutschland zu verbessern.

Bundesteilhabegesetz

Dass das Gesetz kommt, steht wohl fest. Die Frage ist, was wird im neuen Teilhabegesetz stehen? Bis Mitte 2015 soll das Bundesteilhabegesetz entwickelt und bis Mitte 2016 im Bundestag und Bundesrat beschlossen werden. Eine der wichtigsten Forderungen ist, Menschen, die auf persönliche Assistenz angewiesen sind, nicht länger arm zu halten, sondern die Finanzierung der Assistenz einkommensunabhängig zu regeln, damit auch Menschen wie Raul Krauthausen mehr als 700 Euro mit nach Hause nehmen können, wenn sie arbeiten.

Das Forum behinderter Juristinnen und Juristen hat einen Gesetzentwurf und ein Eckpunktepapier erarbeitet.

Antidiskriminierungsrichtlinie der EU

Vielleicht wird 2015 das Jahr, in dem Deutschland endlich seine Blockade gegen eine weitere Antidiskriminierungsrichtlinie der Europäischen Union aufgibt, durch die der diskriminierungsfreie Zugang für alle Menschen zu Dienstleistungen und Gütern verankert werden soll.

Was in Großbritannien bereits seit 20 Jahren für behinderte Menschen zum Alltag gehört, könnte bald in der ganzen EU Wirklichkeit werden, wenn Deutschland sich nicht querstellt.

Seit 1995 gibt es im Königreich ein Gesetz, das es Unternehmen und Dienstleistern verbietet, behinderte Menschen zu diskriminieren, ihnen beispielsweise einen schlechteren Service als nichtbehinderten Kunden anzubieten. Außerdem verpflichtet das Gesetz Geschäftsinhaber angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Angebote barrierefrei zu machen.

Ein ähnliches Gesetz europaweit einzuführen, wäre ein Meilenstein auf dem Weg zur gleichberechtigten Teilhabe behinderter EU-Bürger und anderer Gruppen. Deutsche Behindertenverbände hatten die zuständige Ministerin Manuela Schwesig (SPD) bereits Ende 2014 aufgefordert, ihre Blockadehaltung bei der EU aufzugeben.

Spannendes Jahr

2015 könnte also was diese und andere Themen angeht eine wirklich spannendes Jahr werden. Ich hoffe, ich schaue in 12 Monaten nicht enttäuscht zurück.