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Aus Denkmalschutzgründen

Für die meisten Menschen ist es völlig normal, dann zur Toilette zu gehen, wenn sie müssen. Für Rollstuhlfahrer hingegen ist es leider völlig normal, nicht immer zur Toilette gehen zu können, wenn sie eigentlich müssten. Es gibt zu wenig barrierefreie Toiletten.

Als ich nach Großbritannien zog, wurde ich öfter gefragt, was für mich der größte Unterschied zwischen dem Leben in Großbritannien und Deutschland sei. Da musste ich nicht lange nachdenken: Ich konnte endlich dann zur Toilette gehen, wenn ich wollte. Großbritannien hat strenge Antidiskriminierungsbestimmungen, die wiederum direkten Einfluss auf Bauvorschriften haben. Wo eine barrierefreie Toilette zumutbar und machbar ist, muss es eine geben. Punkt. So weit ist Deutschland noch lange nicht. Weiter„Aus Denkmalschutzgründen“

 

Wir müssen draußen bleiben

„Gut gemeint“ heißt noch lange nicht „gut gemacht“. So könnte man vielleicht zusammenfassend bewerten, was gerade in Köln-Dellbrück passiert: Geschäftsleute installieren Klingeln an ihren Geschäften, die Rampen ersetzen sollen, berichtet der Kölner Stadtanzeiger. Die Geschäftsleute sollen dann, wenn ein Rollstuhlfahrer klingelt, ihm über die Stufen helfen oder ihn auf der Straße bedienen.

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UN: Stellt mehr Menschen mit Autismus ein

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki Moon, hat Arbeitgeber weltweit dazu aufgerufen, mehr Menschen mit Autismus einzustellen. Anlass ist der Welt-Autismus-Tag am 2. April. Zudem sollte es mehr Schulungen geben, damit mehr Verantwortliche lernen, wie man Menschen, die Autisten sind, besser in die Gesellschaft integrieren kann, so die UN weiter.
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Rückwärts einsteigen

„Sie steigen bitte rückwärts ein“, sagte die Mitarbeiterin der Seilbahn zu meinem Bekannten Kirk. Kirk ist sehr groß. Ich dachte noch so bei mir, dass es ja wohl doch ein bisschen übertrieben ist, ihn rückwärts einsteigen zu lassen. So groß ist er dann doch nicht und die Seilbahnkabine war auch nicht gerade klein.
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„Barrierefreier Zugang? Wo sind wir denn?“

Der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll sieht die österreichische Gastrokultur bedroht – durch die Vorgaben zur Barrierefreiheit. Allerdings musste er diese Woche lernen: Die Zeiten, in denen Politiker damit punkten konnten, dass sie Barrierefreiheit als Zumutung verteufelten, sind auch in Österreich vorbei.
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Schwer vermittelbar

Behinderte Menschen haben es auf dem Arbeitsmarkt weiter schwerer als nichtbehinderte Menschen, berichtete gestern Tagesschau.de. Laut der Bundesagentur für Arbeit sind sie in der Regel besser qualifiziert als nichtbehinderte Arbeitslose, aber dennoch deutlich länger ohne Job.

Kaum jemand mit einer Behinderung wird das überraschen, denn das ist leider die Erfahrung, die viele behinderte Menschen machen, wenn sie sich um einen Job bemühen. Selbst finanzielle Anreize für den Arbeitgeber und gute Beziehungen nutzen manchmal nichts. Wer eine Behinderung hat, hat es schwer, Arbeitgeber von den eigenen Fähigkeiten zu überzeugen. Kaum ein Vorurteil hält sich hartnäckiger in der deutschen Gesellschaft als das, dass Menschen mit Behinderungen nicht leistungsfähig seien. Und wer stellt schon gerne Mitarbeiter ein, die er für nicht leistungsfähig hält?

Zahnloser Tiger

Trotz Einser-Abitur und Top-Abschluss schaffen es viele doch nicht auf den ersten Arbeitsmarkt oder ihnen bleibt nach einem Unfall oder Krankheit verwehrt, im normalen Berufsleben wieder Fuß zu fassen. Dem soll die Schwerbehindertenquote entgegenwirken. Eigentlich ist jeder Arbeitgeber mit mehr als 20 Mitarbeitern verpflichtet mindestens 5 Prozent seiner Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen. Ansonsten müssen diese Unternehmen eine Ausgleichsabgabe zahlen. Wie gut dieses Instrument funktioniert, sieht man an den Arbeitslosenzahlen: Die Arbeitslosigkeit von Schwerbehinderten steigt, während die Arbeitslosigkeit insgesamt zurückgeht. Inklusion und gesellschaftliche Teilhabe sehen anders aus.

Hinzu kommt, von den knapp 143000 Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern, beschäftigen mehr als 37000 überhaupt keinen schwerbehinderten Menschen, berichtete der Tagesspiegel Anfang des Jahres.

Hoher Schadenersatz

Das heißt, das Instrument der Ausgleichsabgabe funktioniert teilweise überhaupt nicht und insgesamt nicht gut genug. Die Ausgleichsabgabe ist zum einen sehr niedrig. Es tut den Unternehmen nicht wirklich weh, sie zu zahlen. Zum anderen ist eine Quote auf Papier nichts wert, wenn sie viel zu viele ignorieren. Großbritannien hat die Quote daher schon vor Jahrzehnten abgeschafft und setzt stattdessen auf hohe Schadenersatzleistungen, wenn ein Arbeitgeber überführt wird, Bewerber aufgrund ihrer Behinderung abzulehnen oder behinderte Mitarbeiter zu diskriminieren.

Viele Arbeitgeber kontrollieren seitdem ihren Bewerbungsprozess, in dem sie darüber Statistiken führen, wie viele behinderte Bewerber sie hatten und wie viele davon einen Job bei ihnen bekommen haben. Vor allem bei großen Konzernen macht das durchaus einen Unterschied, denn nur so wird überhaupt einmal realisiert, wo die Probleme liegen und dass es welche gibt. Es fällt dann plötzlich auf, wenn eine Abteilung zwar diverse behinderte Bewerber hatte, aber dort kein einziger behinderter Mitarbeiter eingestellt wurde.

Ansprache behinderter Bewerber

Manche Arbeitgeber versuchen unterdessen, gezielt behinderte Bewerber anzusprechen. Viele britische Konzerne haben sich einem freiwilligen Programm angeschlossen, in dem sie sich verpflichten, behinderten Bewerbern, die die Qualifikation mitbringen, in jedem Fall zum Bewerbungsgespräch einzuladen, um die Zahl ihrer behinderten Mitarbeiter zu erhöhen.

Wenn also die Ausgleichsabgabe nicht hilft, die Arbeitslosenquote behinderter Menschen nachhaltig zu verbessern, sollte man wirklich mal darüber diskutieren, was alternative Maßnahmen sind anstatt weiterhin auf ein totes Pferd zu setzen.

 

Inklusion heißt Erwartungen hochschrauben

Wenn über Inklusion diskutiert wird – und ich meine jetzt die gesamtgesellschaftliche Teilhabe, nicht nur die schulische Inklusion – wird viel über Bedingungen geredet. Mehr Barrierefreiheit, mehr Assistenz, mehr Möglichkeiten. Aber Inklusion ist keine Einbahnstraße. Was sich auch ändern muss, ist die Einstellung behinderter Menschen selber.

Wenn es keine Erwartungen gibt oder die Erwartungen derart niedrig sind, dass sie weiter de facto Ausgrenzung bedeuten, wird sich wenig ändern. Menschen mit Behinderungen (und ihre Angehörigen) sind aber unterdessen so daran gewöhnt, dass die Zustände so sind, wie sie sind, das sich viele damit abgefunden haben.

Ausgeschalteter Parkautomat

Nun ist es natürlich in der Tat so, dass man, wenn man als behinderter Mensch am normalen Leben teilnimmt, des öfteren auf Barrieren stößt – beispielsweise baulicher, organisatorischer oder menschlicher Art.

Ich parke öfter auf einem sehr großen Park&Ride-Parkplatz, der tagsüber und spät abends wenig frequentiert ist. Ich schätze, der Parkplatz ist mindestens zwei Fußballfelder groß. Da es sich um einen Privatparkplatz handelt, muss ich trotz Behindertenparkausweis zahlen.

Es gibt etwa 20 Behindertenparkplätze dort, aber leider nur sehr wenige Parkautomaten. Schlauerweise hat man aber einen der Parkautomaten direkt neben die Behindertenparkplätze gestellt. Aber ausgerechnet dieser Automat ist oft ausgeschaltet, obwohl er nagelneu ist. Der andere Automat ist am anderen Ende des riesengroßen Parkplatzes und nur über eine hohe Stufe zu erreichen, die ich alleine nicht hoch komme. Das Büro der Parkplatzverwaltung liegt gegenüber, ist aber ebenfalls für mich nicht erreichbar.

Immer wieder spielt sich dann, wenn das Gerät mal wieder ausgeschaltet ist, eine ähnliche Diskussion ab. Ich rufe über die Gegensprechanlage des Automaten die Parkplatzbesitzer an, die immer erstmal erklären, dass man da gar nichts machen könne und ich jetzt wohl oder übel selbst nach einer Lösung des Problems suchen müsse. Die finde ich auch immer sofort, sie sieht aber nicht so aus, wie sie sich das gedacht haben, denn sie lautet: Ein Parkplatzwächter kommt zu mir und ich bezahle bei ihm. Aber noch nie hat sich einer der Mitarbeiter zu mir bemüht. Die haben einfach keine Lust, ihr Büro zu verlassen. Immer heißt es dann, man lasse mich dann eben so raus fahren ohne zu bezahlen.

Probleme an die Verursacher zur Lösung zurückgeben

Ich will dort nicht kostenlos parken, darum geht es mir nicht. Aber ich habe mir unterdessen angewöhnt, die Lösungen für Probleme, die ich nicht verursacht habe, dem Verursacher zu überlassen und nicht mir aufdrücken zu lassen. Wer seinen Parkautomat an den Behindertenparkplätzen nicht in Schuss hält, muss entweder zu mir kommen oder hat Pech gehabt, was seine Einnahmen angeht. Nur das wird hoffentlich irgendwann dazu führen, dass dieser Automat funktioniert.

Vor zehn Jahren wäre ich vielleicht wirklich noch die zwei Fußballfelder entlang gerollt, hätte so lange gewartet bis irgendjemand auch zahlen möchte, ihn entweder gebeten, mir die Stufe hoch zu helfen oder wenn das nicht geht, ihm mein Geld in die Hand gedrückt und ihn gebeten, für mich zu bezahlen – auch auf die Gefahr hin, dass er mit dem Geld abhaut.

Erwartungen müssen sich ändern

Aber meine Erwartungen, auch an private Unternehmen haben sich geändert, nicht zuletzt deshalb, weil ich in Großbritannien ein starkes Recht in meinem Rücken habe, die solche Behandlung von behinderten Menschen untersagt. Unternehmen sind verpflichtet „angemessene Vorkehrungen“ zu treffen, um Diskriminierung vorzubeugen. Dazu gehört eben auch den zugänglichen Parkautomaten zu warten und wenn er nicht geht, sich aus dem Büro zu bewegen und mir zu helfen. Und wenn sie das nicht wollen, müssen sie mich in der Tat dort kostenfrei wieder rausfahren lassen.

Mit meiner Bereitschaft, zum anderen Automaten zu rollen und auf Hilfe von Fremden zu hoffen, hätte ich nichts verändert. Mit jedem Mal hätte der Parkplatzinhaber weiter sein Geld bekommen und ich eine Menge Zeit und Kraft verloren. Immer wenn ich das Gefühl habe, jemand verursacht Ausgrenzung, Schwierigkeiten und stellt mir Barrieren in den Weg, bitte ich freundlich um Beseitigung und verändertes Verhalten. Nur so ändert sich etwas. Die Teilhabe behinderter Menschen wird sich nur dann verbessern, wenn sie eingefordert wird – nämlich von den behinderten Menschen selber.

 

Behinderung im Job – verschweigen oder nicht?

Vergangene Woche fand in Berlin ein Kongress zur Inklusion statt. Ich habe die Veranstaltung auf Twitter verfolgt und hatte den Eindruck, es werden immer noch die gleichen Fragen wie vor 15 Jahren diskutiert. Zum Beispiel wurde darüber debattiert, ob man dem Arbeitgeber in der Bewerbung sagen soll, dass man eine Behinderung hat.

Die Frage ist nicht ganz unberechtigt, wenn man bedenkt, dass die Arbeitslosenquote schwerbehinderter Menschen bei 14 Prozent liegt. Da nicht alle schlecht qualifiziert sind – im Gegenteil, laut Arbeitsagentur sind schwerbehinderte Arbeitslose tendenziell eher etwas besser qualifiziert als nichtbehinderte Arbeitslose – muss man sich schon fragen, wie man dem frühzeitigen Aussortieren aus dem Bewerbungsverfahren aufgrund der Behinderung möglichst lange aus dem Weg geht.

Soll man also sagen, dass man eine Behinderung hat?

Ich finde, das ist eine klassische „Kommt darauf an“- Situation. Denn es gibt Positionen, wo eine Behinderung durchaus auch eine Qualifikation sein kann. Ein Beispiel: Ich bin im Vorstand eines Vereins, der mehrere Mitarbeiter hat. Unter anderem berät der Verein ältere und behinderte Londoner, wie sie öffentliche Verkehrsmittel nutzen können und welche Alternativen es für sie gibt, trotz Behinderung mobil zu bleiben. Wenn mir also jemand schreibt, dass er seit Jahren selbst Erfahrung hat, wie man in London als Mensch mit Behinderung öffentliche Verkehrsmittel nutzen kann, dann ist die Behinderung in dem Fall eine Qualifikation, denn es erspart uns einen Teil der Einarbeitungszeit im Gegensatz zu jemandem, der keine Erfahrung in dem Bereich hat und die Probleme nur von anderen kennt.

Wenn man sich aber um einen Job bewirbt, der mit Behinderung oder verwandten Bereichen nichts zu tun hat, dann ist man gut beraten, die eigene Behinderung nicht in die Bewerbung zu schreiben. Und selbst wenn man Veränderungen, Assistenz oder mehr Zeit beim Bewerbungsverfahren braucht, kann man das immer noch klären, nachdem man die Einladung dazu bekommen hat.

Aber ist das nicht unehrlich?

Nein, finde ich gar nicht. Man teilt seinem künftigen Arbeitgeber doch auch nicht mit, welche Schuhgröße man hat und ob man Single ist. Bei sichtbaren Behinderungen sieht der Arbeitgeber noch früh genug, dass man behindert ist, nämlich beim Bewerbungsgespräch. Aber dann ist man immerhin schon einmal zum Bewerbungsgespräch vorgedrungen und hat so eine Chance zu überzeugen. Bei nicht sichtbaren Behinderungen kann man dem Arbeitgeber nach Einstellung immer noch mitteilen, dass man eine Behinderung hat oder es eben lassen. Das hängt stark vom Arbeitsklima ab, ist meine Erfahrung. In Unternehmen, in denen man menschlich mit seinen Angestellten umgeht, sind diese auch eher bereit zu offenbaren, dass sie eine Behinderung haben. Nur wenn später eine Kündigung droht, sollte man sich überlegen, was man macht, um den besonderen Kündigungsschutz nicht zu verlieren, wenn man darauf wert legt.

Schwerbehinderte Bewerber werden bei gleicher Eignung bevorzugt

An kaum einem Satz kann man den Unterschied zwischen Theorie und Praxis besser erklären als am Satz „Schwerbehinderte Bewerber werden bei gleicher Eignung bevorzugt eingestellt“. Es gibt kaum noch Stellenausschreibungen im öffentlichen Dienst ohne diesen oder einen ähnlichen Satz. Die Amtsstuben müssten voll von Mitarbeitern und Beamten mit Behinderungen sein.

Zwar ist die Beschäftigungsquote behinderter Menschen im öffentlichen Dienst besser als in der Privatwirtschaft, aber rosig sieht es auch da nicht aus. Was also theoretisch passieren soll, funktioniert in der Praxis offensichtlich nicht oder zu wenig, weil zum Beispiel jemand am Ende doch lieber keine behinderten Mitarbeiter haben will und sein Veto einlegt. Das habe ich schon x Mal bei Freunden und Bekannten erlebt, die durchaus alle Anforderungen erfüllten und dann doch gegenüber einem nichtbehinderten Bewerber verloren haben, obwohl sie ja eigentlich bevorzugt berücksichtigt werden sollten.

Die Debatte ist ein Zeichen für Diskriminierung

Letztendlich ist die Debatte um „Schwerbehinderung offenbaren oder nicht“ nur ein Symptom dafür, wie weit verbreitet Diskriminierung behinderter Menschen ist, wenn es um die Jobsuche geht. Wäre es anders, müsste man sich die Frage gar nicht stellen. Es würde gar keine Rolle spielen, ob der Bewerber eine Behinderung hat oder nicht. So lange das aber nicht so ist, machen die Menschen sich natürlich Gedanken darüber, wie und wie lange sie das Merkmal Behinderung verschweigen können.

Und Arbeitgebern, die wirklich Interesse an behinderten Bewerbern haben, aber glauben, keine behinderten Bewerber zu bekommen, kann man nur raten, viel lauter zu werden, was dieses Interesse angeht. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es durchaus Arbeitgeber gibt, die diskriminierungsfrei einstellen und sogar ein Interesse haben, den Anteil behinderter Mitarbeiter zu erhöhen. Aber mit dem Behörden-Satz unter der Stellenausschreibung ist es nicht getan, sondern was funktioniert ist, gute Beispiele von Inklusion bekannter zu machen und glaubwürdig aufzutreten. Dazu gehört auch die gezielte Ansprache potenzieller Bewerber, die eine Behinderung haben. Ich bin sicher, dann nimmt die Zahl der Bewerber zu, die sich während oder nach dem Bewerbungsverfahren als behindert offenbaren.