Man muss nicht immer CDs hören! Wie wär’s mal mit einer Single? Die neuesten Klänge auf klitzekleinem Vinyl: „Breathes The Best“ von Populous
Übergreifend nennt sich diese Rubrik Tonträger, durchaus mit Bedacht, denn heute ist eine Single dran. Ja, es gibt sie noch, die schwarzen Scheiben mit den mikroskopisch schlingernden Rillen. 45 Umdrehungen in der Minute auf einer maximalen Breite von sieben Zoll. Soeben erscheint bei Morr Music, dem Berliner Haus für Subtiles zwischen den Stilen, eine Minitrilogie von Populous.
Zwei Stücke auf der A-Seite sind kurz und kürzer, eins auf der B-Seite ist etwas länger. Zusammen werden es kaum zehn Minuten sein. Wer es genau wissen will, bemühe die Stoppuhr, denn kein Plattenspieler zeigt die Vinylzeit an. Eine Single hören heißt auflegen, hinsetzen, aufstehen, umdrehen, schon wieder aufstehen. Rechte Muße will nicht aufkommen; wer kauft sich denn sowas?
Dazu gleich mehr (Telefonanruf in Berlin: Recherche).
Zunächst zur Musik, zum Musiker. Der unaussprechliche und kaum weniger schwer zu schreibende Name Populous ist das Pseudonym eines Italieners von Mitte zwanzig, Andrea Mangia. Man darf ihn ausweislich zweier Alben zu den herausragenden Klangtüftlern Europas rechnen und also auch seines Heimatlandes, wobei uns gleich einfällt, dass selbiges zwar Adriano Celentano, Paolo Conte, Gianna Nannini, Lucio Dalla und andere Sangeskünstler (Caruso! Pavarotti! Bocelli!) hervorgebracht hat, jedoch keine international bekannten Löter und Schrauber nach Art von Kraftwerk oder Console.
England hat Autechre, Schottland hat Boards of Canada, Frankreich hat Air und Daft Punk, Portugal hat Rafael Toral, Wien hat Fennesz, Dresden hat Flim, Rostock hat Novisad, Chemnitz hat Raster-Noton und weiß der Tinnitus wen noch!
Italien hat bloß Populous. Seine Platten hat er in Deutschland herausgebracht, das sagt was über beide Länder und wie es um das Hören dort steht.
Populous ist der Maestro Rumoroso vom apulischen Stiefelabsatz aus Lecce, seine warmen Knack- und Knistertöne schichtet er zu einer appetitlichen Lasagne. Quipo hieß sein Debut 2002; eine Platte, die so zurückgelehnt war, dass sie heute noch auf dem Teller liegen kann.
Dann erschien Queue For Love, und nun ist er wieder im Studio gewesen, es kam aber nur wenig heraus, deshalb eine Single.
Die Musik? Elektronika, wortloser HipHop, Soul – wer kann das noch genau bestimmen. Nicht der Knaller schlechthin, aber sehr entspannt und aus dem Geist des Jetzt.
Der Musikverleger Thomas Morr in Berlin (ergibt das Telefonat) hat eine vor Jahren begründete Single-Reihe neu gestartet: „anost“ abbreviert er sie, „a number of small things“, „eine Reihe kleiner Dinge“ – Musik so für zwischendurch.
Die Platten sind liebevoll gehüllt in Arbeiten des Hamburger Gestalters Jan Kruse: Während digitale Speichermedien sich im Innern der EDV unsichtbar machen, stellen sie sich zur Schau.
500 Exemplare gibt es, sie mögen im Laden fünf, sechs Euro kosten; Sammler sind ganz wild danach, denn was weg ist, ist weg und nach gibt’s nichts. Sage einer, Tonträger hätten an Wert verloren, wenn nur von CDs die Rede ist!
Man kann Populous’ zweieinhalbte Platte (die ersten beiden gab es auf Vinyl und CD) als ein Zeichen seines Herannahens lesen: Im nächsten Jahr wird er nach Deutschland kommen und erstmals einige Konzerte geben.
Da gehen wir dann mal hin.
Die Vinyl-Single „Breathes The Best“ sowie die beiden Alben „Quipo“ und „Queue For Love“ von Populous sind erschienen bei Morr Music
Hören Sie hier „Bon Bon Pour Les Rappers“, das zweite Stück der A-Seite
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