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Ein Knäuel roter Fäden

 
Das Geheimnis der Bodies Of Water ist schwer zu fassen. Hinter jedem Takt lauert eine Überraschung. Ihr Album „A Certain Feeling“ macht sogar unseren Autor manchmal sprachlos

Eine Band, die sich Bodies Of Water nennt, weiß wohl, was sie tut. Zumal dann, wenn sie ihre Platte mit dem hochtrabenden Titel A Certain Feeling beim Label „Secretly Canadian“ veröffentlicht, dem Hafen der ausgeflippten und experimentierwütigen Folkmusiker. Bodies Of Water sind wahre Enthusiasten, das hört man ihren Liedern an.

Die Hingabe zur Musik führte die Eheleute David und Meredith Metcalf, die Schlagzeugerin Jessie Conklin und den Bassisten Kyle Gladden vor fünf Jahren in Los Angeles zusammen. Sie teilten die gleichen musikalischen Vorlieben, doch Begeisterung war nicht gleich Können: Zwar hatte David Metcalf eine klassische Musikausbildung genossen, doch weder Meredith Metcalf noch Jessie Conklin konnten ihre Instrumente richtig spielen. So sind die Bodies Of Water eine ganz erstaunliche Unternehmung, mit einer Mischung aus Können und Leidenschaft folgt ihre Musik den Einflüssen aus Gospel, Tropicalia und Novizentum. David Metcalf kennt die ausgetretenen Pfade der Musikgeschichte, seine Mitmusiker sind bockig genug, ihnen so selten wie möglich zu folgen.

Das Album eröffnet mit Gold, Tan, Peach And Grey. Ein säuselnder Chor und eine treibende Basslinie nehmen den Hörer in Empfang, das Stück mündet in Sechziger-Rock. Nach drei Minuten mutiert es, Bläser stimmen ein. Hier sprüht eine Euphorie, der man sich schwer entziehen kann. Das bleibt so. Under The Pines überrascht im ersten Moment als Rockoper, wird dann plötzlich durch eine Gitarrenlinie kontrastiert und pendelt sich nach Chorgesang und Klavier in einer Melange aus Zurückhaltung und Kraft ein. Die verschiedenen Einflüsse, die Zeitlosigkeit, die Kombination aus folkloristischen Grundzügen und psychedelischen Dissonanzen errichten einen eigenständigen Klang. Bodies Of Water erfinden die Musik nicht neu, aber sie erweitern sie etwa um das großartige Only You – ein Stück so toll, dass die Ausführung des Autors nicht mithielte.

Water Here und Keep Me On sind exemplarisch: Hier bringen Bodies Of Water das zielstrebig Treibende, die Suche auf den Punkt. Wiederum klingen die beschreibenden Worte kläglich. Man muss es hören, um zu verstehen. Dann öffnet Keep Me On seine Tore und hüllt das Gehör in einem warmen Mantel aus mehrstimmigem Gesang und Bläsern. Even In A Cave fasziniert durch seine anfängliche Kargheit und Strukturlosigkeit. In If I Were A Bell erschreckt man kurz ob der Stadiontauglichkeit, entspannt aber schnell, wenn die Band den Pop in Monotonie ersticken.

Das Geheimnis dieser Band ist schwer zu fassen. Sie spielt länger als nötig? Beliebig klingt sie nie, langweilig schon gar nicht. Einer monotonen Phrase lässt sie Pathos folgen – und umgekehrt. Hinter jedem Taktstrich lauert eine Überraschung, auch nach mehrfachem Hören. Es ist, als führte der rote Faden auf immer neuen Pfaden zum Ziel. Dem Gemüt ist das zuträglich.

„A Certain Feeling“ von Bodies Of Water ist auf CD und LP bei Secretly Canadian/Cargo erschienen.

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