Mit seiner CD „Kinsmen“ begründet der New Yorker Saxofonist Rudresh Mahanthappa ein neues Genre: Indian American Jazz
Der Saxofonist Rudresh Mahanthappa ging die Sache vorsichtig an. Er wollte nicht als Exot gelten. So kamen indische Instrumente in seiner Musik nicht vor. Und bis heute sind ihm die sehr unterschiedlichen Indo-Fusion-Projekte von John Mayer, Ravi Shankar, Miles Davis, John Handy oder Jan Garbarek zu kommerziell, zu banal oder unfreiwillig komisch. Rudresh Mahanthappa kritisiert, keinem der Musiker sei es gelungen, zu wesentlichen Einsichten vorzudringen.
Rudresh Mahanthappa ist 37 Jahre alt, seine Eltern sind Inder. Er wuchs in Colorado auf und studierte am Berklee College in Boston. Heute gilt er als einer der innovativsten Jazzmusiker New Yorks. Seine Einstellung zur indischen Musik änderte sich durch eine Platte, die ihm sein älterer Bruder schenkte: Saxophone Indian Style von Kadri Gopalnath. Dieser übersetzte die karnatische Musik für das Saxofon und brachte es in seiner südindischen Heimat zu großer Anerkennung. Rudresh Mahanthappa lernte Kadri Gopalnath schließlich auch persönlich kennen und erhielt vor vier Jahren den Auftrag, für ein gemeinsames Projekt seines Jazzquartetts mit dem Trio Gopalnaths zu komponieren. Die Premiere fand vor vier Jahren statt, die Aufnahmen zum nun vorliegenden Album Kinsmen entstanden im Jahr 2007.
Zwischen die fünf längeren Stücke hat Mahanthappa Alaps platziert, kurze Solopassagen, die in der traditionellen indischen Musik den Raga einführen und die Stimmung des Abends vorgeben. Auch an der Tradition, das erste Stück dem heiligen Ganesha zu widmen, hält er fest – der hinduistische Gott möge dem Künstler Weisheit, Intelligenz und Glück spenden.
Dass Kadri Gopalnath ausschließlich in einer Tonart spielt und es nicht gewohnt ist, in langen Formen zu improvisieren, erschwerte Mahanthappa das Komponieren für das Septett. Und schließlich sind es auch gar nicht die formalen Feinheiten, mit denen er tonale Zentren versetzte und die rhythmischen Spannungsbögen zwischen großen Einheiten und kurzen Wiederholungen organisierte, die diese Musik ausmachen. Was auf Kinsmen wirkt, ist auch nicht mehr das Additive und Ahnungslose früherer Experimente, sondern ein visionäres kompositorisches Konzept, das den unterschiedlichen Musikerpersönlichkeiten und ihren jeweiligen Traditionen – der karnatischen Musik und dem amerikanischen Jazz – einen gemeinsamen Freiraum erzaubert. In diesem Raum schöpfen die Musiker Kraft für neue Klänge.
„Kinsmen“ von Rudresh Mahanthappa featuring Kadri Gopalnath & The Dakshina Ensemble ist bei Pi Recordings/Alive erschienen.
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