Der Wu-Tang Clan hat die Band The Revelations ins Studio eingeladen. Das Resultat heißt „Chamber Music“ und ist klassischer HipHop im besten Sinne
Manchmal verschatten die Glanzleistungen der Vergangenheit die Gegenwart. Wohl keine HipHop-Band der Welt hat sich die Messlatte in dieser Hinsicht höher gelegt als der Wu-Tang Clan. Mit seinem Debüt Enter The Wu-Tang (36 Chambers) nahm das Rap-Kollektiv aus Staten Island, New York, 1993 die HipHop-Welt im Handstreich und führte eine ganz neue Ästhetik ein: Auf bedächtig schleppenden, kratzenden Beats türmten sich Sechziger-Jahre-Psychedelia, Bluesstimmen, streicherselige Soulsamples. Ein Konzept, das der Chefarchitekt der Gruppe, RZA, seitdem immer wieder recycelte – und das schließlich in die Gefahr geriet, zum bloßen Selbstzitat zu verkommen.
Nun musste – schon um den eigenen Mythos zu retten – etwas Neues her: RZA hat eine Liveband ins Studio geladen. Unter seiner Ägide bauen The Revelations aus Brooklyn düster-atmosphärische Klangskulpturen, deren Herstellung einst nur über das Schichten alter Soulnummern und Kung-Fu-Film-Soundtracks denkbar war.
Chamber Music heißt das Resultat: Kammermusik. Dabei spielt nicht nur der Name auf die goldene Frühzeit des Clans an. Nein, das neue Werk schlägt tatsächlich den Bogen zur viel gepriesenen Wu-Tang-Klassik, es beeindruckt durch bluesgetränkte Intimität, und es erzeugt einen 36-minütigen meditativen Klangteppich für RZAs Privatkosmologie: Rap gerinnt da zur Kung-Fu-Disziplin, Buddha wird zur Battle-Geheimwaffe, und New Yorks Staten Island erweist sich als Shaolin-Kloster.
Jedoch, Ghostface Killah, Raekwon, Killah Priest und ein Dutzend anderer Wu-Tang-assoziierter Rapper reimen hier nicht nur Spirituelles. Das Album zeigt, dass die ästhetisch-musikalischen Metaphern des Clans nun offensichtlich auch wunderbar als Livemusik funktionieren
„Chamber Music“ von Wu-Tang Clan ist erschienen bei E1 Music/Universal
Dieser Text ist der ZEIT Nr. 31/2009 entnommen.
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