Kinski, Kraftwerk, Nina Hagen, DAF: Der Münchner Jetset-Profi DJ Hell stellt auf seinem neuen Album den Sound der deutschen achtziger Jahre aus. Samt Kälte, Sehnsucht und Aufbruchstimmung.
Der größte Österreicher aller Zeiten – die Rede ist natürlich von Falco – sang 1986 in einem Lied: „Let me show you who I am / Let me show you that I care„. Das Lied hieß Coming Home. DJ Hell kommt aus München, das ist zumindest nah dran an Österreich. Seine neue Mix-CD trägt denselben Titel wie Falcos Song. Darauf ist fast ausschließlich Musik aus Deutschland vertreten. Weder Techno, noch Italo-Disco oder Electroclash. Es ist eine Auswahl an Liedern, die DJ Hell in den achtziger Jahren geprägt haben. Falcos Liedzeile würde auch zu diesem Album passen.
Es ist eine Auswahl, die sich wohl nicht jedem sofort erschließt. Schließlich gilt DJ Hell als Jetset- und Glamour-Profi, der mit P Diddy, Bryan Ferry und Hugh Hefner kumpelt. Wer aber jemals das behutsame Fernsehporträt Lebenslinien über Helmut Josef Geier aus Altenmark an der Alz gesehen hat, weiß, wieviel Heimat in dem Mann steckt. Da sieht man DJ Hell beim Kakao an Muttis Küchentisch, im Berliner Wohnzimmer stehen Bierbänke. Wer Hell beim Plattlerschuh-Kauf beobachtet hat, dem erscheint selbst Stefan Mross als Global Player.
Die Fixpunkte seiner neuen Kompilation heißen Düsseldorf und Berlin. Kraftwerk, Fehlfarben, DAF, Der Plan, Rheingold – das klingt zunächst nach einer geschmackssicheren Achtziger-Party. Tatsächlich hat sich DJ Hell bis auf ein paar Ausreißer wie das eisgraue Kalte Sterne der Einstürzenden Neubauten oder Klaus Nomis Countertenor-Arie Cold Song kaum Extravaganzen gegönnt. Vieles ist gesamtdeutsches Hit-Material, qualifiziertes Pophandwerk aus der Region.
Anlass zum Lachen bietet Coming Home leider kaum. Angestrengt ambitioniert wie der Mucker-Punk der Nina-Hagen-Band oder hochpräzise wie DAFs Minimal-Dada – der deutsche Pop meinte es jederzeit ernst. Hat DJ Hell das Cover deswegen ganz in Grau gehalten? Man gewinnt jedenfalls den Eindruck eines sehr konzentriert musizierenden Landes, das sich nicht vorwerfen lassen will, nicht immer schön korrekt geprobt zu haben.
Wirklich leuchten tut die Platte in subtilen Momenten. So gelingt DJ Hell mit dem Übergang zwischen Citys elegischem Am Fenster und dem feinen Chanson von Hildegard Knefs Tapetenwechsel ein sehr schöner Kommentar über die deutsche Sehnsucht und Aufbruchstimmung der achtziger Jahre. Das eigentliche Juwel dieses Albums jedoch ist Der Strom der Zeit, ein elegant dahingejazzter Disco-Schlager, den DJ Hell mit Blumfelds Tausend Tränen Tief im Koze-Remix verbindet. Auf Coming Home noch im Original zu hören, hat DJ Hell das Potenzial des Schlagers von Frank Farian längst erkannt. Der großartige Remix wird bald auf seinem Hauslabel erscheinen.
Und dann ist da noch der famose, weil herrlich selbstironische Schluss: Reinhard Meys beschauliches Gute Nacht Freunde lässt DJ Hell in Klaus Kinskis Publikumsbeschimpfung während dessen Jesus-Tournee aufgehen. Allzu diskussionsfreudige Zuhörer hatten damals die Inszenierung des Schauspielers gestört. „Also es tut mir wirklich leid für die anderen Leute, aber in diesem Augenblick ist die Vorstellung wirklich zuende“, nörgelt Kinski. Dann ging der Vorhang zu. Allzu gemütlich sollte man es sich in DJ Hells Deutschland also nicht einrichten. Es könnten jederzeit Abbruch und Hausverbot drohen.
„Coming Home“ von DJ Hell ist in der gleichnamigen Compilation-Serie bei Stereo Deluxe erschienen.