Die Konzerte der Londoner Band Rudimental sind riesige Partys. Ihr Debütalbum „Home“ liefert dazu die passende Musik – ein Querschnitt durch Drum’n’Bass, Soul und Garage.
Jugendliche werfen Molotowcocktails, legen Brände, plündern Geschäfte: Heftige Unruhen erschüttern London im August 2011. Die kosmopolitische Hauptstadt ist geschockt. Vor allem östlich des Zentrums zeigt sich die soziale Sprengkraft. Nirgends ist England gewalttätiger. In der berüchtigten Stadtgemeinde Hackney lebt fast die Hälfte der Kinder in Armut. Jugendprojekte fallen Kürzungen zum Opfer.
Hier sind die Schulfreunde Kesi, Piers und Leon aufgewachsen, heute sind sie Mitte 20. Zusammen mit Amir, einem Gitarristen aus Camden, gründeten sie vor zwei Jahren die Band Rudimental. Zuvor haben sie als Musiklehrer mit benachteiligten Kindern gearbeitet und bei Piratensendern aufgelegt. Der Schmelztiegel Hackney, wo Menschen aus der Karibik mit Türken, Indern, Nigerianern, Chinesen, Vietnamesen und strenggläubigen Juden Tür an Tür leben, ist auch ihr musikalischer Ausgangspunkt. Home heißt dementsprechend ihr Debütalbum.
Darauf mischen Rudimental ihre Einflüsse, die so bunt sind wie der Notting Hill Carnival: Garage, Grime, Dubstep, Drum’n’Bass, Soul, Hip-Hop, sogar Blues und Jazz. Trotz ihrer Verwurzelung in der Rave- und Clubszene sind Rudimental keine blassen Hornbrillenträger hinter Laptops, sondern eine Liveband mit locker mal sieben Leuten auf der Bühne. Hammondorgel, Tuba und Posaune treffen da auf Synthesizer, Gitarren und Bässe, so tief, dass man sie mehr spürt als hört. Sehr urban klingt das und vor allem sehr britisch. Mancher Song wirkt wie ein ehrgeiziger Querschnitt durch 15 Jahre UK Garage, anderswo genügt ein bisschen Löffelgeklimper zum handgemachten Housebeat.
Nicht alles ist überzeugend, mancher Track hingegen glatt, fast schon zu professionell und abgeklärt produziert. Doch man hört, wie viel Spaß den Vieren die Aufnahmen gemacht haben müssen. Das Album ähnelt einer Jamsession, die trotz aller Ausgelassenheit erstaunlich konzentriert und selbstsicher daherkommt. Ihre Konzerte sind vor allem riesige Partys.
Rudimental machen elektronische Musik, aber mit gehörig Soul. So unterschiedlich die Songs sind, eins haben sie alle gemeinsam: gefühlvoller Gesang, meist beigesteuert von Freunden aus der Nachbarschaft. Aber auch bekannte Musiker wie Emeli Sandé, Angel Haze sowie Alex Clare – vor einem Jahr mit Too Close erfolgreich – sind dabei. Letzterer in einem sich auftürmenden Drum’n’Bass-Gewitter mit zig Backgroundsängern, Klavier und Bläsern. Das durch und durch englische Baby dagegen besteht allein aus zweistimmigem Gesang und drei Keyboards. Die Gebrauchsanweisung: Bitte nur nachts im Auto hören. Fenster runter, Bass rauf und ab durch die Innenstadt.
Das gilt auch für den Höhepunkt dieses Gute-Laune-Albums: Feel The Love mit der hinreißenden Stimme des jungen Soulsängers John Newman. Ein Song, so lebensbejahend und euphorisch, dass er mehr ein Antidepressivum ist als Musik. Letztlich gehören wir doch alle zusammen und sollten gemeinsam fröhlich sein, wissen Rudimental und hauen es allen Zynikern mit einer Ladung Breakbeats samt Trompetensolo um die Ohren. Eine Hymne für Hackney und eine Feier der kulturellen Vielfalt: „You know I said it’s true / I can feel the love / Can you feel it too„. Die Wahrheit kann so einfach sein.
„Home“ von Rudimental ist erschienen bei Asylum Records/Warner Music.