Nicht ganz Britrock, nicht ganz amerikanisch: Die Kings of Leon lassen auch ihr sechstes Album zwischen den Kontinenten hängen und verbreiten großartige atlantische Schnoddrigkeit.
Der Mittelatlantische Rücken ist ein mächtiges Gebirge. Auf einer Länge von 20.000 Kilometern teilt er Europa und Amerika, und läge dieses Massiv nicht tief unterm Meer, man könnte es als gewaltiges Bollwerk zwischen den Kontinenten deuten, als derart sperrige Barriere, dass selbst Töne daran zurückschallen und auf ihrer Seite bleiben. Nun mag diese Metapher ein bisschen viel Plattentektonik für den musikalischen Abgleich zweier verschwisterter, aber unverwechselbarer Stile verwenden. Doch wer die neue Platte der Kings of Leon hört, kommt nicht umhin zu vermuten: Das sollte wohl Britpop werden, ist aber doch schon wieder Garagenrock geworden.
Denn seit ihrem Debüt Young & Young Manhood vor zehn Jahren, mehr aber noch mit ihrem vorigen Album Come Around Sundown lavieren die vier Blutsverwandten aus Tennessee dramaturgisch zwischen den Festlandmassiven einer gemeinsamen Sprache: nicht mehr so richtig White Stripes oder The Strokes, noch nicht so ganz Arctic Monkeys und Kaiser Chiefs.
Trotz Only By The Night vor fünf Jahren, das die Kings of Leon auch daheim aus dem Mittelfeld der Charts an die Spitze beförderte, klang immer ein unerfülltes Bemühen durch, es beiden Seiten gleichermaßen gemütlich zu machen. Die Frisuren waren phasenweise ja schon mal recht britpoppig und der Erfolg auf der Insel gigantisch. Aber irgendwie blieb das seltsam unbehauste Südstaatenquartett auf dem Weg über den großen Teich stets an diesem riesigen Rücken hängen.
Dieses Unterfangen ließe sich nun negativ wenden, wie herzlich es einer Gruppe amerikanischer Straßenrocker da misslingt, die harmonische Nonchalance britischer Bands in ihre restpunkigen Alternativestrukturen zu transponieren. Man kann es aber auch positiv sehen, mit welcher rohen Schnoddrigkeit die Kings of Leon auch auf ihrem sechstem Studioalbum der nasalen Betulichkeit ihrer angelsächsischen Popbrüder entgehen, ohne dabei gleich wie Lynard Skynard zu klingen oder noch schlimmer: Dave Matthews.
Denn inmitten der klanglichen Haltlosigkeit entwickeln sich auch auf Mechanical Bull wunderbare Indierockepen zwischen Pointiertheit und Fläche. Comeback Story zum Beispiel mit seinem fröhlich pfeifend begleiteten Gitarrengezwitscher oder das herrlich pathetische Tonight, wo im ständig aufwallenden Und-Jetzt-Alle-Zusammen immer mal wieder ein zögerlicher Hall hineinweht, der Caleb Followills sehnsüchtiger Stimme auch im nachfolgenden Coming Back Again so unendlich viel Tiefe verleiht.
Gut, das Bluesrock-Gesuppe dazwischen, die Country-Fetzen, die halbherzigen Americana-Anleihen – all dies nervt zuweilen, zeugt aber auch einfach von den Wurzeln der Kings of Leon jenseits des Ozeans. Wo sie sich zugehörig fühlen. Wo sie weg wollen. Vielleicht schaffen die vier Könige das ja auf dem siebten Album, dann aber endgültig. Bis dahin machen sie eben weiter ihre Art Bramrock, den besten im gesamten Atlantik.
„Mechanical Bull“ von Kings of Leon ist erschienen bei Sony.