Magnetfelder überlagern sich und erzeugen Spannung, Dichte und Töne. Sie bewegen das Universum, bestimmen die Gezeiten und Strömungen, die geheimnisvollen Wellenmuster auf dem Meeresboden, walten zwischen den Polen, zwischen Nord und Süd. Metalladern ziehen sich rund um den Globus durch den Erdboden.
Magnetfelder sind auch das Thema des Pianisten und Klangforschers Cor Fuhler auf seinem Album Stengam. North-South heißt das erste Stück darauf, ein anderes heißt Ferrous, Eisen. Herzstück der Aufnahmen ist das Stück Stengam, das rückwärts geschriebene Wort für Magnets, Magnete. Rund einhundert davon verwendete Fuhler zur Verfremdung der Klänge seines Klaviers.
Seit über zwanzig Jahren experimentiert der 1964 geborene Holländer mit solchen Klangerweiterungen. Auf die Idee mit den Magneten brachte ihn sein Klavierstimmer. Die besonders starken Magnete, sogenannte Supermagnets, werden auf die Klaviersaiten gelegt, um ihre Schwingungseigenschaften zu verändern. Fuhler hat etwa einhundert dieser Magnete zu Hause, zehn bis zwanzig davon nimmt er zu seinen Konzerten mit. Die Schwingungen der angeschlagenen Saiten verlängert er mit Hilfe von E-Bows, speziellen Effektgeräten, die in den siebziger Jahren für Gitarren entwickelt wurden.
Stengam ist ein ungewöhnliches, experimentelles Album. Eingespielt wurde es rein akustisch, neben dem Klavier kamen nur E-Bows und Magneten zum Einsatz. Doch es klingt wie ein ganzes Ensemble aus Bläsern, Streichern und Perkussionisten, erweitert durch das Rauschen von Sinuswellen und Obertongesänge einsamer Bergmönche. Die Musik ist vollständig improvisiert, aus dem Moment entstanden. Viele der Klänge muten elektronisch an, es entstehen sparsame, düster urbane Klanglandschaften. Fuhler betont, dass die Klänge für ihn nichts Maschinelles haben, sondern etwas Leichtes. Und dass er es schätzt, wenn sich die Rezeption der Hörer von seiner eigenen unterscheidet.
Im Jahr 1995 nahm er sein erstes Solo-Album mit einem elektronisch präparierten Klavier auf. Er spielte unter anderem mit George Lewis, John Zorn und Roswell Rudd, seine eigenen Projekte sind ein Trio mit dem Schlagzeuger Han Bennink und dem Bassisten Wilbert de Joode, das Corkestra mit zwei Schlagzeugern und diversen Streichinstrumenten und das Cortet mit dem Saxofonisten John Butcher.
Fuhler ist Teil einer neuen Bewegung reduzierter improvisierter Musik, die geografisch weit verzweigt ist und sich über das Internet organisiert. Es gibt für die Musiker kaum regelmäßige Auftrittsorte, die Konzerte werden auf den musikereigenen Internetplattformen angekündigt oder auf kleinen Festivals für experimentelle Musik präsentiert.
Stengam hat er selbst aufgenommen und produziert. Sein Conundrum-Studio ist ein selbstgebauter Schuppen in seinem Garten in Amsterdam, gerade groß genug für den Flügel und zwei Computer. Viele Musiker aus der Szene würden heute so arbeiten, erzählt er. Das kleine französische Label Potlatch bietet seiner Musik nun ein Forum, auch wenn die Aufnahmen nur in kleinen Auflagen erscheinen. Für diese Musik gäbe es eben kaum Publikum, sagt er, sie werde vor allem von den Musikern selbst gehört.
„Stengam“ von Cor Fuhler ist als CD erschienen bei Potlatch Records
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