Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Mann, ihr seid so Eighties!

 

Was soll denn das? Es gibt so viele Bands, die sich durch den Synthiepop der Achtziger zitieren. Nun folgen auch noch die guten Architecture in Helsinki dem Strom.

© Cooperative Music

Wäre man böse, könnte man sagen: Die gloriose Rückkehr der achtziger Jahre ist jetzt auch da unten in Australien angekommen. Der Eindruck drängt sich auf, wenn man Moment Bends hört. Das neue Album von Architecture in Helsinki klingt, als stamme es direkt aus den glorreichen Tagen des Synthiepop. Der Band aus Melbourne fehlen nur noch die Maßanzüge, um wie Heaven 17 die Revolution auszurufen. Und die Single Contact High beginnt fast deckungsgleich mit Kiss, dem Hit von Prince aus dem Jahre 1986.

Dass das Klangdesign aus den Eighties eine gewisse Renaissance erlebt hat, ist keine allzu heiße Neuigkeit mehr. Dass allerdings nun auch Architecture In Helsinki das rehabilitierte Jahrzehnt wiederentdeckt haben, doch eine gewisse Enttäuschung. Schließlich hatte die Band um Cameron Bird auf ihren ersten drei Alben eine einzigartige Soundästhetik entwickelt. Wie ein Betrunkener zwischen Bordstein und Hauswand taumelte die achtköpfige Band zwischen Indiepop und Prog-Punk, Weird Folk und Nu Wave, Afrika und der Karibik, zwischen Stammestanz und Kinderlied.

Die Lieder ihres letzten Albums Places Like This sprangen den Hörer förmlich an, kuschelten sich ihm in den Schoß und traten ihm im selben Moment in den Arsch. Große wackelige, widerborstige Hits aus Bläsern und Bongos, Gitarren und Glockenspiel, in denen vielfältige Stimmen sich ergänzten und gegeneinander arbeiteten, die Rhythmen sich gegenseitig ausmanövrierten und die akustischen Instrumente sich zur gemeinsamen Kakophonie erhoben. Die Songs waren – obwohl entstanden, während die Band auf drei Kontinenten verstreut lebte – hochkomplex und doch unglaublich eingängig. Selten zuvor hatte die Postmoderne so prima geklungen.

Das war vor vier Jahren. Architecture In Helsinki leben nun wieder komplett ins Australien, aber sind auf fünf Mitglieder geschrumpft. Auch der Schlagzeuger James Cecil, der mit Bird das Produzentenduo The Carbohydrates gebildet hatte und für diesen seltsamen Sound zuständig gewesen war, hat die Band verlassen. Mit ihm ist offensichtlich auch das einstige handgemachte Klangbild verschwunden.

An seine Stelle tritt nun ein höchst artifizieller Entwurf, der auf der kühlen Ausstrahlung der ersten analogen Synthesizer beruht. Dazu passend haben Architecture In Helsinki das bisweilen hysterische Tempo früherer Aufnahmen gedrosselt und sogar einige Balladen komponiert. Auch fallen die Sänger nicht mehr übereinander her, sondern stellen sich nun brav hintereinander an, sodass sogar schon mal ein hübsches Duett entstehen kann.

Man muss dem Quintett immerhin zugute halten, dass die Musik, obwohl sie trotzig einem abgezirkelten Muster folgt, nicht zu einer Karikatur ihrer selbst verkommt. Erstaunlich bleibt eher, mit welcher Liebe Cameron und die verbliebenen Architekten die Achtziger nachstellen. Von den synthetischen Streichern bis zum flachbrüstigen Pumpen der Beatbox ist jedes Detail stimmig, und wenn Kellie Sutherland in W.O.W. zu ätherischen Synthieklängen einen netten jungen Mann beim Wandeln auf dem Wasser ertappt, dann wird die Brücke von Human League bis in die Jetztzeit geschlagen, allerdings nur bis zu Enya. Vor allem Prince scheint es den Australiern angetan zu haben: Wenn dann doch mal Gitarren auftauchen, spielen sie Funk-Riffs, die vom Altmeister patentiert sein müssen, und selbst sein Kieksen imitiert Bird bisweilen.

So chaotisch und wirr die Popusik von Architecture In Helsinki bislang erschien, so durchgeplant und elegant, ja schon fast stromlinienförmig und oberflächenrein wirkt Moment Bends. Auch das hat zweifellos seinen Reiz: Durch diesen Richtungswechsel sind einige wirklich großartige Songs entstanden. Aber ihr Alleinstellungsmerkmal haben Architecture In Helsinki aufgegeben.

„Moment Bends“ von Architecture In Helsinki ist erschienen bei V2/Cooperative Music