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Die Cayman Islands mal wieder

Ja, zu diesem Parteitag gehört auch das Feiern. Und die offizielle Nominierung als Präsidentschaftskandidat der Republikaner ist kein geringer Anlass. Zudem wollen die größten Spender bei Laune gehalten werden. Also muss eine standesgemäße Party her. Auf einer Luxusjacht.

Das dürfte an sich schon all jenen die Zornesröte ins Gesicht treiben, die den Multimillionär Romney für einen abgehobenen, elitären Geldsack halten, der die Sorgen des einfachen Mannes nicht versteht. Sei’s drum, man muss ja nicht gleich Dinge von sich geben wie der Leiter des Washingtoner Büros von Yahoo News. David Chalian verlor am Mittwoch umgehend seinen Job, weil er gesagt hatte, Ann und Mitt Romney sorgten sich überhaupt nicht darum, wie es den Menschen gehe, die vom Hurrikan „Isaac“ betroffen sind. „Sie freuen sich über ihre Party, während Schwarze ertrinken“ – zu seinem Unglück war er damit auf Sendung.

Aber wie gesagt: So eine Party muss schon sein. Aber auf einer Jacht, die unter der Flagge der Cayman Islands fährt? Jenem Steuerparadies, in dem der frühere Finanzinvestor Romney zumindest einen Teil seines kaum überschaubaren Vermögens „parkiert“ (würde man in der Schweiz sagen, wo Romney ebenfalls früher ein Konto besaß)? Die lästige Debatte über seine Steuerlast wird Romney so jedenfalls nicht los.

Im Übrigen rufen die Republikaner auf der Website zum Parteitag inzwischen zu Spenden an das amerikanische Rote Kreuz auf, um die Hilfe für die Hurrikan-Betroffenen zu unterstützen.

 

Der lange Schatten des Irakkriegs

Einen Augenblick sah es fast so aus, als würde der republikanische Präsidentschaftskandidat Mitt Romney zu seiner Vizekandidatin Condoleezza Rice berufen, die ehemalige Sicherheitsberaterin und Außenministerin von George W. Bush.

Beschlagen auf einem Gebiet, von dem Mitt Romney wenig versteht. Zudem schwarz und Frau – das sei doch die perfekte Wahl, unkte so mancher.

Wer den Beweis haben will, dass Rice eine falsche Wahl gewesen wäre, hätte heute Zeuge einer Veranstaltung über Amerikas Führung in der Welt sein sollen. Kaum betrat Rice die Bühne, brüllte eine Frau: „Sie haben Blut an den Fingern. Sie haben tapfere Soldaten im Irak in den Tod getrieben.“ Kaum war diese Demonstrantin des Saals verwiesen, sprang eine zweite auf und rief: „Die Anschläge vom 11. September waren nur der Vorwand für Krieg!“

Genau diese Reaktionen befürchteten die Romney-Strategen. Wo immer Rice auftreten würde, wären sofort Demonstranten zur Stelle und würden unermüdlich das dunkle Kapitel der Bush-Ära in Erinnerung rufen.

Diese Epoche möchte Romney abschütteln. Er selber hat darunter gelitten, dass seine republikanische Präsidentschaftskandidatur 2008 unter anderem an der aufgeheizten Irakdebatte scheiterte. Wirtschaftsmann Mitt Romney hatte wenig dazu beizutragen, in den Debatten mit John McCain wirkte er wie ein kleiner Schüler.

Vier Jahre später geht es um die Wirtschaft – und Romney, befreit vom langen Schatten des Irakkrieges, sieht seine große Chance gekommen. Aber nur ohne Condoleezza Rice an seiner Seite.

 

Mundtot

Republikaner mögen keinen Widerspruch und keine Unordnung. Schon gar nicht, wenn dadurch die bis ins letzte Detail geplante Inszenierung einer Krönungsmesse durcheinander zu wirbeln droht. Der Parteitag in Tampa und seine Strategen haben ein einziges Ziel: Mitt Romney soll nach einem langen und zermürbenden Vorwahlkampf als der unumstrittene, von der gesamten Partei respektierte und sogar ein wenig geliebte Führer der Republikaner dastehen. Als einer, der die Partei vereint und jetzt ihren uneingeschränkten Rückhalt genießt. Als einer der deshalb die Kraft und das Zeug hat, Barack Obama am 6. November zu schlagen und aus dem Weißen Haus zu vertreiben.

Ron Paul auf dem Parteitag der Republikaner (Chip Somodevilla/Getty Images)

Wäre da nicht der Freigeist und ewige Quertreiber Ron Paul. Und wären da nicht seine munteren, aufsässigen Anhänger, alles würde nach Plan verlaufen. Aber Paul wäre nicht Paul und seine Jünger wären nicht seine Jünger, würden sie die strenge Parteitagsregie widerspruchslos akzeptieren. Es ist eine Regie, die dem Kongressabgeordneten aus Texas anders als den anderen beiden Konkurrenten Romneys keinen Platz eingeräumt hat. Obwohl Paul im Vorwahlkampf eine stattliche Zahl von Delegierten eingesammelt hat und zumindest am Anfang mehr begeisterte als Mitt Romney. Als der Gewinner noch vor halbleeren Sälen sprach, standen die Menschen Schlange, wann immer der 78-jährige Ron Paul auftrat.

Viele waren begeistert von seiner frischen Art, die auf nichts und niemand Rücksicht nahm. Paul kannte in der eigenen Partei weder Freund noch Feind. Er sagte, was er dachte. Er kritisierte Amerikas Kriege und forderte einen totalen Rückzug von ausländischen Stützpunkten.

Keine Kompromisse

Der in der Wolle gefärbte Libertäre kannte keine Gnade mit seinen Konkurrenten um die republikanische Präsidentschaftskandidatur, die in ihrem politischen Leben manchen Kompromiss eingegangen waren. Sei es, um auf der Karriereleiter aufzusteigen. Sei es, weil Kompromisse zwangsläufig zu einem demokratischen Gemeinwesen gehörten. Von Anfang an war klar, dass Ron Paul niemals den Vorwahlkampf gewinnen konnte. Aber er war und ist ein ständiger Stachel im Fleisch seiner Partei. Und den wendehalsigen Mitt Romney nahm er sich in den Debatten besonders gerne vor.

Deshalb schaltete die Parteiregie jetzt in Tampa wohl auf absolute Abwehr. Aber wie so oft, erweist sich die Ausgrenzung und Kritikern als Bumerang. Zumal wenn dieser Kritiker auf eine stattliche Gefolgschaft zählen kann, die sich nicht unterkriegen lässt und sich durchaus laut und mit allen Mitteln einer graswurzelartigen Protestbewegung zur Wehr setzt.

Einen Moment lang außer Kontrolle

Natürlich tauchte Ron Paul am Rande des Parteitags auf. Natürlich forderten seine Anhänger sofort Rederecht für ihn. Natürlich zelebrierten sie bei der Auszählung der Delegiertenzahlen jede Stimme für Paul. Als die Parteiführung dann auf bockig schaltete und beschloss, offiziell und vorne auf der Bühne nur noch die Delegiertenstimmen für Romney zu nennen, geriet die Veranstaltung für einen Moment außer Kontrolle und hallten Ron-Paul-Rufe durch die Halle.

Jetzt haben die Republikaner den Salat: Voller Neugier wartet man auf den Auftritt von Ron Pauls Sohn Rand Paul, der als US-Senator am Mittwochabend irgendwann nach 19 Uhr (in Deutschland nach 1 Uhr nachts) für einen kurzen Augenblick ans Mikrophon treten sollte. Und plötzlich interessieren sich immer mehr Leute für ein Ron-Paul-Video, das in Tampa gezeigt wird.

Eine Partei, die große Stücke auf ihren monatelangen basisdemokratischen Vorwahlkampf hält, sollte sich hüten, ihre unbequemen Geister auszugrenzen. Ron Paul lässt sich sowieso nicht mundtot machen.