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Strandtag

(Nach Christian Friedrich Hebbel, »Herbstbild«)

Dies ist ein Strandtag, wie ich keinen sah!
Die Luft steht still, sogar am Wassersaum,
Und dennoch strömt von fern und nah
Die Badeschar in diesen Meeresraum.

Der Parkplatz voll, die Taschen schwer,
die Parkuhr klemmt, das ist nicht fair.
Die Treppe steil, sie führt zum Meer,
Da stapft hinauf ein Menschenheer.

Die Leiber liegen dicht bei dicht,
Ein Fleckchen frei? Wohl eher nicht.
Erschöpft sinkt Mutter in den Sand,
Vater ist stolz, weil er dies Plätzchen fand.

Oh stört es nicht – das ist Familienglück,
Zumindest in dem Blick zurück.
Im Augenblick denkt jeder nur:
Ach, so ein Strandtag stresst doch pur!

Sibylle Korber, Odenthal

 

Internationale Küche

In einem Restaurant in Billund fanden wir folgendes Dessert: Rote Grütze, wirt mit Sahne serviert. Unsere Kinder wollten dann doch lieber Eis.

Maria Bieler, Wissen, Rheinland-Pfalz

 

Zeitsprung

 

60 Jahre liegen zwischen den beiden Bildern von meinem Bruder und mir, 60 Jahre eines Lebens mit Trisomie 21. Eine Schulausbildung gab es deshalb für Hermann nicht. Aber mein Bruder hat eine Begabung für die Musik, und alles, was er musikalisch erreicht hat, hat er sich selbst beigebracht. Schon als Dreijähriger spielte er auf der Mundharmonika. Später suchte er sich Melodien auf dem Klavier zusammen und erarbeitete sich auf dem Akkordeon ein großes Repertoire. Immer wieder bereicherte er kirchliche Veranstaltungen mit seiner Musik und seiner Fröhlichkeit. Inzwischen spielt er auch Schlagzeug in einer integrativen Band. Er hatte großes Glück. Er wurde in die Zeitspanne hineingeboren zwischen Hitlers Euthanasie und der heutigen Pränataldiagnostik – der häufig ein Abbruch der Schwangerschaft folgt.

Dorothea Vierhuff, Burgdorf, Niedersachsen

 

Was mein Leben reicher macht

Sommermorgen. Als ich das Fahrradschloss aufschließe, höre ich den Straßenbauarbeiter gegenüber ein Lied von Pippi Langstrumpf pfeifen: »Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt.« Frohen Herzens radle ich los.

Tina Schäfer, Kassel

 

Internationale Küche

Aus dem »Ländle« kommend, studierte ich in Florenz zur Mittagszeit eine Speisekarte und stolperte dabei über die Bezeichnung »Mundtäschchen«. Da hatte sich der Übersetzer wohl daran erinnert, dass das Wort »Mund« im Hochdeutschen den Menschen zugeordnet wird, während der Begriff »Maul« für die Tiere reserviert ist. Ich bestellte also vergnügt die Mundtäschchen, hinter denen sich tatsächlich Maultaschen oder besser gesagt Ravioli verbargen.

Gisela Mulot, Immenstaad, Baden-Württemberg

 

Was mein Leben reicher macht

In sechs der vergangenen acht Jahre bin ich von München nach Venedig gewandert. Mit dabei waren stets ein oder zwei meiner Kinder. Dabei durchquerten wir Wiesen und Geröllfelder, erklommen manchen Gipfel, stiegen hinab ins Tal. Wir gingen, hatten Zeit füreinander, konnten das Leben besprechen.

Johannes Teichmann, Veitshöchheim, Franken

 

Was mein Leben reicher macht

Jeden zweiten Samstag treffen sich in Karlsruhe-Durlach Menschen verschiedensten Alters, um gemeinsam zu lachen. Dabei erzählen wir uns keine Witze, sondern wir machen Lachyoga, eine Kombination aus Pantomime, Dehn- und Atemübungen. Das Gehirn unterscheidet nämlich nicht zwischen echtem und motorischem Lachen. Nach einer Stunde verlassen wir den Übungsraum mit einem Lächeln auf den Lippen. Und das Schönste daran: Die gute Laune hält noch lange an.

Solveig Bek, Karlsruhe

 

Die Kritzelei der Woche

Ich arbeite als IT-Berater. Zu meinem Job gehören lange Telefonkonferenzen, bei denen es darum geht, dass die Anlagen beim Kunden sicher funktionieren, aber möglichst wenig Kosten verursachen. (Mit jedem ausgeschalteten Server fällt der Stromverbrauch.)Dabei entstehen solche Kritzeleien. Auch wenn es komisch klingt, Kritzeln hilft mir bei der Konzentration.

Oleg Drewin, Frankfurt

 

Internationale Küche

Unsere Lieblingsspeisekarte fanden (und stibitzten) wir in einem Lokal in der Auverne. Neben appetitanregenden »Kaldaunen Hammel Güllen« wurde da auch ein unwiderstehliches »Steack Oberkellner« angeboten. Als unfair erachteten wir es dagegen, dass Deutsche »die fish mit keine gemüse« offeriert bekamen, während für franko- oder anglofone Gäste zum Fisch immerhin petits légumes oder small végétables vorgesehen waren.

Walter und Gertrud Farber, Chicago