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Feldrain: Mein Wort-Schatz

Mein Wort-Schatz heißt Feldrain. Was steckt alles in diesem Wort! Sommerhitze, gelbe Kornfelder, leuchtende Mohn- und Kornblumen, ab und zu auch Kamille, Insektengesumm – Sommerferienkindheitsglück. Später kam mir mein Wort-Schatz abhanden. Da gab es nur noch Weg- oder gar Straßenränder. Das klingt nach Staub und Verkehr, und ich trauerte meinem Feldrain nach. Aber dann kam er wieder, allmählich erst, dann immer häufiger, und heute freue ich mich bei unseren Spaziergängen wieder an meinem bunten, duftenden Feldrain.

Almut Eberhardt, Detmold

 

Was mein Leben reicher macht

Sommerurlaub an der Algarve. Am Ende eines Tagesausflugs nach Sevilla fahren wir zurück in unser Domizil. Die Sonne geht unter, draußen zieht die andalusische Landschaft vorbei. Niemand spricht. Meine beiden Söhne sitzen links und rechts von mir. Mein Großer, 17, senkt seinen Lockenkopf auf meine Schulter. Der Kleine, 12, gibt mir seinen Kopfhörer, damit ich seinen Lieblingssong von den Dire Straits hören kann. Dann fühle ich seine Hand in meiner. Noch jetzt, Monate später, ist mir dieser Moment so gegenwärtig. Ich glaube, ich werde ihn nie vergessen …

Josef Nosbüsch, Speyer

 

Das ist mein Ding


So lange ich denken kann, stand er im Keller meiner Großeltern, hellgrün gestrichen und ungenutzt. Immer war er mit umgezogen, zuletzt aus dem Ruhrgebiet ins Hessische. Als auch meine Großmutter gestorben war und ich das Haus ausräumte, ging er wie selbstverständlich in meinen Besitz über. Er wurde abgelaugt und ist seitdem immer in meiner Nähe. Der kleine große Holzstuhl hat eine Sitzhöhe von 33 Zentimetern, ist durchaus bequem, auch für Ausgewachsene, verändert die Maßstäblichkeit jeden Raumes und weiß sich zu behaupten. Und wenn er jetzt in der ZEIT abgebildet wird, lässt sich vielleicht endlich auch mein Mann von seiner Unentbehrlichkeit überzeugen.

Julia Bernt-Dori, Darmstadt

 

Was mein Leben reicher macht

Ich betrete die Schule und mache mich auf den Weg zum Lehrerzimmer. Da spricht mich Serhat aus der siebten Klasse an, mustert mich von oben bis unten und bemerkt im jovialen Ton: »Guten Morgen, Herr Trapphagen, heute mal kein Hemd?« Ich trug ein Poloshirt. »Sieht aber auch sehr schick aus!« Deswegen bin ich gern Lehrer.

Dirk Trapphagen, Leverkusen

 

Was mein Leben reicher macht

Der Gutschein, den mein jüngster Sohn, 27, mir zum Geburtstag geschenkt hat: »Liebe Mama, jetzt verdiene ich mein eigenes Geld und möchte Dir einen lang gehegten Wunsch erfüllen: ein langes Wochenende in Venedig, mit allem Drum und Dran!« Nächstes Wochende ist es so weit!

Louisa Ertl, Wien

 

Wiedergefunden: Niedeckens Riegel


Mit jedem Umzug habe ich Kellerkisten tragbarer, manche Erinnerungskiste erträglicher gemacht. Jetzt ist es wieder so weit. Diesmal widme ich mich der Teenagerzeit. Da war ich überall! Konzerteintrittskarten wandern in den Müll. Mein Idol Wolfgang Niedecken hat mir backstage mal ein Milky Way geschenkt. Natürlich habe ich es nicht gegessen. Bis heute nicht. Laut Aufschrift ist es am 29. September 1984 abgelaufen. Stimmt doch gar nicht! Es ist »verdamp lang haltbar«. Ich werde ihm im nächsten Keller wieder einen schönen Platz suchen. Für diesmal hat es genug von der Welt gesehen. Sogar zu meinem Freund Klaus Eppele durfte es, der es für mich fotografiert hat.

Birgit Jennerjahn-Hakenes, Karlsruhe

 

Was mein Leben reicher macht

Morgens auch mal mit dem Fahrrad statt mit dem Auto zur Arbeit zu fahren. Und die Dusche, die mein Arbeitgeber installiert hat, um das zu ermöglichen.

Patrick Poetzsch, Kelsterbach

 

Was mein Leben reicher macht

Ultraschall-Untersuchung. Hinter dem Vorhang, von der Liege nebenan, hörte ich folgende Unterhaltung. Arzt: »Meine Güte, können Sie so lange die Luft anhalten!« Patient: »Alles Training.« Arzt: »Ach, tauchen Sie?« Patient: »Nein, aber wenn mir in der Kirche die Predigt zu langweilig ist, halte ich die Luft an und schaue dabei auf die Uhr.«

Carmen Oechsler, Waghäusel

 

Lapislazuli: Mein Wort-Schatz

Im Kunstunterricht begegnete mir einst das Wort Lapislazuli: alten Ägypterinnen gewannen aus diesem Halbedelstein Farbe und verwendeten sie unter anderem als Augenschminke. Noch mehr als das aber faszinierte mich der Klang des Wortes und wie es auf der Zunge schmeckte: La-pis-la-zu-li. Eine herrliche Wortmelodie, welche mir nicht mehr aus dem Kopf ging. So nahm ich das Wort durch mein weiteres Leben mit und konnte auch nicht widerstehen, es in einem Internetforum als mein Pseudonym zu verwenden.

Es gibt aber auch Begriffe, die ein Gefühl so plastisch beschreiben, dass man es beim Lesen intuitiv spürt. Zum Beispiel: Herzeleid. Dieses Wort hat eine wahrhaft poetische Anmutung, was den emotionalen Zustand, so man ihn erlebt, zwar auch nicht besser macht, ihn aber in wunderbarer sprachlicher Eleganz beschreibt. Ein lautmalerisch interessantes Wort ist holterdiepolter. Es besticht durch seinen Reim und durch die Zwischensilbe »die«. So wird förmlich greifbar, wie etwas überstürzt und geräuschvoll passiert und einen etwas unaufhaltsam ereilt, was man sich lieber mit mehr Ruhe und Zeit gewünscht hätte.

Tohuwabohu dagegen klingt zunächst befremdlich. Es scheint keinen Sinn zu haben, strahlt aber etwas Magisches aus. Kommt es vielleicht aus einer Indianersprache? Nein, es stammt aus dem Hebräischen und steht für »völlige Unordnung, Durcheinander«. Ich denke an meine Kindheit und mein Kinderzimmer. Aber ist nicht oft aus dem Chaos etwas Neues, Geniales entstanden, wenn wir aus Decken, Matratzen und Lampen Raumschiffe gebaut und aus  Tischdecken und Handtüchern kunstvolle Räuberhöhlen installiert haben?

Ein ganz und gar schönes Wort schließlich ist Schmuckschatulle. Ihm haftet eine herrliche Patina an, die an Omas Maiglöckchenparfum und ihren Toilettentisch im Schlafzimmer erinnert. Man kann sich in einer Schmuckschatulle keinen Modeschmuck vorstellen, sondern nur edle, echte Preziosen, die in der Schmuckschatulle sorgsam drapiert und nur zu besonderen Anlässen getragen werden. Die Schmuckschatulle selbst besteht selbstredend aus hochwertigen Materialien wie Edelhölzern und Messing, im Inneren ist sie mit Samt verkleidet. Im Gegensatz zum profanen Schmuckkasten der neueren Zeit besticht die Schmuckschatulle durch zeitlose Wertigkeit und altmodische, ja vielleicht etwas verstaubte Eleganz. Und das macht sie um so liebenswerter.

Brigitte Rahn, Aschaffenburg