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Was mein Leben reicher macht

Ich arbeite in einem Museum und führe jeden Tag viele Kinder und Jugendliche durch Ausstellungen. In einer der letzten Ausstellungen ging es um den menschlichen Geist und dessen künstlerische Darstellung. Ich stand vor einer Gruppe mit vielen kleinen Kindern, die ich fragte, wofür der Mensch denn eigentlich seinen Kopf und seinen Geist braucht. Ein kleines Mädchen antwortete: „Zum Denken! Ich denke auch manchmal. Deswegen habe ich auch ein eigenes Denkmal!“, und zeigte auf einen Leberfleck auf ihrer Wange.

Ivonne Rösler, Dresden

 

Was mein Leben reicher macht

Meinem Mann dabei zuzusehen, wie er seine alte Modelleisenbahn wieder aufbaut. Seit Jahren hat sie, gut verpackt, auf ihren erneuten Einsatz bei der nächsten Generation gewartet. Jetzt steckt mein Mann im Rausch kindlicher Begeisterung die Schienen zusammen. Dann dreht der Zug wieder seine Runden und zieht Vater und Söhne in Bann. Ich nehme mir fest vor, mich in dieses Männerhobby nicht einzumischen. Doch als am Abend beide Kinder schlafen, sagt mein Mann: »Komm, fahr mal ’ne Runde.« Und dann liegen wir beide auf dem Wohnzimmerboden, und ich denke: »Ich liebe dich!«

Christiane Wild, Schwäbisch Hall

 

So fromm


Es ist ganz einfach: Parken ist hier nicht erlaubt, auf einem größeren Parkplatz an einem hiesigen Mietshaus-Komplex. Bisher wirbt unsere Stadt, die im Landkreis Mainz-Bingen liegt, mit dem Sprüchlein »Gau-Algesheim … so charmant«. Vielleicht sollte es besser heißen: »Gau-Algesheim … so fromm«.

Karla Hoffmann, Gau-Algesheim

 

Christkindl: Mein Wort-Schatz

Seit über 40 Jahren habe ich – immer im Dezember – ein Lieblingswort: Christkindl (Oder besser: »Chrischdkindl«, wie wir im heimatlichen bayrisch-schwäbischen Dialekt sagen.) Schon das Wort ist weich und rund, und wir Kinder wussten, dass dieser kleine Kerl in kurzem dünnem Kleidchen den ganzen Dezember die Fensterbänke abflog und Wunschzettel einsammelte. Welche Macht dieses kleine Wesen hatte: Es konnte all die Wünsche erfüllen und auch liefern! Das Wohnzimmerfenster musste dazu an Heiligabend nur einen klitzekleinen Spalt offen stehen. Das war das Weihnachtswunder! Als Erwachsene erfuhr ich dann vom Weihnachtsmann, bedingt durch meinen norddeutschen Ehemann. Wie profan! Ein dicker Mann mit dickem  Mantel gegen die Kälte, der auch noch einen Schlitten zur Fortbewegung braucht! Unsere Kinder kennen aus paritätischen Gründen nun beide: das Christkindl (nun hochdeutsch) und den Weihnachtsmann. Die beiden haben sich die immer mehr werdende Arbeit in einer globalisierten Welt geteilt. Zu uns aber kommt weiterhin das Christkindl: Am Heiligen Abend steht die Terrassentür einen klitzekleinen Spalt offen.

Pia Kraus, Ulm

 

Was mein Leben reicher macht

Meine Schwiegermutter! Sie ist immer zur Stelle: Für den Radfahrer, der auf der Straße gestürzt ist, für meine Frau und meine Kinder und für mich. Zum Beispiel, wenn ich mal jemanden brauche, mit dem ich einen guten Whisky trinken kann.

Dirk Ludewig, Hamburg

 

Die Bilder des Jahres

Nach 20 Jahren, die Carsten Wend und seine Lebensgefährtin Katrin bestens ohne Trauschein und umso besser mit der gemeinsamen Tochter Hannah gemeistert haben, hat Herr Wend am 31. Mai in der ZEIT der Leser gefragt: „Liebe Katrin, möchtest Du mich heiraten?“ Die frohe Botschaft ist: Sie wollte. Die Fotostrecke mit den Bildern des Jahres auf ZEIT ONLINE hat Herrn Wend inspiriert, uns seine Bilder des Jahres zu zeigen.

Am 6. Oktober diesen Jahres haben wir also geheiratet. Direkt im Anschluss sind wir zu dritt auf Hochzeitsreise nach Kreta geflogen. Vorher haben wir die Einladungskarten für ein Gartenfest im Juni des nächsten Jahres an unsere Freunde verschickt – die nichts von unseren Plänen wussten. Vorne auf der Karte war das Bild von einem Strandspaziergang auf Sylt zu sehen, darauf der Text: „Nach 20 Jahren sturmerprobt…“

Auf der nächsten Seite stand: „… haben wir heute geheiratet“. Dazu war das zweite Bild von uns mit unserer Tochter zu sehen, und die Einladung zum Gartenfest.

Nach zwei stürmischen Jahren hat sich zur Zeit ein wenig Ruhe eingependelt. So bleibt das Leben windig und wird 2012 mit unseren Freunden stürmisch gefeiert.

Carsten Wend, Elmshorn

 

Wiedergefunden I: Der Weihnachtsbrief


Beinähe wäre er einer großen Aufräumaktion zum Opfer gefallen: dieser Weihnachtsbrief meiner damals 9-jährigen Tochter Mamkoué an ihre 5-jährige Schwester Amina. Bemerkenswert, wie viel Philosophie und Liebe in diesen wenigen Zeilen mitschwingt. Rührend, wie das schmucklose Papier durch das Herzchen am Ende des Briefes aufgewertet wird. Beeindruckend, wie gut ihre Deutschkenntnisse waren, denn meine Kinder sind im frankofonen Kamerun groß geworden.

Margit Schalk-Djiango, Jaunde/Kamerun

 

Kritzelei der Woche

Ich studiere Restaurierungs- und Konservierungswissenschaften an der Fachhochschule Köln. Nach abgeschlossenem Bachelorstudium durften wir frischen Masterstudenten kürzlich in einem großen Präsentations-Marathon unsere jeweiligen Masterprojekte vorstellen. Genug Zeit also, um sich der wissensaufnahmefördernden Kritzelei hinzugeben, der ich normalerweise bevorzugt an den Rändern der Vorlesungsskripte nachgehe. Diesmal durfte es eine ganze DIN-A4-Seite Karopapier sein, die ursprünglich für weiterführende Notizen gedacht war.
Hannah Flock, Köln

 

Was mein Leben reicher macht


Als Mutter eines Sohnes mit Down-Syndrom ist auch nach 12 Jahren Erziehung und alltäglichen Lebens längst nicht alles selbstverständlich. Bei unbehinderten Kindern entwickelt sich vieles von selbst oder braucht nur eine gewisse Anregung, um zu werden; Moritz muss sich für alles anstrengen und mühen. Besonders das Erarbeiten der Lese-Schreib-Kompetenz fällt ihm sehr schwer.
Am Freitag vor dem 4. Advent steigt mein Sohn strahlend aus dem Schulbus aus und streckt mir mit den Worten „Für Dich“ einen zugeklebten Briefumschlag entgegen. In seiner Gegenwart öffne ich ihn in neugieriger Erwartung und finde eine Weihnachtskarte; auf selbstgezogenen Bleistiftlinien steht: LiEbE MAMA ! LIEbE PAPA, MORiTZ – und ein Weihnachtsaufkleber. Ich bin in der Seele gerührt über soviel Liebe, die mir da in ungelenken Buchstaben begegnet. Lettern, die ein hohes Maß an Konzentration und Mühe zeigen. Mir kommen die Tränen und ich drücke Moritz vor Dankbarkeit und Anerkennung, weil ich weiß, welche Anstrengung diese Zeilen ihm abverlangt haben… Ein Weihnachtsgeschenk der besonderen Klasse, das ich gut hüten werde.

Regina Hönerlage, Ratingen