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Fast schon bei Nacht

(nach Hans Carossa »Der alte Brunnen«)

Knips aus dein Licht und schnarch. Das ziemlich blöde
Geplansche aus dem Badezimmer klingt.
Reg dich nicht auf, und hört sich’s an auch öde.
Was willst du machen, wenn dort einer singt?

Vielleicht geschieht’s, wenn du schon liegst im Bette,
Dass plötzlich laut es wird – fast schon bei Nacht.
Es plätschert Wasser. Aus ’ner Operette
Singt einer Arien. Zwischendurch er lacht.

Und du schreckst hoch, – dann musst du nicht gleich zanken.
Der Wecker tickt wie immer etwas schrill.
Und nur dein Hauswirt kam auf den Gedanken,
Sich jetzt zu baden, doch er tut’s nicht still.

Es geht vorüber. Bald wird’s wieder leise.
O freue dich, dass er noch baden kann.
Und lausche der von ihm gesung’nen Weise.
Das wird dir noch passieren dann und wann.

Hans-Dieter Stolze, Kassel

 

Im Märzen die Merkel den Rösler einspannt

(Auch zu singen nach der bekannten Volksweise)

Im Märzen die Merkel den Rösler einspannt,
der setzt den Bericht von der Leyen instand.
Der pflüget die Wörter, der egget und sät
Und ändert, was ihm seine Wählerschaft rät.
Der Arme hingegen erhält kaum ein Wort.
Die Sorgen von ihm bleiben ohn‘ einen Ort.
So wird aus dem Zustands- ein Wahlkampfbericht.
Da zeigt die Regierung ihr wahres Gesicht.
So gehen das Frühjahr, der Sommer vorbei,
schon glaubt sie zu ernten das duftende Heu.
Doch erst spricht der Wähler sein mächtiges Wort,
da zeigt sich, ob wirklich nur Reiche an Bord.

Eckhard Heumann, Göttingen

 

Der Wahlkrampf

(nach Rainer Maria Rilke »Das Karussell«)

Mit Autos, Hubschraubern und Bussen dreht
sich eine kleine Weile der Bestand
von Kandidaten, alle aus dem Land,
das hoffentlich so bald nicht untergeht.
Zwar manche haben nicht sehr viel Format,
doch alle haben Mut in ihren Mienen;
eifrige Helfer gehn mit ihnen
und dann und wann ein Spitzenkandidat.

Sogar das Fernsehen ist da mit Team,
das filmt die Wahlveranstaltung in Gänze;
und mancher Kandidat würd gern intim.

Dann denkt er aber doch an seine Wähler
und hält in seiner großen heißen Hand
das Mikrofon und spricht tagtäglich greller.

Und dann und wann ein Spitzenkandidat.

Und auf den Märkten kommen sie vorüber,
auch Frauen, helle, die es mal versuchen,
größere Wahlerfolge zu verbuchen,
als Männer von sehr viel kleinerem Kaliber –
Und dann und wann ein Spitzenkandidat.

Und das geht hin und eilt sich, dass es endet,
und kreist und dreht sich nur und hat ein Ziel:
Rot-Grün oder Schwarz-Gelb abgewendet,
die sonstigen Parteien zählen nicht so viel –,
Und manches Mal Attacken, schnell versendet,
in Presse, Facebook, Fernsehn eingeblendet –
noch bis September dauert dieses Spiel …

Brigitte König, Ingolstadt

 

Komm aus dem Quark!

(nach Stefan George, »Komm in den totgesagten park«)

Komm aus dem schwer verzagten quark und trau
Dem simmern köstlich duftender roulade.
Den feinen säften die ich für dich brau
essenz geseihter blaubeermarmelade.

Erklimm den hohen berg. Den ich dir bau
aus erdäpfelpüree. »Du spinnst!« – »Genau!«
Und zwar auf sauerkraut im schmalz der gans.
Ein diadem wie kuss im lichterglanz.

Vergiss danach das schnäpschen nicht.
Nur pur genieß dein wanken in die reben.
Dann neben eben dir mir leben geben
»Verschwinde nie!« – »Du spinnst!« – »Ich liebe dich.«

Florian Streier, Essen

 

Er bleibt

(nach Eduard Mörike »Er ist’s«)

Winter lässt sein graues Band
wieder flattern durch die Lüfte;
Kalte, wohlbekannte Düfte
Streifen eisigkalt das Land.
Leise sinkt der Schnee
auf die Erde nieder.
Tiefgefroren ist der See.
Winter, du bist’s wieder!
Dich hab ich vernommen!

Pia Binder, Saskia Schillinger, Tulla-Gymnasium, Rastatt

 

Fernsehen ist dumpf

(nach Georg Kreislers Parodie »Musik ist Trumpf«)

Musik ist Trumpf.
Das klingt so dumpf,
wie Sauerkohl und braune Bohnen,
Fernseh schaun tut sich nicht lohnen.
Musik ist Trumpf
klingt stumpf.
Die Zeit verstreicht.
Ein Tatort schleicht
vorbei. Ich hab ihn nicht verstanden.
Wo mag jetzt grad das Traumschiff landen?
In welchem Sumpf?
Musik ist Trumpf.
Ich möchte so gern den Raab mal schlagen
mit einer der Bohlen vor Gottschalks Kopf
Verzweifelte Hausfraun lassen sich von Jauch was fragen.
Und wetten, der Lanz spuckt dem Lafer in den Topf?
Ich schweig und zahl
GEZ-Gebühren ein ums ander Mal.
Ins Dschungelcamp gehn Wollnys Geschwister
und Zwegat wird Finanzminister
mit Geld im Strumpf.
Musik ist Trumpf.
Der Beckmann kriegt nicht genug zu essen.
Der Buhrow blickt so geistreich, wie er kann.
Eisbär, Tiger und Co sollen ihn fressen!
Doch leider fressen die nicht mal den Kameramann.
Ich senk den Blick
und denk an Strick
und Nagel. Sämtliche Pressekonferenzen
will ich schwänzen und lieber mit den Geissens glänzen
mit deutschem Rumpf.
Musik ist Trumpf.
Musik ist Trumpf.
Musik ist Trumpf.

Holger App, Frankfurt am Main

 

Ich schäme mich

(nach Rainer Maria Rilke, »Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort«)

Ich schäme mich: Der Politiker Wort
legt alles unklar, verworren dar.
Ich weiß nicht, was wird, und nicht: Was ist wahr.
Probleme schieben sie weit von sich fort.

Mich ärgert Leichtsinn. Banalität
bestimmt ihr Handeln. Wo führt das hin?
Ich frage mich, ob ich der Einzige bin,
der maßlos in Trauer, in Wut gerät.

Ich fürchte die Herrschaft der Plutokratie,
die Mensch und Natur Katastrophen bringt.
Dahin sinkt alles, und nichts gelingt.
Empört euch doch endlich – jetzt oder nie!

Dieter Klein, Hildesheim

 

Übergriffe

Nach Heinrich Detering »Kilchberg«

täglich andere Ängste
und immer dieselbe Angst
die größte die stärkste die längste:
dass du wieder zulangst

dass du nie genug kriegst
dass es dir nie genügt
dass meine Sicherheit Trug ist
dass du lügst

Angst vor deinem Körper
Angst vor deiner Gier
nachts das alte Entsetzen
dann bist du immer noch hier

Angst in geschlossenen Räumen
such ich den eigenen Platz
den Schutz vor den furchtbaren Träumen
und einen verlässlichen Satz

Und hab ich den gefunden
in den Vertrauen sich lohnt
vielleicht heilen meine Wunden
der Täter wird häufig geschont.

Ursula Schulze, Linnich, Nordrhein-Westfalen

 

Der Leser

(nach rainer Maria rilke, »Der Panther«)

Sein Blick ist von der Endlos-Flut der E-Mails
so müd geworden, dass er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend E-Mails gäbe
und hinter tausend E-Mails keine Welt.

Der scharfe Kopf mit klarer Kraft zum Denken,
der sich in allerkleinster Inbox dreht,
ist wie ein Tanz von Geist um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Freisinn steht.

Doch manchmal geht der Bildschirm vor dem Kopfe
ganz plötzlich aus –. Dann drängt ein Buch hinein,
geht durch des Hirnes angespannte Stille –
und haucht den alten Zauber wieder ein.

Bert Hoffmann, Berlin

 

Die Braue

(nach Joachim Ringelnatz)

Nachts sprießt ein Härchen in der Braue.
Ich werde wach. Es stört mich sehr.
Es kommt dann vor, dass ich sie haue.
Doch hilft es nichts. Es sprießt noch mehr.

Ein dummer Mensch spreizt sich beim Reden.
Das stört mich auch. Ich nehm‘ es hin.
Denn wollt‘ ich allen Dummen geben
von meinem Geist, wo käm‘ ich hin?

So ist es denn, dass ich bescheiden
in meiner Klugheit bleib bei mir.
Mir sprießt der Geist, das zeig ich hier.
Frag stets mich nur, warum ich Haue
so oft bekomm‘ wie jene Braue.

Bernd Kaufmann, Zweibrücken
(Gegeben des Nachts vom 03.01. auf den 04.01.2013 im Erkältungsfieberwahn!)