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Das ist mein Ding

Dieser Engel gehörte meiner Mutter. Jedes Jahr in der Adventszeit bekam er seinen Platz im Wohnzimmer. Ich fand ihn schon immer sehr schön, und nach dem Tod meiner Mutter vor vier Jahren fiel er mir bei der Haushaltsauflösung wieder in die Hände. Nur ein kleiner Gegenstand, auch nicht von materiellem Wert, aber für mich mit vielen guten Erinnerungen verbunden. Jetzt steht er bei mir am Fenster. Jeden Tag sehe ich ihn an und freue mich, dass ich ihn hier habe.

Gisela Eschment, Hermannsburg, Niedersachsen

 

Das ist mein Ding

Im Keller eines alten Bauernhauses fand ich diesen Stein: dreieckig, die Spitzen abgeschrägt, auf einer Seite glatt mit drei Vertiefungen, eine Kante deutlich abgenutzt. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Der Stein weckte meine Neugier. Wozu mag er wohl gut gewesen sein?

Inzwischen habe ich es herausgefunden: Er gehörte auf den Dielenboden in der Stube. Darauf stand der gusseiserne Kanonenofen, mit den drei Füßen in den Vertiefungen. Eine Kante ist abgenutzt von den vielen Schuhen, die zum Trocknen beziehungsweise Wärmen daran lehnten. Ein Ding aus einer fernen, längst vergangenen Zeit erzählt seine Geschichte – wenn man sie nur zu lesen weiß.

Niko Leiß, Tholey, Saarland

 

Das ist mein Ding

Mein Ding ist diese zerbeulte Milchkanne mit Kindheitserinnerungen aus den fünfziger Jahren. Darin holten wir Milch vom Wagen, der zuerst noch mit Pferd kam, später war es das Auto. Wenn unser Hauswirt schlachtete, bekamen wir Wurstbrühe darin. Mühsam war es, die Kanne voll Bickbeeren (Blaubeeren, Heidelbeeren) zu sammeln. Heute steht sie im Küchenregal, gefüllt mit Dinkel.

Barbara Borgfeldt, Friedrichshafen

 

Das ist mein Ding

Beim Herumkramen kam das Ding plötzlich zum Vorschein: meine alte Strickliesl! Ein ramponiertes, aber kleines, freundlich in der Hand liegendes Etwas, geschaffen für Kinderhände. meterlange bunte Würste sind mit ihr entstanden, und jeder, ob er es wollte oder nicht, wurde damit beglückt. Meistens wurden die Würste weiterverarbeitet zu den berühmten Gläseruntersetzern. Meine Oma hatte für mich immer ein paar Wollreste in den unterschiedlichsten Stärken, sodass die abenteuerlichsten Kreationen entstanden sind.

Den Spaß gönne ich mir jetzt mal wieder!

Helga Laabs, Bonn

 

Das ist mein Ding

Diese Taschenuhr erinnert mich an meinen Großvater. Die Kette wurde aus dem Haar meiner Großmutter geflochten. Für mich, aufgewachsen am Ende des Zweiten Weltkriegs in einer zerbombten Großstadt, waren die Besuche bei den Großeltern immer ein ganz besonderes Erlebnis: eine friedliche Idylle auf dem Lande. Und wenn Großvater lamentierte, dass das Ziffernblatt in der Schlacht bei Tannenberg beschädigt worden war, bekam er zur Antwort: »Sei dankbar, dass dir nichts Schlimmeres passiert ist!«

Gerold Greiff, Linkenheim-Hochstetten, Baden-Württemberg

 

Das ist mein Ding

Darf ich vorstellen: eine schlichte und glanzlose Erscheinung, mit Kratzern, Dellen und Macken. Alt und grau. Mein Ding ist nichts Besonderes. Nur ein gewöhnlicher Blecheimer. Er gehört zu den ausgemusterten Dingen des Alltags. Trendresistent steht dieser Eimer immer noch da. Kein Plastikeimer kann ihm das Wasser reichen. Er ist gut in Form. Oben weiter als unten. Zum Himmel hin offen. Zum Glück nimmt er es mir nicht übel, wenn ich ihn mal im Regen stehen lasse. Vor sieben Jahren habe ich ihn aus einem dunklen Schuppen befreit und ans Licht geholt. Ich habe ihm quasi zu einem neuen Auftritt verholfen. Unzählige Fotoserien habe ich mit ihm gemacht. Mit ihm habe ich gelernt, das Gewöhnliche mit anderen Augen zu betrachten und die einfachen Dinge mehr wertzuschätzen. Es ist nicht der Alltag, der uns abstumpft. Es ist der Blick auf die Dinge, der sich abnutzt. Gerne lausche ich dem Blechgeflüster und entdecke die Poesie der einfachen Dinge. Und wenn ich aus dem Haus gehe, nicke ich meinem Blecheimer freundlich zu. Bisher hat er meinen Gruß allerdings noch nicht erwidert.

Elke Heldmann-Kiesel, Darmstadt

 

Das ist mein Ding

Die alte Kamera meines Vaters. Er kaufte das besonders lichtstarke Objektiv vor knapp 30 Jahren, um meine Geburt fotografisch festhalten zu können. (Blitze waren im Kreißsaal nämlich strengstens verboten.) Heute freut er sich darüber, dass ich diese Kamera zu schätzen weiß, und ich freue mich über die schönen Bilder, die sie mir liefert. Sie begleitet mich auf jeden Ausflug, jede Reise. Eigentlich nehme ich sie überall mit hin. Die analoge Fotografie reizt mich, denn dank der digitalen Bilderflut bin ich übersättigt von perfekt nachbearbeiteten Aufnahmen.

Katrin Bauer, Dortmund

 

Das ist mein Ding

Diese Lokomotive hat mich bis zum heutigen Tag immer und überall begleitet. In meiner Kindheit wurde die Lok, zu der noch ein Wagen gehörte, allerdings nur in äußerst seltenen Fällen zum Spielen »freigegeben« und dann auch nur unter Mutters wachsamen Augen. Waren es doch die letzten Gegenstände, die unmittelbar von unseren Vater kamen und an ihn erinnerten. Wie unsere Mutter uns erzählte, hatte ihr Mann Lok und Wagen in den wenigen freien Zeiten des Russlandfeldzuges für seine Kinder geschnitzt, und sie erreichten uns, in einem Feldpost-Paket gut verpackt, auf beinahe wundersame Weise kurz vor Weihnachten 1943. Unser Vater geriet dann 1944 in rumänische Gefangenschaft, galt als vermisst und starb vermutlich im darauf folgenden Winter in den endlosen Weiten Sibiriens.

Über den Wert und die Bedeutung dieses Spielzeuges haben meine Schwester und ich als Kinder verständlicherweise selten nachgedacht. Erst später bekam dieses Geschenk seinen beinahe reliquienhaften Charakter. Sicherlich wird diese Kostbarkeit wohl auch von den nachfolgenden Generationen behütet und bewahrt werden, als Erinnerung an einen unglücklichen Menschen, der damals in einem sinnlosen Krieg nicht nur sein Leben verlor.

Henning H. Drescher, Bad Arolsen, Hessen

 

Das ist mein Ding

Diese Baby-Weste aus Filz hat meine Mutter in den Jahren 1949 und 1950 für mich genäht und eigenhändig bestickt. Das kleine Teil hat einen Ehrenplatz in meinem Schrank, und mir wird immer ganz warm ums Herz, wenn ich es in die Hand nehme. Meine Mutter lebt nicht mehr, aber die Erinnerung an sie und ihre Liebe bleibt lebendig.

Ulrike Fort, Köln

 

Das ist mein Ding

Mein Vater hat als junger Mann wunderschöne Segelschiffe aus Walnussschalen gebaut. Leider gingen sie mit der Zeit kaputt oder fielen Umzügen zum Opfer. Als er schon sehr krank, auf einem Auge blind und über seinen Zustand auch zunehmend deprimiert war, erinnerte ich mich seiner Kunstwerke und bat ihn, es doch noch einmal zu versuchen. Meine Hoffnung war nicht sehr groß, dass er darauf eingehen würde. An meinem darauffolgenden Geburtstag jedoch überraschte er mich mit diesem kleinen Segler. Wie viel Mühe hatte er darauf verwandt! Leider ist mein Vater vor fünf Jahren gestorben. Dieses Schiffchen jedoch wird mir stets ein Beweis seiner Zuneigung sein – es hat einen Ehrenplatz, und ich erfreue mich jeden Tag daran.

Hildegard Herzog, Rottenburg, Bayern