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Mein Ding

Dieser Schemel gehörte schon zum Haushalt meiner Großeltern und wurde immer dann braun angestrichen, wenn auch der Fußboden eine neue Farbe benötigte. Meine Urgroßmutter saß auf ihm (sie lebte im Haushalt meiner Großeltern), wenn sie ihren Enkeln Märchen erzählte. Später benutzte ihn der heranwachsende Enkelsohn, um seiner Mutter, die sehr klein war, die Gelegenheit zu geben, ihm eine Ohrfeige zu verpassen. Was ihr trotzdem nicht möglich war: Er wehrte den Arm ab. Dann kam der Schemel zu mir, der Urenkelin, wurde abgebeizt, und die Narben (Wurmstiche und Nägel) kamen zum Vorschein. Heute steige ich auf den Schemel, wenn ich Gegenstände aus den obersten Schrankfächern nehmen will.

Renate Gottwald, Kalchreuth, Mittelfranken

 

Das ist mein Ding

Meine Großmutter schenkte mir, als ich etwa vier Jahre alt war, dieses kleine Fläschchen uralt lavendel mit einem letzten Tröpfchen Parfüm. Damit ich mich möglichst lange mit diesem Duft benetzen konnte, verdünnte ich den Tropfen zu immer höheren homöopathischen Potenzen. Kräftiges und langes Schütteln sollte helfen, alle Duftreste aus dem Flascheninneren zu lösen. Meine Mutter zweifelte am Erfolg meiner Anstrengungen. Als der Flakon leer war, steckte ich das Flaschenhälschen in mein Nasenloch, um die allerletzten Lavendelmoleküle zu erhaschen. Und was soll ich sagen? 40 Jahre später duftet es – so meine ich zumindest – immer noch nach Lavendel und Omi.

Georgia Wendling-Platz, Landshut

 

Das ist mein Ding

Als ich vier Jahre alt war, ging ich zusammen mit meiner Cousine Gudrun durch den Prenzlauer Berg in Berlin. In einem vom Krieg zerstörten Haus sah sie dieses Bärchen in einer Fensterhöhle liegen und »rettete« es für mich in einer waghalsigen Klettertour. Seitdem ist der Bär mein treuer Begleiter über viele Stationen und Städte meines Lebens hinweg. Später bekam ich auch noch diverse Puppen, doch diesen Bären habe ich ihnen allen vorgezogen. Man sieht ihm die Jahre und meine Reparaturen an, aber auch die Liebe, mit der wohl einst in den Kriegsjahren eine Mutter dieses Spielzeug aus Wollresten für ihr Kind gehäkelt haben muss. Vor ein paar Jahren nun sind wir beide zusammen wieder in »seine« Heimat, nach Prenzlauer Berg gezogen.

Dagmar Helmbold, Berlin

 

Das ist mein Ding

Bei einem Besuch im Paderborner Diözesanmuseum vor vielen Jahren hörte ich erstmals von dem alten katholischen Brauch, einem Sterbenden ein Kreuz in die Hand zu geben. Ich fragte daraufhin meine Oma, ob sie diesen Brauch kenne. Als Antwort öffnete sie eine Schublade, zeigte mir dieses Kreuz und sagte: »Jetzt weißt du, wo mein Kreuz liegt. Wenn es mal so weit ist, dann bring es mir.« Dies habe ich nie vergessen. Ich war bei ihr, als sie starb und konnte ihr im richtigen Moment das Kreuz in die Hand geben. Eigentlich wird ein Sterbekreuz wohl mitbeerdigt. Meine Oma hatte ihres in der Hand, als sie im Sarg aufgebahrt war, aber ich bat die Bestatterin danach, es mir zu geben. So erinnert es mich bis heute an einen der großen Momente meines Lebens.

Claudia Auffenberg, Borchen, Nordrhein-Westfalen

 

Das ist mein Ding

Diese Küchenuhr versieht ihren Dienst seit 1960! Sie ist mir so lieb und teuer, weil ich sie damals in Pasadena, Kalifornien, gegen Rabattmarken bekam – erstmalig und in unserem zweiten Ehejahr. (Wir arbeiteten in den USA als Wissenschaftler.) Inzwischen kamen weitere Küchenwecker ins Haus, aber ich mag mich nicht von dem ersten trennen.

Waltraud Richter, Langenhagen

 

Das ist mein Ding

Im Winter 1947/48 lebten meine Eltern in einem Flüchtlingslager in der Lüneburger Heide. Meine Mutter war schwanger mit mir, ihrem ersten Kind. Weil es in der Nachkriegszeit noch keine Papiertaschentücher gab, schneiderte sie aus einem sicher nicht ganz taufrischen Stoffrest Babytaschentücher für mich, die sie mit blauem und rosa Garn umstickte. Die Initiale meines Vornamens, das kleine rosa R, fügte sie erst nach meiner Geburt hinzu – so erzählte sie mir. Eines der Taschentücher hat mich durch mein ganzes Leben begleitet und auch meine vielen Umzüge überstanden. Das kleine Tuch erinnert mich an meine 1974 verstorbene Mutter, und auch daran, dass ständiges Wegwerfen in meiner Kindheit noch nicht an der Tagesordnung war.

Reinhild Berger, Korntal-Münchingen bei Stuttgart

 

Das ist mein Ding

Der gute, alte Nähkasten, ein Relikt meiner Kindheit: auf den Deckeln zarte Kratzer und viel Staub. Eine Schraube löst sich. Wie oft habe ich als Kind bunte Garnrollen und Knöpfe in die Fächer sortiert! Gütermann’s Nähseide, Zwirn Nr. 12 als Handgarn, Nr. 50 als Maschinengarn. Heftgarn, Fingerhüte. Stopfpilz. Wäscheknöpfe, mit weißem Leinen bezogen. Stopfgarn, mit dem meine Mutter die Löcher meiner Strumpfhosen schloss. Ein Stück Nesselstoff, mit Kreuz- und Hexenstich verziert. Zwischen Gummilitzen Reste vom Stickgarn. Vieles davon kaufte meine Mutter mit mir gemeinsam. Bei »Leifert-Kurzwaren«. In altdeutschen Buchstaben stand dieser Name über dem Geschäft. Heute blinkt es dort neongrün: »Flippothek«.

Petra Yildiz, Göttingen

 

Das ist mein Ding

Zugegeben: »Mein Ding« ist weder schön noch wertvoll. Doch schon in meiner Kindheit in den fünfziger Jahren hat die stabile Kehrschaufel aus Metall dafür gesorgt, dass nichts unter den Tisch gekehrt wurde. So gezeichnet von einem langen Arbeitsleben, wie sie jetzt ist, hätten die meisten sie vermutlich längst ausgemustert. Selbst ich habe dem guten alten Stück schon einmal den Rücken gekehrt, als mir jemand einen stylischen, silbrig glänzenden Ersatz schenkte. Doch jenes neue Kehrblech war schon nach kurzer Zeit verbogen, und ich bin reumütig zurückgekehrt zu meiner unverwüstlichen Kehrschaufel. Seitdem kehrt sich alles wieder zum Besten.

Renate Steinhorst, Bamberg

 

Das ist mein Ding


So lange ich denken kann, stand er im Keller meiner Großeltern, hellgrün gestrichen und ungenutzt. Immer war er mit umgezogen, zuletzt aus dem Ruhrgebiet ins Hessische. Als auch meine Großmutter gestorben war und ich das Haus ausräumte, ging er wie selbstverständlich in meinen Besitz über. Er wurde abgelaugt und ist seitdem immer in meiner Nähe. Der kleine große Holzstuhl hat eine Sitzhöhe von 33 Zentimetern, ist durchaus bequem, auch für Ausgewachsene, verändert die Maßstäblichkeit jeden Raumes und weiß sich zu behaupten. Und wenn er jetzt in der ZEIT abgebildet wird, lässt sich vielleicht endlich auch mein Mann von seiner Unentbehrlichkeit überzeugen.

Julia Bernt-Dori, Darmstadt

 

Das ist mein Ding


»Als er fünf Jahre alt war, bin ich zu meinem Chef gekommen, und jetzt wache ich seit siebzig Jahren über seinen Schlaf. Was habe ich in dieser Zeit nicht alles erlebt! Ausgebombt in Berlin-Südende, bin ich 1943 mit in den Westen gezogen und wurde von der Mutter des Chefs in Verwahrung genommen, als er mich als 14-Jähriger glaubte entbehren zu können. Ich wurde mit einem neuen Fell eingekleidet und bei der Hochzeit meines Schützlings präsentiert. Seitdem habe ich die beiden begleitet, von Marburg nach Essen, Düsseldorf, Köln, Kassel und Siegburg. Ganz toll finde ich es, wenn die Enkel meines Chefs kommen und sagen: ›Cool, dass der Opa auch einen Teddy im Bett hat!‹ Die wollen dann manchmal mit mir spielen. Aber bei aller Fitness: Dafür bin ich jetzt doch zu alt.«

Walter Bitter, Siegburg