Als wir kürzlich Fotoalben und Tagebücher durchforsteten, fanden wir – fast genau 30 Jahre nach seiner Ausstellung – das angegilbte Formular ZV 265 vom 6. November 1981, die »Erklärung über mitgeführte Gegenstände und Zahlungsmittel «. Es auszufüllen war Pflicht für jeden Erwachsenen beim Grenzübertritt in die DDR. Heute amüsieren mich »2 Erdnüsse « (natürlich waren zwei Tüten gemeint) und die Wichtigkeit von »Waschpulver 4,5 kg«, »1 kg Kaffee« und »Bananen 3 kg«. Das brachten wir den Freunden mit, die wir im Eichsfeld besuchten. Gut, dass heute, 30 Jahre später und 22 Jahre nach dem Fall der Mauer, zumindest an solchen Dingen kein Mangel mehr herrscht.
Das ist eine Quittung über zwanzig Pfennige, ausgestellt am 9. Februar 1990. Ich habe sie mir aufbewahrt als »Skurrilität« und als kleines Dokument unserer Geschichte. Meine Frau und ich waren mit dem Wagen auf der Autobahn von Berlin über Leipzig unterwegs, als wir ein WC aufsuchen mussten. An einer Raststätte hielten wir und bekamen für unseren »Besuch« und die entsprechende Bezahlung in D-Mark, da wir nicht in Mark der DDR begleichen konnten, diese Quittung über sage und schreibe zwanzig Pfennige. Wenige Meter nach der Ausfahrt der Raststätte wurden wir von der Polizei wegen Überschreitung der erlaubten Geschwindigkeit gestoppt. Kurz hinter der Ausfahrt jedoch hätten wir nicht einmal die erlaubte Geschwindigkeit erreichen können! Mit der Quittung konnte ich beweisen, dass wir soeben die Raststätte besucht hatten. Der Beweis wurde anerkannt, und wir durften ohne Verwarnung und Bußgeld unsere Fahrt fortsetzen.
Dieses Schlüsseletui hat mir meine Frau vor 15 Jahren geschenkt, und deshalb ist es mir besonders wertvoll. Trotzdem ging es im Lauf der Jahre dreimal verloren, tauchte aber stets recht spektakulär wieder auf. Beim ersten Mal geschah es, als ich Säcke mit Plastikmüll für den Abtransport bereitlegte. Plötzlich war das Etui unauffindbar. Nach ein paar Tagen sah ich am Zaun auf der anderen Straßenseite einen Zettel: »Schlüsseletui gefunden«. Es war mir in den Haufen der Müllsäcke gefallen. Beim zweiten Mal wusste ich noch gar nicht, dass ich es eigentlich verloren hatte, als meine Frau nach zehn Kilometern Radfahrt beim Bäcker auf das Etui zeigte – ich hatte es auf den Sitz meines Liegerades gelegt und war darauf die ganze Strecke gefahren. Beim dritten Mal war es vor drei Wochen auf unserer Hausstrecke auf unerklärliche Weise aus einer ans Rad gehängten Leinentasche verschwunden. Vergeblich fuhren wir die Route noch einmal ab, doch eine Frau, die – wie sie sagt – eigentlich nie Kleinanzeigen liest, entdeckte die, die ich in meiner Verzweiflung aufgab, und rief mich eine Woche später an: Ihre Kinder hatten das Etui gefunden. Vielleicht sollte ich mir, um mein Glück nicht über Gebühr zu strapazieren, ein Schlüsselband anschaffen und es nur in Ausnahmefällen ablegen.
Unter den nachgelassenen Briefen des Großvaters meiner Frau fand sich auch ein dickes Kuvert, das er 1917 an der Westfront in Frankreich an einen Bekannten geschickt, aber mit dem Vermerk wiedererhalten hatte, der Empfänger sei »vermisst«. In dem Umschlag lag eine Reclam-Ausgabe von Hölderlins Hyperion mit einem Brief: »Hiermit schicke ich Ihnen ein Buch, das ich erst kürzlich gelesen habe. Es enthält Stellen von höchster Schönheit und ist geeignet, uns für Augenblicke ganz über den grauen Alltag zu erheben. Mich hat es wunderbar getröstet in Stunden, wo mir alles wieder zerbrochen schien. Man muß es immer bei sich haben, um jederzeit darin lesen zu können. « Da sage einer, Literatur sei keine Lebenshilfe! Peter Thrul, Marxheim
Gerade einmal des Schreibens mächtig, verfasste mein damals siebenjähriger Sohn Julius nach einem kleinen Streit diesen Brief. Dabei sprach er mich, wohl um die Ernsthaftigkeit seines Anliegens zu unterstreichen, mit meinem Vornamen an – wenn auch orthografisch nicht ganz korrekt. Heute, 13 Jahre später – er studiert inzwischen Medizin –, legt er noch immer diese liebenswerte unbestechliche Ehrlichkeit an den Tag. Dafür mag ich ihn sehr! Ruth Mätzler, Salzburg
Als ich vor einiger Zeit den Nachlass meines Vaters sortierte, fand ich diese Interzonen-Reiseerlaubnis. Damit durfte mein Vater aus dem britisch besetzten Schleswig-Holstein durch die Sowjetische Besatzungszone nach West-Berlin reisen, um das Fußball-Länderspiel Deutschland – Türkei am 17. Juni 1951 zu sehen. (Die Türkei hat damals vor 90 000 Zuschauern übrigens 2 : 1 gewonnen.) Ich wusste zwar, dass mein Vater ein großer Fußballfan war – sein Schiedsrichter-Ausweis von 1932 war auch bei den Unterlagen –, doch dass er extra zu diesem Spiel nach Berlin gereist ist, obwohl das Geld knapp war, das hat mich schon überrascht. Heuzutage wäre es wohl weniger kompliziert, zum Europameisterschafts-Qualifikationsspiel in die Türkei zu gelangen. Wolfgang Richter, Darmstadt
Im Nachlass meiner Eltern fand ich eine Postkarte, die ich 1958 als Elfjähriger nach Hause geschickt hatte. In den Pfingstferien war ich mit einer Pfadfindergruppe zum Wandern im Sauerland: erstmals in fremder Umgebung, ohne die Eltern, vom anstrengenden Wandern erschöpft, vor allem aber von Heimweh geplagt!
Heute leide ich eher an Fernweh – und wandere leidenschaftlich gern.
Beim Stöbern in alten Fotos fand ich diese »Wiegekarte«. Ich bin im Juni 1949 geboren, war ein eher zartes Zwillings- und Sorgenkind, und es berührt mich heute sehr, wie meine Eltern damals wohl jede Gewichtszunahme von auch nur 100 Gramm als Erfolg notierten. Dank ihrer Liebe und Pflege habe ich rasch zugenommen – nicht nur an Gewicht – und kämpfe heute mit 62 Jahren auch hin und wieder mit den Pfunden. Ich bin sehr froh, dass ich meinen alten Eltern heute – meine Mutter ist 92 und mein Vater 97 – etwas von ihrer damaligen Sorge und Zuwendung zurückgeben kann. Ursula Möhler, Tübingen
„Der Lehrermangel bleibt“, lautete kürzlich die Schlagzeile über einem Interview in der ZEIT. Offenbar nichts Neues in deutschen Landen! Als ich 1932 eingeschult wurde, saßen in unserem Klassenzimmer 60 Mädchen und Jungen dicht nebeneinander. Und noch in der vierten Volksschulklasse waren wir, wie das Bild zeigt, 32 Jungen und 25 Mädchen, die von einem blutjungen Aushilfslehrer unterrichtet wurden. Übrigens: Ich selbst stehe in der oberen Reihe, rechts außen.
Beim Blättern in einem alten Fotoalbum stießen mein fünfjähriger Sohn Elio und mein Mann Michael auf eine Postkarte aus dem Jahre 1972. Damals war mein Mann genauso alt, wie unser Sohn heute ist, und musste für sechs Wochen in ein Kinderkurheim auf Föhr. Allein und ohne Besuch! Einmal in der Woche war »Schreibtag«, dann würde man mehr erfahren… Meine armen Schwiegereltern! Wenn ich mir vorstelle, heute handhabte man dies genauso, ich würde vor Sehnsucht platzen! Immerhin wusste mein Mann zu berichten, dass er sich in eine Erzieherin verliebte – und sich bei einem Sturz über deren Beine seinen Arm brach. Auch das noch!