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Avis

Die nächste Fuhre
ist beim Ölteppichhändler
schon eingegangen

Dirk Jädke, Wuppertal

 

Gerettet nach Herz-OP

Wir operieren Kinder mit schweren Herzfehlern. Der Junge, von dem ich erzählen will, hatte eine durch eine Infektion zerstörte Herzklappe. Es ging ihm sehr schlecht. Auf dem OP-Tisch, kurz bevor die Narkose wirkte, flüsterte er: „Ich komme wieder!“ Die Operation gelang, aber wochenlang schwebte der Junge zwischen Leben und Tod. Die Infektion hatte alle Organe geschädigt, und wir glaubten lange nicht, dass er überleben würde. Schließlich aber besserte sich sein Zustand, und wir konnten ihn in die Rehabilitation überweisen. Jetzt, nach Monaten, erreichte uns ein Brief der Eltern: Ihr Sohn sei wieder zu Hause. Ein Bild war beigelegt, es zeigte einen blassen, dünnen, aber lachenden kleinen Jungen. Darunter stand in Kritzelschrift: „Ich bin wieder da!“ Dieses Bild hat meine Woche wärmer gemacht.

Tilmann Röhl, Stuttgart

 

Steuerbürgerin

Ich warte im Finanzamt. Meine Wartenummer ist die 450. Da fällt mein Blick auf eine Tafel: „Liebe Steuerbürgerin, lieber Steuerbürger…“ Ich bin eine Steuerbürgerin! 84 Jahre lang habe ich das nicht gewusst. Welch eine Wortschöpfung – grandios! Nach der Beratung durch die humorvolle Beamtin verlasse ich das Amt, innerlich hochgemut und angewärmt, nun als Steuerbürgerin.

Gisela Diestel, Braunschweig

 

Wiedergefunden: Ein Blumenbuch-Schatz

Seit August 1961 führte mich mein Weg täglich vom Bahnhof Friedrichstraße zur Landwirtschaftlich-Gärtnerischen, der „Mist-Fakultät“ der Humboldt-Uni in der Invalidenstraße. Und dann eines Tages unterwegs eine Überraschung: im Antiquariat – ein Westbuch! Werkformen der Blumenbinderei von Moritz Evers. Welch überzeugende, schnörkellose Gestaltungsideen für Blumen! Der Funke schlug sofort ein in die Gärtnerseele.

1990 startete ich im überfüllten Zug gen München und sah die erste Ausstellung Weihenstephaner Werkformen der dortigen Fachschule für Blumenkunst, deren Leiter Moritz Evers gewesen war. Daraus entwickelte sich eine fachlich-freundschaftliche Verbindung; die Blumenbinder-Lehrkräfte der neuen Bundesländer wurden in Fortbildungen tatkräftig aus Bayern unterstützt. 2010 feiert Weihenstephan das 60-jährige Jubiläum der Fachschule. Glückwunsch! Und alles hatte 1962 für mich mit diesem Buch begonnen.

Almut Staude, Glindow nahe Potsdam

 

Briefe über Deutschland (9)

Lieber Julian,

Naturkatastrophen wird es immer geben – von Menschen initiierte Katastrophen ebenfalls: Vulkanasche versus Tiefseeöl. Die letzte Katastrophe, die Deutschland direkt traf, liegt weniger als zehn Jahre zurück: Hochwasser an Elbe und Oder. Es kam zu enormen Schäden. Wir Deutschen haben uns damals als erstaunliches Volk erwiesen: Wir zeigten eine Solidarität, welche in den Jahren davor so nicht verwirklicht wurde.

Bis vor wenigen Jahren gab es in den Bundesländern gesetzlich vorgeschriebene Elementarversicherungen für Haus und Hof – eine Solidargemeinschaft aller Versicherten. Heute kann jeder seine Versicherung wählen, allerdings nicht gegen die wirklichen Gefahren: Da lehnt die Versicherung das Risiko ab. Der ursprüngliche Solidarpakt ist aufgehoben, aber durch die Hintertür der Opferbereitschaft kommt er wieder herein. Und es klappt. Ein großer Fortschritt.

Er beginnt sich auch jetzt zu zeigen. Einige meiner Studierenden, die in der vorlesungsfreien Zeit einen Kurzurlaub in Florida planten, diskutieren über eine Veränderung ihrer Pläne. Sie wollen nun an die Nordküste des Golfs von Mexiko fahren und bei der Beseitigung der Ölpest-Folgen helfen. Diese junge Generation ist offenbar weit besser als ihr Ruf.

Das freut
Deinen Rich

Im wöchentlichen Wechsel schreiben sich hier Friedrich Engelke, 68, Physiker aus Villingen, und sein Stiefsohn Julian
Lee, 30, Umweltberater aus Montreal

 

Mai

© steilr/photocase.com

Der Sonne Atem
bricht sich Bahn im Farbenrausch
der Fliederblüten

Vincenz Keuck, Oerlinghausen

 

Lächeln der Clowns

Fast vier Wochen verzauberte der Circus Roncalli viele Menschen in unserer Stadt und der Region. Eine fantastische Reise in kunstvolle Akrobatik und träumerisch-komische Clownerie, man durfte für ein paar Stunden alles um sich herum vergessen. Unsere Familie hatte das große Glück, die beiden Clowns David Larible und Gensi persönlich kennenzulernen. Wenn man dann noch ganz selbstverständlich ein persönliches Lächeln von beiden bekommt, dann ist man für lange Zeit unglaublich reich beschenkt worden. Bitte, kommt bald wieder!

Dörthe, Louise, Jörg, Maximilian und Johannes Zimmermann, Oldenburg

 

Pensioniert – leider?

Im Januar wurde ich nach über 40 Dienstjahren als Lehrer pensioniert. Kürzlich kam ein bunt gestalteter Brief von Katharina aus der 5. Klasse: „Hallo, Herr Hartmann, seit Sie nicht mehr an meiner Schule sind, ist alles total chaotisch. Man versucht sogar, die neuen Toiletten abzubrennen … Und in den Weltkunde- und Religionsstunden ist es irgendwie anders ohne Sie. Frau … bringt einfach keine Freude mit rein. PS: Schreiben Sie mir doch mal zurück. Moin moin.“

Hans Jörg Hartmann, Husum

 

Gütersloh, das Paradies

Bielefeld. Wider Erwarten gibt es diesen Ort wirklich – mit etwas sehr Typischem: dem Bielefeldwetter! Grau in Grau vergeht oft Tag um Tag. Die kleine Flucht daraus ist Sonntag früh eine Fahrt nach Gütersloh, ein Spaziergang im Stadtpark, eine Tasse Milchkaffee im Palmenhaus und der Rest des Tages im Saunagarten der „Welle Gütersloh“. Entspanntes Sein in einem Gräsergarten mit Badeteich und Saunahüttchen, auf einer Liege, in Bademantel und Decken eingemummt, den vorbeiziehenden Wolken zuschauen und sich fragen: Bin ich auf Sylt?

Heike Schepp, Bielefeld