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Zeit zum Lesen

Lesen, was das Zeug hält: Jetzt geht es nicht mehr anders. Nachdem das fiese Wintereis mir Anfang Februar einen schwierigen Fußbruch bescherte, ist es nun der lädierte Arm, der mich als Folge des ersten Fahrradausflugs ans Bett, bzw. den inzwischen bequemeren Sessel fesselt. Nun sind es neben der ZEIT vor allem Frauen, die mich fesseln: von Herta Müller über Julia Schoch zu Ingrid Noll; nicht zu vergessen die eine oder andere hübsche Krankenschwester. Aber ich habe auch einen Leidensgenossen im Krankenhaus dazu überreden können mit mir zu scrabbeln, denn ein „Scrabbelianer bin ich ja – immer lustig heißa, hopsassa…“

Alexander Ehm, Bad Waldsee

 

Zeitsprung: Kaliningrad

Als ich klein war, erzählte mir meine Großmutter so manche Geschichte aus Ostpreußen – aus dem weiten, schönen Ostpreußen ihrer Kindheit. Als damals der Krieg gekommen war, hatte die Familie aus dem Bombenhagel Berlins zurück in die Heimat flüchten müssen und dann auch von dort über zahllose Etappen in den Westen.

Vor über 20 Jahren starb meine Großmutter, und ich entdeckte in ihrem Keller einen Schatz: eine Kiste mit etwa 300 Glasplattennegativen, die Menschen und Szenen aus jenem märchenhaften Ostpreußen zeigen – und die Krieg, Flucht und 40 Jahre Keller erstaunlich gut überstanden hatten.

Es sollte jedoch weitere zwei Jahrzehnte dauern, bis ich diesen Schatz zum Leben erweckte und die Bilder vergrößerte. Dadurch wurde mir diese vergangene Welt so gegenwärtig, dass ich beschloss, 85 Jahre später ins heutige Russland zu reisen, um mir die verbliebenen Fragmente meiner Familiengeschichte zu betrachten. Dabei entstanden Bilder wie dieses.

Frank Krönke, München

 

Hamburger Frieden

Sport im Klövensteen. Wenn ich an der Pony-Waldschänke in den Feldweg 90 einbiege und dann zwischen Wald und Wiese gen Hamburg-Sülldorf laufe, stellt sich ein Gefühl von großem Frieden ein. Die Stadt mit ihren Geräuschen weit weg. Nur Vögel, manchmal Kühe, immer Pferde. Wenn mir dann noch eine Herzensdame entgegenläuft, wir gemeinsam weiterlaufen, ist das Glück perfekt.

Michael Krause, Hamburg

 

Weltkulturdöner?

© Ralf Hirschberger/dpa

Im vergangenen Jahr verlor Dresden wegen der Waldschlösschenbrücke den Titel als Weltkulturerbe. Jetzt startete Martin Roth, der Chef der Staatlichen Kunstsammlungen, zum Gegenangriff: Mit der Eröffnung der „Türckischen Cammer“ im Dresdner Schloss stellt er ein anderes Weltkulturerbe in die Stadt. Und damit es jeder versteht, ließ Roth viereinhalb Millionen Dönertüten mit dem Slogan „Weltkültür“ bedrucken. Was ich allerdings bedauere: Der Ministerpräsident oder die Oberbürgermeisterin holen sich keinen Döner. Also wird sich nichts ändern.

Dietrich Buschbeck, Dresden

 

Briefe über Deutschland (5)

Lieber Julian,

Asche über Dein Haupt – mit dieser Redensart haben wir noch vor wenigen Tagen manchen in Missbrauch Verstrickten zum Bekennen seiner Schuld aufgefordert. Und nun? Nun ist die Asche über unsere Häupter gekommen, wie BSE, Schweinegrippe und anderes Ungemach. Meine Reise nach Hamburg wurde zur Odyssee.

Der Ausbruch des Vulkans auf Island kam keineswegs überraschend, die europaweiten Konsequenzen waren es umso mehr. Es ist nur schwer vorstellbar, wie ein solches Naturschauspiel den kompletten europäischen Flugverkehr lahmlegen kann. Das Problem ist allerdings nicht der Vulkan, ist nicht die Asche. Das Problem ist, dass es keine fest etablierten Grenzwerte gibt. Strikte Reaktionen deshalb: umfassende Flugverbote! Hätte man nicht früher modifizierte Entscheidungen treffen können?

Was machen die Behörden im nächsten Herbst, wenn die Zugvögel gen Süden ziehen? Meine Studierenden haben es mit „Pi mal Daumen“ nach einigen Minuten berechnet und schauen mich fragend an: Was bedeuten 170 Gramm Asche in einem Kubikkilometer? Zum Vergleich ziehen wir einen großen See heran, in den ein kleines Kind gepinkelt hat. Bade- oder Trinkwasserverbot?

Und wie hast Du es schließlich geschafft von Spanien zurück nach Kanada? Von Hamburg in den Schwarzwald fährt ja die Bahn, aber wie kommt man ohne Flugzeug von Madrid nach Montreal? Ich hoffe Dich dennoch gut daheim,

Dein Rich

Im wöchentlichen Wechsel schreiben sich hier Friedrich Engelke, 68, Physiker aus Villingen, und sein Stiefsohn Julian, 30, Umweltberater aus Montreal

 

Literarische Stimmungen

In „Vertikalspannung“ (das Lächeln am Fuße der Leiter ist mir schon vergangen) lese ich im Buch von Peter Sloterdijk Du mußt dein Leben ändern. Nachdem ich begriffen habe, „wie wünschenswert es wäre, auf die andere Seite des Vorstellungsgetümmels zu gelangen“, stolpere ich über einen Findling von Frantz Wittkamp: „Erzähl doch bitte weiter, und was passierte dann?“ „Dann fiel er von der Leiter und kam nie unten an.“

Ein Glück, das Lächeln ist wieder da!
Ilona Hushahn

Du mußt dein Leben ändern ist bei Suhrkamp erschienen, und Das Lächeln am Fuße der Leiter von Henry Miller bei Rowohlt. die Werke von Frantz Wittkamp erscheinen bei Coppenrath

 

Mein Wort der Woche

„Die Menschen bezahlen die Vermehrung ihrer Macht mit der Entfremdung von dem, worüber sie Macht ausüben.“
Max Horkheimer (1895–1973)

eingesandt von Marc Meinheit, Lüneburg

 

Kleines Paradies

© suze / photocase.com

Jedes Jahr im Frühling, wenn das erste zarte Grün der Bäume sprießt und Frühlingsblumen sich vorsichtig durch die Erde schieben, erlebe ich das alljährliche Wunder des Erwachens der Natur in unserem kleinen Garten.

Von der Terrasse aus kann ich meinen Blick schweifen lassen und lauschen. Das Ohr vernimmt ein feines Geplätscher und ich sehe einen Sprudelstein, über dem das Wasser seinen Lauf nimmt. Beim Betrachten und Lauschen entspannt sich die Seele. Den Vögeln ist der Wasserlauf eine willkommene Abwechslung. Für mich ist es immer eine Freude, sie beim Trinken oder beim Planschen zu beobachten.

Die ersten Frühlingsblumen empfangen uns mit einer großen Farbpalette. Es scheint, als ob sie mit ihrer Farbenpracht in einen Wettstreit getreten sind. Eine Küchenschelle hat bis zur Mittagszeit ihre Blüten voll geöffnet und hält diese der Sonne entgegen, um am Abend, wenn sie ihre Blütenkelche wieder schließt, von ihr zu träumen.

Die Rankrosen, im Sommer im hellen Rosa und dunklem Rot gekleidet, halten sich jetzt noch mit ihrer Blüte zurück. Sie gibt dem kleinen, bescheidenen Veilchen jetzt den Vortritt. An den Knospenständen der Rhododendren und Hortensien können wir die Blütenpracht im Sommer schon erahnen. Die Magnolie verspricht mit ihren schönen und lila Blüten wieder ein Augenschmaus zu werden.

Der Apfelbaum lockt uns mit zarten Grün und kleinen Fruchtknospen. Wir erfreuen uns an den kräftigen Ästen des Spalierobstes und den Weinranken. Sie versprechen wieder den Genuss von Äpfeln und von süßen roten und weißen Weintrauben.

Am Ende des Gartens steht ein japanischer Kirschbaum. Seine Äste sind übersät mit üppigen rosa Blüten, in denen sich die ersten Bienen laben. Die Zweige neigen sich über den kleinen Teich. Es ist, als ob er sich vor diesem Wunder der alljährlichen wiederkehrenden Pracht verneigt und diese willkommen heißt.

Gabi Behrens, Elmshorn