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Von der Verfremdung des Alltäglichen

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Lange bewährte Strukturen zu verändern, ist selten ein leichtes Unterfangen. Annette Kelm aber hat es gewagt – und gewonnen. Der Künstlerin ist es gelungen, die Fotografie aus ihren klassischen Mustern zu heben und einer ganz neuen Betrachtungsweise unterzuordnen. Bei ihren Werken gilt nicht nur – wie bisher – die Frage nach dem „Was?“, sondern auch die nach dem „Wie?“. Es zählt also nicht nur das Bild als solches, sondern auch dessen Betrachtungsweise. Wer sich daran versuchen möchte, hat nun Gelegenheit, und zwar in Kelms dritter Einzelausstellung in der Galerie Johann König in Berlin.

Zu sehen sind beispielsweise Stoffe mit aufgedruckten Akronymen wie  „LOL!“, „C U SOON“, „XO“ oder „STUFF 2 DO“ oder auch Werbeplakate mit dominanten Prozentzeichen, die neben von Strohhalmen bedeckten Paisley-Halstüchern hängen. Um Kelms Stilleben zu verstehen, ist es notwendig, die Gegestände im eigenen Bewusstsein zu verfremden, um die voller Anspielung steckenden, mitunter ironisch vorgeführten Codes der Künstlerin zu entziffern.

Annette Kelm in der Galerie Johann König, Dessauer Str. 6 – 7, 10963 Berlin, bis 19. April 2014

(c) Annette Kelm „Espadrilles, 2 GOOD 2 BE TRUE, TTYL, XO, HOW R U?, 2013″/ Galerie Johann König

 

 

Ein Haus im Haus

OscarTuazon_MuseumLudwig (2)OscarTuazon_MuseumLudwig (7)„Alone In An Empty Room“– allein in einem leeren Raum – lautet der Titel der Ausstellung von Oscar Tuazon. Der amerikanische Künstler, geboren 1975 in Seattle, hat kein geringeres Ziel, als mit seinen Werken im Museum Ludwig in Köln die Grenzen der Architektur zu sprengen. Ob ihm dies anhand seiner Arbeiten aus Holz, Metall, Stein und Beton gelingt, muss jeder Betrachter für sich selbst entscheiden. Einen Eindruck hinterlassen die Werke, die sich zwischen Architektur und Kunst sowie zwischen Bauwerk und Skulptur bewegen, allemal – schon allein aufgrund ihrer außergewöhnlichen Positionierung im Haus. Denn die Werke verteilen sich nicht über die gewöhnlichen Ausstellungsflächen, sondern erstrecken sich über das Treppenhaus des Museums.

Auf vier Ebenen sind die architektonischen Versatzstücke eines privaten Wohnhauses zu sehen; im Untergeschoss wird der Treppenabsatz zum Garagentor, auf dem Dach ist eine Drehtür installiert. Die verteilten Fragmente Tuazons, der 2011 auch schon auf der Biennale zeigte, stellen ein Gegengewicht zur bestehenden Musuemsarchitektur dar und schaffen damit einen Kontrast zwischen privatem und öffentlichem Raum. In welchem Raum wären Sie lieber allein?

Oscar Tuazon  – „Alone in an empty room“, bis 13. Juli 2014 im Musuem Ludwig, Heinrich-Böll-Platz, Köln 

(c) Michael van den Boogard/ Courtesy of the artist and Galerie Eva Presenhuber, Zürich

 

Quellen der Inspiration

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Welchen Einfluss Musen und Modelle auf die Kunst haben, zeigt gerade die Düsseldorfer Galerie Ludorff (oben ein Gemälde von Cornelius Völker)

(c) VG Bild-Kunst

 

Porträt eines mystischen Orts

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(c) Marcus Schneider

Der Journalist, Schriftsteller und Dichter Curzio Malaparte sagte einst über sein Haus auf Capri, es sei wie er selbst: „traurig, hart, streng.“ Aber nicht wegen dieser Worte ist die Villa Malaparte zur Legende geworden, sondern aufgrund ihrer einzigartigen Architektur – sie gilt bis heute als Ikone. Nun widmet ihr der Berliner Künstler Peter Welz eine Video-Skulptur-Schau in der Galerie Crone, die heute beginnt. Die Ausstellung „Malaparte“ soll ein „überdimensionales Porträt eines Hauses und mystischen Orts“ sein, so die Veranstalter, und Welz möchte damit auch eine Antwort auf eine grundsätzliche Frage finden: „Wie übersetzt man klassische, stilprägende ewig gültige Werke in zeitgenössische, junge, experimentelle Kunst?“

Peter Welz – Malaparte
28. Februar – 17. April 2014
Galerie Crone
Rudi-Dutschke-Str. 26
10969 Berlin

 

Muse, Muse, Muse

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Was wäre der Künstler ohne seine Muse? Salvador Dalí ohne seine Gala? Und Jan Vermeer ohne das Mädchen mit dem Perlenohrring? Wären die Maler Niemande? Ganz bestimmt nicht. Und doch ist der Einfluss einzelner – oftmals weiblicher Personen – auf den Künstler unumstritten. Eben dieser Thematik widmet sich die Ausstellung „Sylvette. Sylvette. Sylvette. Picasso und das Model“, die heute am 22. Februar in der Bremer Kunsthalle eröffnet.
Im Frühjahr 1954 lernt Pablo Picasso die junge Sylvette David an der Côte d’Azur kennen und ist sogleich von der Schönheit der 19-Jährigen berauscht. Gleich mehrere Monate steht sie ihm Modell, woraufhin mehr als 50 Werke in verschiedensten stilistischen und technischen Ausdrucksmöglichkeiten entstehen: Mal hält er die junge Frau mit Pony und Pferdeschwanz in Ölfarben realistisch und in kubistischer Abstraktion fest, dann zeichnet er sie oder fertigt Skulpturen nach ihrem Vorbild an. Selbst zur Keramik-Arbeiten und solchen aus gefaltetem Blech inspiriert ihn Sylvette. Nachdem die Bremer Kunsthalle bereits 1955 eines der Werke kaufen konnte, sind nun erstmals alle „Sylvette“-Werke des spanischen Meisters in einer Ausstellung vereint. Und wer wissen möchte, wie Sylvette heute aussieht, wird auch nicht enttäuscht.

„Sylvette. Sylvette. Sylvette. Picasso und das Model“, 22. Februar bis 22. Juni 2014, Bremer Kunsthalle, Am Wall 207, Bremen

(c) Succession Picass0 / VG Bild-Kunst , Bonn 2014

 

Holzfass trifft Holiday Book

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Dass das Ende einer Ausstellung manchmal erst ihr Anfang ist, beweisen Martin Wöhrl, Andreas Neumeister und Martin Fengel in diesen Tagen in München. Die Künstler hatten in der Vergangenheit bereits im Berliner Corbusierhaus ausgestellt, Martin Fengel die Fotografien seiner „Holiday Books“, Martin Wöhrl und Andreas Neumeister die Werke ihrer Ausstellung „Weiß man es?“.

Nun also kehren sie in München ein, und zwar nicht nur mit weiteren Arbeiten, sondern auch mit Leporelli zu ihren Schauen. Martin Fengel, der in der bayerischen Hauptstadt lebt und arbeitet, präsentiert noch einmal die im Herbst 2011 an die Wände des Corbusierhauses projizierten Fotografien, diesmal allerdings handlich zu einem Faltbuch gestaltet. Zu sehen sind die Reiseführer und Romane, die er in den Jahren seines Schaffens abgelichtet hat, von „Conan, der Abenteurer“ bis hin zu Oliver Sacks‘ „Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte“.

Auch Martin Wöhrl und Andreas Neumeister, die von Juni bis November 2012 im Corbusierhaus ausstellten, greifen ihre provozierende Frage „Weiß man es?“ erneut auf. Dabei zeigten sie von Wöhrl gestaltete Fassköpfe und freistehende Objekte, die sie mit Texten von Neumeister an den Wänden und auf den Fässern kombinierten. „Ihn sieh an“, forderte so ein Fasskopf den Betrachter auf, während zwei Wände weiter das Gedicht „alles nah/ alles relativ/ alles relativ fern/ alles fern/ alles relativ/ alles relativ nah“ die Fantasie fordert. Lassen Sie sich inspirieren.

Am 20. Februar lädt Galerist Peter Ottmann ab 18 Uhr in die Goethestraße 74 in München zur Vernissage der Ausstellung „1 und 2“ ein. Die Schau läuft bis zum 31. März 2014.

(c) Martin Wöhrl, Andreas Neumeister, Martin Fengel/ Galerie Peter Ottmann

 

Alle Augen auf Asien

Huangshan Mountains, Study 11, Anhui, China, 2008

Safdar Jang, Study 1, Delhi, India, 2006

Asien, das ist die Chinesische Mauer, das ist Hong Kong, das sind Reisfelder und thailändische Traumstrände. Zumindest sind das, ganz Klischees entsprechend, die ersten Assoiziationen vieler Menschen, wenn sie an den bevölkerungsreichen Kontinent denken.

Dass Asien aber noch viel mehr ist, beweist der weltbekannte Fotograf Michael Kenna. In der Galerie Bernheimer in München zeigt er unter dem Motto „Light on Asia“ Fotografien, die auf seinen Reisen durch China, Indien, Japan, Korea und Vietnam entstanden sind. Dabei hat er beispielsweise die Metropole Shanghai und ihr Treiben fotografiert. Kenna ist aber auch in die entlegendsten Landschaften des Kontinents gereist. Einmal dort angekommen, nimmt er sich besonders viel Zeit, um die Motive in einem Spiel aus Raum, Zeit und Faktoren wie den Wetterbedingungen festzuhalten. Der Fotograf zeigt keine Schnappschüsse, sondern 50 sorgsam arrangierte, oft meditative Aufnahmen. Womöglich wecken sie in manchem Betrachter eine bisher nicht gekannte Lust auf einen Trip nach Asien. Verständlich wäre es.

„Light on Asia“, vom 20. Februar bis 26. April 2014 in der Galerie Bernheimer, München

(c) Michael Kenna/Courtesy of Bernheimer Fine Art Photography

 

Captain America und ein Bananen-Rindfleisch-Shake

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Die gleiche Idee brachte sie zueinander: Weil Paul McCarthy und Mike Bouchet unabhängig voneinander das New Yorker Guggenheim in eine Toilette verwandelten, tauschen sich die beiden Künstler seitdem regelmäßig über die Politik von Kulturinstitution und deren Architektur aus.

Im Frankfurter Portikus ist das Ergebnis ihres Gedankenaustausches nun zu sehen: Die Ausstellung „Powered A-Hole Spanish Donkey Sport Dick Drink Donkey Dong Dongs Sunscreen Model“ wirft beispielsweise mit der Umlegung des eigentlichen Eingangs in das Museum grundsätzliche Fragen über die Erreichbarkeit der heutigen Kulturindustrie auf. Diese erscheint den Künstlern wie eine Festung, weswegen Analogien zum Krieg in etlichen Objekten wiederzufinden sind.

So zeigt ein Ölbild beispielsweise ein an ein militärisches Schlachtschiff erinnerndes Museum, das Guggenheim in Bilbao, während Superheld Captain America und sein Erzfeind Red Skull, der in dem amerikanischen Comic der 1940er Jahre als italienischer Faschist charakterisiert wird, live als Performer auftreten. Wer möchte, kann auch bei der Produktion des A-Hole Sport Drinks  zusehen; einem Getränk, das nach Rindfleisch und Banane schmeckt und durch aggressives Product Placement als Pseudo-Ausstellungssponsor auftritt.

Über die eigentlichen Ausstellungsräume des Portikus hinaus, verteilen sich die Objekte im Dachgeschoss, an der Außenseite des Gebäudes und selbst an verschiedenen externen Orten in Frankfurt. Eine Ausstellung von Dauer, sozusagen.

Vom 15. Februar bis 20. April 2014 in der Galerie Portikus, Frankfurt am Main

(c) PAUL MCCARTHY & MIKE BOUCHET/ Powered A-Hole Spanish Donkey Sport Dick Drink
Donkey Dong Dongs Sunscreen Model/ Portikus, 2014

 

Schöne Malerei

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Im Atelier des Malers Florian Thomas entstehen auch Streifenbilder. Sein schön gestaltetes Buch »I didn’t know what time it was« ist gerade bei Jovis Art erschienen

(c) Jovis Verlag

 

Kunst, wo führt sie hin?

Splitt, Rainer, Farbguss Rot, Pigment, PUR, 20 kg, 2010

Hanegem, Ab van, Ohne Titel, 2009, 230 x 200, Acryl auf Leinwand 02

 

Hat die Leinwand ausgedient? Welchen Wert hat ein gemaltes Bild? Ist die Malerei überhaupt noch wichtig? Diese und viele weitere Fragen stellen sich zwölf Künstlerinnen und Künstler im Rahmen der Ausstellung „re:set – abstract painting in a digital world“ (Abstrakte Malerei in einer digitalen Welt). Ausgestellt in der Kunsthalle Recklinghausen, zeigen die Arbeiten der Maler aus Deutschland, Belgien, Dänemark und den Niederlanden vor allem abstrakte, das heißt ungegenständliche Motive auf. Die Frage, was auf einzelnen Werken zu sehen ist, gestaltet sich als ebenso spannend wie die nach der Zukunft der Kunst. Was sehen Sie?

„re:set – abstract painting in a digital world“, Kunsthalle Recklinghausen, vom 9. Februar bis 13. April, www.kunst-re.de

Bild 1: (c) Rainer Splitt/ Kunsthalle Recklinghausen; Bild 2: (c) Ab van Hanegem/ Kunsthalle Recklinghausen