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Marshall Headphones

(c) Marshall Headphones

Musik kommt nur dann richtig ins Ohr, wenn Sie aus Verstärkern kommt, würden Gitarrenfetischisten sagen. Gut, dass der Verstärkerhersteller Marshall jetzt auch Ohrhörer im Programm hat, aus weichem Leder, schwarz oder weiß

 

Laura Marling

(c) Deirdre O’Callaghan

Plötzlich war sie da, mit ihr ein vermeintlich neues Genre: Nu Folk, Musik für die Post-Indie Generation. Die Britin Laura Marling ist authentisch, weil sie seit drei Jahren zwar nicht die gleichen Lieder singt, sich aber in ihrer musikalischen und emotionalen Welt als eine der tiefgehendsten Folkkünstlerinnen immer weiterentwickelt. Woher das Dunkle in ihr kommt, wie schwierig es ist, sich in der britischen Musikszene zu behaupten und welchen Einfluss ihre Eltern auf ihre Musik haben, erzählt sie hier.

ZEITmagazin: Ihr aktuelles Album heißt „A creature I don’t know“. Wer ist diese Kreatur?
Laura Marling: Die Sache ist die: ich weiß es einfach nicht.

ZEITmagazin: Einige Lieder auf Ihrem neuen Album klingen sehr dunkel. Woher kommt das?
Marling: Ich glaube, dass es sehr viel einfacher ist, einen traurigen Song zu schreiben als einen fröhlichen, weil Trauriges einfach so viel mehr Gefühle hervorruft. Bei mir kommt es daher wie bei allen Menschen: von Liebe, und dem Kampf um Liebe.

ZEITmagazin: 2011 scheint das bisher beste Jahr Ihrer Karriere zu sein: Sie haben einen Brit Award als beste Britische Solokünstlerin sowie einen NME Award als beste Solokünstlerin gewonnen. Haben Sie nach nun mehreren Jahren in der Musikindustrie ihren Platz gefunden?
Marling: Ich selbst kannte meine Identität als Künstler immer, immerhin gehe ich jetzt schon seit fünf Jahren auf Tour. Diese Preise sind natürlich eine nette Sache, weil sie einen gewissen Grad an Aufmerksamkeit repräsentieren.

ZEITmagazin: Wie wichtig sind Ihnen musikalische Effekte geworden? Ihre Musik ist nicht mehr nur „Ein Mädchen und ihre Gitarre“.
Marling: Die Ausgestaltung und Arrangierung, die man mit Musik aufbauen und erreichen kann, sind für mich mittlerweile sehr interessant geworden. Außerdem spiele ich momentan live mit einer Band, mit der ich auch das Album aufgenommen habe. Das bringt den Sound ohnehin von der „Ein Mädchen und ihre Gitarre“-Musik weg.

ZEITmagazin: Die britische Musikszene scheint wie verrückt auf der Suche nach der nächsten großen Sache zu sein. Wer einmal glaubt, er hätte es geschafft, kann genauso schnell vergessen sein, wie er nach Oben gelangt ist.
Marling: Ich versuche, mich von der ganzen Sache fernzuhalten – denn sie werden Dich fallen lassen. Es ist aber ohnehin so, dass niemand mehr wirklich Geld mit Musik verdient, also geht es mehr darum, sich selbst so gut es geht zu vermarkten. Was meine Musik angeht, kann wohl jeder, egal ob Fan oder Presse, die Ehrlichkeit darin schon von Weitem förmlich riechen. Man sollte einfach, nicht vorgeben, irgendetwas zu sein – und am besten gar nicht lesen, wer oder was man angeblich ist.

ZEITmagazin: Die Bezeichnung „Nu Folk“ ist schwierig, weil es Folk schon immer gibt und immer gegeben hat. Denken Sie, dass es eine Art Leitmotiv in jedem Folksong gibt, etwas, das Folk über die Jahrzehnte bis heute hin vereint?
Marling: Ich denke auch, dass „Nu Folk“ die falsche Bezeichnung ist. Der Grund, weshalb ich die Musik mache, die ich mache, ist die Plattensammlung meiner Eltern. In meiner Generation gibt es Einige, denen es genauso geht. Das ist es wohl, das uns heute vereint: die Liebe zur Musik der 1960er und 1970er, die wir heute in unsere Musik stecken. Außerdem geht es bei Folk wohl im Gegensatz zu Rock’n’Roll, der immer eine gewisse hedonistische Lebensart impliziert, meistens um Liebe, einen Verlust oder die Kunst – es ist einfach nachdenklicher.

ZEITmagazin: Ist es einfacher, als Solokünstler aufzutreten oder in einer Band zu spielen?
Marling: Ich vermisse es wirklich sehr, mit meiner früheren Band Noah and the Whale zu spielen. Ich war Teil von etwas Großartigem, ohne im Mittelpunkt zu stehen – das hat mir wirklich gefallen. Es gibt einige andere Künstler, mit denen ich gerne zusammenarbeiten würde – vor allem, weil es immer eine gewisse Anonymität verleiht, mit Anderen zu arbeiten. Ich wünschte, mir hätte mal jemand geraten, nicht unter meinem eigenen Namen in die Öffentlichkeit zu treten – denn jetzt wird meine Musik immer mit mir persönlich gleichgesetzt. Aber es ist ganz bestimmt einfacher, Solokünstler zu sein: ich muss ich nur mit mir selbst kämpfen, und nur ich bin verantwortlich für alles, was ich tue oder veröffentliche.

ZEITmagazin: Was ist inspirierender: allein in einem Raum zu sein oder vor hunderten von Fans zu spielen?
Marling: Für meine Songs ist es definitiv inspirierender, wenn ich alleine bin, alleine mit meinen Gedanken. Aber manchmal kann auch ein Auftritt so überwältigend sein, dass sich eine Verbindung mit der Masse fühlen lässt. Man fühlt sich verstanden, und das ist es doch, was kreative Menschen wollen.

ZEITmagazin: Ihr Vater war Musiklehrer und eine wichtige Inspiration für Ihr Gitarrenspiel und Ihren Musikgeschmack. Wie wichtig ist er heute für Sie?
Marling: Immer noch sehr wichtig, mein Vater ist mir immer eine große Hilfe – er hat mir das Gitarre spielen beigebracht, das sagt schon alles. Meine Eltern haben in den 1960ern und 1970ern selbst im Musikbusiness gearbeitet und haben mir daher eine Menge mitgegeben. Wenn ich mit meinen Freunden zuhause über das Tourleben rede, darf ich mich nie beschweren, weil es ja eine tolle Sache ist; aber meine Eltern wissen, dass es auch harte Seiten hat.

ZEITmagazin: Fällt es Ihnen schwer, Ihre innersten Gefühle für einen Song in Geschichten zu packen?
Marling: Ich tue das nicht bewusst, oder sagen wir: nicht bewusst genug, als dass ich es währenddessen reflektieren könnte. Es ist mehr ein Bewusstseinsstrom, ich packe die Wörter einfach in die Reihenfolge, wie sie kommen.

ZEITmagazin: Eine letzte Frage: Joan Baez oder Joni Mitchell?
Marling: Definitiv Joni Mitchell, ihre Musik ist schon immer in mir, seit ich 10 Jahre alt war. Sie und Neil Young sind meine Helden. Vor zwei Jahren haben wir mal in Youngs Vorprogramm gespielt – ich war froh zu sehen, dass er echt ist.

Die Fragen stellte Hella Schneider

 

 

Josh T. Pearson

(c) Brian Doherty

Hobos sind eine aussterbende Gattung. Immer On The Road und No Direction Home, mit gebrochenem Herz und traurigen Geschichten im Koffer. Josh T. Pearson ist einer von ihnen, und er ist einer der interessantesten zeitgenössischen Folksänger. Ein Gespräch über Texas, Katharsis durch Musik und die Ehrlichkeit des Künstler. Sein neuestes Video „Drive Her Out“ gibt es hier

ZEITmagazin: Ihr aktuelles Album heißt „Last of the Country Gentlemen“. Sie sind einer von ihnen?
Josh T. Pearson: Ich hoffe es. Ich habe mal jemanden sagen gehört: „Ein Gentleman ist jemand, der etwas perfekt  kann, es aber einfach nicht tut“. Das hat mir sehr gefallen.

ZEITmagazin: Gibt es unter den großen Musikikonen jemanden, dem Sie sich nahe fühlen?
Pearson: Nicht wirklich. Ich mag Nick Cave sehr gerne, diese Idee vom Working Class Lied. Genauso schätze ich Johnny Cashs Stimme, das Gefühl in ihr. An Bob Dylan liebe ich, dass sich alles nach Wahrheit anhört, dass alles, was er tut, fast wie ein Gospel klingt.

ZEITmagazin: Sie kommen aus Texas, haben aber einige Jahre in Berlin und Paris gelebt. Wie haben Sie als Amerikaner Europa erlebt?
Pearson: Ich glaube nicht, dass sich meine Art des Songschreibens sehr geändert hat. Ich musste damals einfach raus. Ich kam nach Europa, um ein paar Konzerte zu spielen und wusste zu dem Zeitpunkt noch gar nicht, dass ich dort bleiben würde, ich habe einfach den Rückflug nicht mehr genommen. Und aus zwei Monaten wurden zwei Jahre. So etwas passiert wohl häufiger in Berlin. Texas ist mein Zuhause, auch wenn ich nicht da bin. Eine Richtung Heimat gibt es für mich nicht, es ist immer die Straße. Ich denke, dass es gut ist, in Bewegung zu bleiben, damit das Innere heilen kann – auch wenn es hart ist.

ZEITmagazin: Ihre Musik klingt manchmal sehr sakral, Sie sind als Sohn eines Pfarrers aufgewachsen. Woran glauben Sie?
Pearson: Ich glaube nicht, dass ich das in Worte fassen kann. Aber ich glaube an irgendetwas, immer noch. Vielleicht daran, gut zu sein und Gutes zu tun. Vielleicht auch daran, in die Hölle zu kommen. Ich versuche und ich kämpfe, immer.

ZEITmagazin: Gibt es so etwas wie Magie im Jahr 2011, in Zeiten von Facebook, Google und Youtube eigentlich  noch?
Pearson: Es ist schwierig, leider. Ich war einige Jahre auf Tour ohne Alben rauszubringen – also musste man zum Konzert kommen und die Musik real hören und sehen – und trotzdem bin ich zu dem Punkt gekommen, dass Mythos und Magie fast unmöglich sind. Es gibt keine Geheimnisse mehr, vor allem nicht über Künstler. Wenn Du etwas wissen willst, googlest Du es. Du tippst es und konsumierst es. Dieser Tod des Geheimnisvollen und des Märchenhaften ist wirklich eine traurige Sache. Letztens hatte ich auf einmal eine Band im Kopf, die ich seit zehn Jahren nicht mehr gehört hatte, aber ich musste eben nicht zu meiner Plattensammlung gehen, um sie zu hören, sondern nur einen Namen bei Youtube eingeben. Das kann auch wundervoll sein.

ZEITmagazin: Man kann auch versuchen der Welt den Rücken zu kehren. Sie haben mal in der Wildnis gelebt …
Pearson: Ich glaube, das Ganze wird immer etwas überinterpretiert. Ich habe alleine in einem Haus gewohnt, in diesem 300-Einwohner-Dorf in Texas. Als ich dort hingezogen bin, gab es dieses ganze Internetding noch nicht so und ich hatte kein Auto. Ich habe Kontakt mit Freunden und Familie abgebrochen. Für mich war das eine Art Wildnis. Es war brutal, aber manchmal ist es ganz gut, abgeschlossen von der Außenwelt zu sein.

ZEITmagazin: Was hat Sie dazu gebracht, wieder Songs aufzunehmen?
Pearson: Ich habe nie aufgehört, Songs zu schreiben und habe immer Konzerte gespielt. Es gibt Hunderte, die ich einfach nie aufgenommen habe. Mit der Zeit wollte ich die Songs in eine Welt bringen, die mir nicht mehr gehört und ich dachte, es wäre auch gut für mich, sie rauszubringen. Ich habe mir schon gedacht, dass die Kritiker das Album lieben würden, denn es ist gute Arbeit und vor allem ist es ehrlich. Aber es überrascht mich immer wieder, dass die Leute es tatsächlich kaufen und es offenbar so viel Traurigkeit da draußen gibt. Es hilft mir, dass es den Leuten hilft.

ZEITmagazin: Die Bühne scheint für Sie ein schmerzvoller Ort zu sein. Warum treten Sie trotzdem auf?
Pearson: Ich hoffe einfach, dass es einigen Leuten gut tut. Die Leute kommen ja immer wieder, wir sind jetzt seit neun Monaten auf Tour. Dann kommt auf einmal jemand mit Tränen in den Augen zu Dir und sagt „Hey, das habe ich gerade wirklich gebraucht“. Vielleicht brauche ich es auch und es ist eine Art Katharsis.

ZEITmagazin: Ihr Album hört sich an, als würden Sie versuchen Ihren Gedanken eine Richtung zu geben.
Pearson: Das ist ein Kampf, und es ist schwierig, eine Struktur zu finden. Es ist, als ob man Auto fährt und nicht weiß, wo man hin will. Oder man hat eine Karte und kennt den Weg, fährt aber einen Umweg.

ZEITmagazin: Es geht um Liebe und gebrochene Herzen. Wie viel an diesem Schmerz ist inszeniert?
Pearson: Es ist alles echt. Man muss es sich vorstellen wie eine Dokumentation: wichtig ist, die rohe Essenz des Gefühls zu erfassen. Das ganze Album ist ein Liebesbrief, es ist das Geräusch der Trennung. Ich habe diese Songs nicht in dem Wissen geschrieben, sie jemals zu veröffentlichen. Das ist das Gute daran.

Die Fragen stellte Hella Schneider

 

Das heitere Zitat

„I’m pickin’ up good vibrations / she’s giving me excitations“

Zeile aus dem Lied „Good Vibration“ von den BEACH BOYS, deren
Über-Album „Smile“ jetzt endlich erschienen ist

 

Hudson – Against the Grain

Hudson – Against The Grain from Dropbear on Vimeo.

Es soll ja Leute geben, die die Farbe eines Buntstifts am Geschmack erkennen können. Einer, der das konnte, trat vor langer Zeit mal bei „Wetten, dass…“ auf. Er gewann die Wette. Mit diesem Video wollen wir alle Buntstiftlutscher grüßen – und alle, die das unappetitlich finden auch. Denn das Video ist einfach schön, genau wie die Musik von „Hudson“, einer Indieband aus Australien.

 

NNEKA

(c) Jens Boldt

Wenn’s draußen kalt ist: Das neue Album der in Hamburg lebenden Nigerianerin NNEKA „Soul is heavy“ anhören. Gefühlvoll und zum Tanzen – großartig!

 

Señor Coconut

Uwe Schmidt ist ein Mann mit vielen Identitäten. Der Soundtüftler aus Frankfurt, hat unter Namen wie „Atom Heart“ , „Lisa Carbon“ oder „Fonosandwich“ einige ergötzliche Elektronikmusik gemacht. Das schönste seiner Pseudonyme aber ist „Señor Coconut“. Unter diesem rührt Schmidt eine grandiose Latin-Salsa zusammen. Es begann mit Mambo- und ChaCha-Versionen von Kraftwerk, die sogar den Segen der Kraftwerker selbst fanden. Mittlerweile hat sich Herr Schmidt in Santiago de Chile niedergelassen und gilt dort als Volksheld. Kein Wunder, dass er es wagt, auch Michael Jackson und Deep Purple in seine Rhythmus-Sauce zu tunken. Mit feinem Humor und musikalischer Finesse. Ein Spaß für die ganze Familie. Unter anderem zu sehen am 4.11. in Berlin, Lido

 

James Blake

(c) Universal Music

JAMES BLAKE hat im Februar sein Debütalbum veröffentlicht; jetzt schiebt er sechs wunderbare Songs hinterher, unter anderem ein Joni-Mitchell-Cover

 

 

Ceremonials

(c) Universal Music

Dass es jetzt endlich ein neues ALBUM von Florence and the Machine gibt („Ceremonials“), freut uns umso mehr, als es so großartig ist wie das erste der englischen Sängerin

 

LEGO Plattencover

(C) Christoph!

(C) Kitzzy Aviles

Sie sind ein bisschen traurig, diese Menschen, denen Popmusik noch etwas bedeutet. Die digitale Revolution hat ihnen ihr liebstes Artefakt geraubt: das Albumcover. Eine MP3-Datei braucht nun einmal keinen visuellen Schnickschnack. Weil sie diese Entwicklung so bedauerlich finden, kramen sie alte LP-Cover hervor, Glanzstücke der Opulenz, und erinnern sich an bessere Zeiten. Und um ihre Laune zu heben, stellen sie lustige Sachen mit diesen Covern an, manche von ihnen verfassen Hitlisten, andere hängen sie an die Schlafzimmerwand.
Es besteht aber auch die Möglichkeit, seine Leidenschaft kreativ nutzbar zu machen. Im Online-Foto-Netzwerk „Flickr“ hat sich eine Gruppe zusammengeschlossen, die mittlerweile 794 Mitglieder zählt und in epochale Plattencover die Abbildungen von Lego-Figuren hineinmontiert. Aus dem leibhaftigen Iggy Pop, der den Betrachter von dessen Meisterwerk „Lust for Life“ diabolisch angrinst, wird ein Lego-Iggy-Pop. Der User „Christoph!“ hat ihm bloß ein Grinsen ins Gesicht gemalt, das ein bisschen putziger aussieht als im Original. Es sei ihm verziehen. Andere Verfremdungskünstler haben die Beatles, wie sie den Zebrastreifen auf der „Abbey Road“ überqueren, legoisiert. Das Ergebnis: psychedelisch! Genau so gut kann man natürlich Bruce Springsteens berühmten „Levi’s“-Hintern auf dessen „Born in the USA“-Album in die Lego-Welt verfrachten. Das Hinterteil sieht zwar ein wenig eckiger aus als in echt, aber beschweren sollte man sich darüber nicht: Es war ja auch nie die Rede davon, dass Lego-Steine eins zu eins die Realität abbilden. Sie sind ein Rohstoff für Träumer. Besonders dann, wenn es sich bei den Lego-Bastlern um Erwachsene handelt, die ihre Finger nicht von alten Schallplatten lassen können. Philipp Wurm